Open Menu
Open Menu
 ::

Test Ford Puma ST

Published in radical-mag.com

Überraschungen

Ford, man weiss es, wir haben es auch schon öfter geschrieben, kann: Fahrwerk. So ein Fiesta ST ist ein Fest, auch der Focus ST setzt den richtigen Fokus (einverstanden, die waren jetzt etwas billig), wir haben sogar den reinen Stromer Mustang Mach-E als eines der fahraktivsten Geräte unter den E-Autos loben können. Und dann macht der Puma als ST Sachen, die man, hmm, als überraschend bezeichnen möchte. Das geht so: Da fährt man ihn einigermassen flott über eine schön gewundene Landstrasse, ja, schon sportlich, bremst ihn relativ spät relativ grob ein (zu den Bremsen kommen wir dann noch), will ihn eigentlich fein unter Zug in die Kurve ziehen – und dann geht das Heck seine eigenen Wege. Wir haben es natürlich nicht gesehen, aber gehen davon aus, dass das kurveninnere, hintere Rad schon ziemlich früh keinen Bodenkontakt mehr hatte. Gut, es war spürbar schon im Ansatz, aber für einen Fronttriebler dann doch ziemlich überaschend. Gut, es ist auch erklärbar, der Puma muss hinten etwas härter abgestimmt sein als ein Fiesta (er ist ja ein SUV – oder zumindest ein Crossover, deshalb wurde die Verbundlenker-Achse hinten stolze 40 Prozent fester abgestimmt als im Fiesta ST, der ja auch schon kein Weichei ist)), er baut einigermassen hoch (er ist ja, wie grad geschrieben), aber wir haben uns doch ziemlich gewundert. Nein, kein Landschaden, so sportlich war es dann doch nicht, aber kurz wurde uns etwas mulmig, weil wir das so nicht erwartet hatten – weil wir uns das von den Fahrwerkskünstlern von Ford in dieser Form auch nicht gewohnt sind. Wenn man es dann weiss, dass die Hinterachse einigermassen bockig ist (auch die Stabis sind härter, dann lässt sich auch gut damit spielen, doch ob das wirklich alle im Griff haben, da haben wir so ein bisschen unsere Zweifel. Aber man kann ja auch: langsamer.

Mit dem Puma scheint Ford ein guter Wurf gelungen zu sein, gleich im ersten Verkaufsjahr konnte er in der Schweiz seinen technischen Zwilling, den Fiesta, hinter sich lassen – und dies, obwohl die am heftigsten begehrte Version, der ST, erst spät im vergangenen Jahr verfügbar wurde. Wie der Fiesta ST tritt auch der Puma ST mit dem 1,5-Liter-EcoBoost-Maschinchen an, das auf beachtliche 200 PS kommt und auf ein ebenfalls beachtliches Drehmoment von 320 Nm, die zwischen 2500 und 3500/min zur Verfügung stehen. Sehr schön ist, dass auch beim Puma die Kraft über ein manuelles 6-Gang-Getriebe in die richtigen Portionen verteilt werden kann, sehr schön ist zudem, dass das doch 4,22 Meter lange, 1,81 Meter breite und doch 1,53 Meter hohe Fahrzeug relativ bescheidene 1,35 Tonnen wiegt (das Mehrgewicht gegenüber dem Fiesta ST liegt bei 70 Kilo). Die 6,7 Sekunden, die das Werk für den Sprint von 0 auf 100 km/h angibt, erscheinen durchaus realistisch – und zeugen davon, dass man es hier mit einem flotten Kerlchen zu tun hat. Eingebremst wird er dann allerdings etwas gar stark, kaum berührt man das entsprechende Pedal, werden die restlichen Passagiere zuerst einmal heftig nicken; die feine Dosierung ist mehr bei den anderen. Dafür sind die Dinger (325 Millimeter vorne) ausgesprochen standfest.

Und ja, er ist wirklich munter, er wirkt auch agil, da stört auch die im Vergleich zum Fiesta ST eher unsportliche, erhöhte Sitzposition nicht (die aber immerhin für eine bessere Übersicht sorgt) nicht. Der Motor ist eine Freud, hat genügend Kraft unten raus (mit einem kleinen, kleinen Turboloch), dreht dann aber sauber über die Mitte hoch und hat schliesslich auch oben noch Luft und Lust. Was er der Welt auch gern lautstark verkündet, aber es ist ein schöner Klang, bei dem man nicht so ganz versteht, warum er im Innenraum noch künstlich verstärkt werden muss. Egal, alles gut, sogar der Verbrauch, vom Werk mit 6,8 Litern angegeben. Die wir beim friedlichen Einherrollen sogar knapp untertreffen konnten. Lässt man den Puma ST aber so von der Leine, wie er das auch gerne will und bestens kann, dann wird es schnell zweistellig. Im Schnitt: 9,5. Auch irgendwie egal.

Nicht ganz so egal war uns allerdings, dass die an sich feinen Recaro-Sitze (serienmässig) doch eher auf Pygmäen zugeschnitten sind. Auch auf der Rücksitzbank sollte man nicht dringend grösser als 1,50 Meter sein. Das ist deshalb erstaunlich, weil der Puma einen gewaltigen Kofferraum bietet, 456 Liter sollen der Bestwert sein in der Klasse; dazu kommt noch die 80-Liter-Megabox unter dem Kofferraumboden. Das hätte man sicher auch fairer verteilen können. Zum Bediensystem können wir nicht viel schreiben, ja, ist da, ja, funktioniert, ja, es gibt auch noch die richtigen physischen Drehschalter fürs Klima; bei solch fahraktiven Geräten hampelt man ja eher weniger am Infotainment und mit der Connectivity rum. Die Materialqualität und Verarbeitung sind, wie sie bei Ford derzeit halt sind, kein Grund zur Klage, aber es wäre auch nicht weiter tragisch, wenn man sich in Köln etwas mehr Mühe geben würde bei den Details.

Ob man nun so einen Puma ST hübsch findet oder eher als so ein bisschen als eine Comic-Figur betrachtet, das ist auf jeden Fall Geschmacksfrage; ja, es gibt auch noch andere Farben als dieses doch ziemlich furiose Grün (die dann auch noch 1300 Franken Aufpreis kostet, einen Hunderter mehr als das unabdingbare Performance-Paket mit dem Quaife-Sperrdifferential). Keine weiteren Diskussionen braucht der Preis: der Ford Puma ST ist, schon gut ausgestattet, ab 34’100 Franken zu haben. Was uns in der Summe seiner doch ziemlich überzeugenden Leistungen als ausgesprochen fair erscheint. Und doch eine Frage nicht beantwortet: Wer ganz genau braucht denn nun so einen potenten Kompakt-Crossover? Es gibt ja schon den wunderbaren Fiesta ST (ab 29’400 Franken) – der alles mindestens gleich gut kann.

Mehr Ford haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Ford Puma ST erschien zuerst auf radicalmag.