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BMW iX

Published in radical-mag.com

Der Satz mit iX

Sie erinnern sich an den BMW M4, diesen fetten Biber vom Underground-Rave, den man trotz Textmarkergelb im Halbschatten kaum erkennen konnte – was angesichts des Gesichts wohl zum Wohl des Betrachters gedacht war? Die Party ist beendet, die Musik aus und der Biber hat sich den Büroanzug übergeworfen.

Wir (also nicht wir, sondern: BMW) präsentieren hier den iX. Früher stand das X mal für Allrad, heute sind wir schon froh, dass es überhaupt noch angetrieben ist. Sicher verkauft man uns auch in Zukunft auch Pedale im Fussraum als den letzten Nachhaltigkeitsstand.

Zurück zum Auto. BMW iX. Der Neue also, wobei neu relativ ist. Man hat ihn eigentlich schon vor vielen Jahren erwartet. Ein grosser Bruder des i3. Er kam dann halt nicht. Die Erbsenzähler hatten plötzlich Panik, weil das grosse Zukunftsprojekt absolut grandios gefloppt ist. Weder den i8 noch den i3 wollte irgendwer haben, geschweige denn mit eigenem Geld kaufen. Immerhin hat die Konkurrenz eine Lanze für BMW gebrochen. Denn: sie tat gar nichts. Der i3 verkauft sich deshalb heute – vor allem dank teils haarsträubend hoher Staats-Incentives – wie geschnitten Brot. Im Long-run wird er also doch noch zum Geschäft für die Münchner.

Und wenn wir ehrlich sind: er war immer schon ein extrem cooles Auto. Vielleicht sind wir auch vorbelastet, schliesslich sind wir alle drei Generationen i3 selbst gefahren. Und so ein i3S der letzten Akku-Ausbaustufe ist dann wirklich ein fröhliches Ding. Frisch, edel, zackig schnell und gerade so klein, dass er dort wo er am dringlichsten hingehört eben auch hinpasst: die Innenstadt.

Der BMW iX wandelt zwischen X5, X7 und Segelyacht

Der BMW iX hingegen? Fast fünf Meter lang, im Radstand länger als ein ganzer Smart (in Worten: drei Meter!). In den Kerndimensionen also grösser als ein X5. In der Höhe zwar nur auf dessen Coupébruderniveau, aber mit 1,70m eben immer noch ein Trumm. Vor allem, weil er auf das Stelzenfahrwerk verzichtet. Der iX ist einfach ein Klotz von Auto. Da helfen auch die 22 Zoll-Felgen kaum weiter.

Immerhin: sie tun der Aerodynamik gut. Kein Scherz, BMW verspricht 15km Reichweiten-Vorteil allein durch die Air Performance Felgen. 50 weitere gewinnt er durch clevere Luftleitung an Front, Unterboden und Heck. Dies vor allem dadurch, weil alles geschlossen ist. Denn es hat schon seine Vorteile, wenn man das Eisenschwein unter der Haube nicht mehr kühlen muss und auch kein Öl mehr nachfüllen braucht. Man kann den Deckel dann einfach verschweissen. LED-Leuchten brennen ja eh auch nicht mehr durch. Wischwasser füllt man ganz normal durch den BMW-Propeller ein.

Es muss im Übrigen ein gigantischer Tank sein. Im Segeljargon (tut BMW mit dem Oracle-Team da eigentlich noch mit?) spricht man von Ballasttanks. Sie geben der Fuhre im Grenzbereich die nötige Stabilität, wenn das Segel vom im Wind hängt. Vom Namen her (der in der URL auch gut aussieht, bmwix) müsste man ja eigentlich schliessen, dass er von Haus aus Traktion mitbringt, aber was wissen wir schon. Wir denken ja bei einem 750er auch an einen Zwölfzylinder und keinen Dreiliter-Diesel.

Doch zurück zum Ballast: 2,5 Tonnen wiegt der iX. Das ist strenggenommen sogar gar nicht schlecht. Der Mercedes EQC, der grössenmäßig mindestens eine Klasse tiefer boxt, bringt es ebenfalls auf dieses Gewicht. Und der Audi e-tron legt sogar noch einmal zwei Zentner drauf. Aber der i3 wiegt nicht einmal die Hälfte. Die volle Anstrengung des Carbonmonocoques, die Feinfühligkeit des Fahrwerks, Filigranität und Intelligenz im Materialeinsatz allerorten, der kleine Pionier war eine Ingenieurs-Meisterleistung und begeisterte gerade dadurch selbst solche, die beim Begriff «Elektron» an 300 SLR und Porsche 917 denken.

Sie haben es nicht verlernt, die Technik ist feinst

Ja, auch im iX blitzt das im FIZ versteckte Können durch. Die neue E-Motorengeneration, frei von seltenen Erden, weil man nicht auf fette Permanentmagnete setzt, sondern stromerregte Synchronmaschinen, ist ein Traum. Weil man mit der Modulation von Stromstärken und Spannungen das Magnetfeld und damit Leistung und Drehmoment soviel feinfühliger steuern kann als der Rest. Weil man damit nicht nur unten rum absurd abdrücken kann, sondern auch eine fette Drehzahlmitte gewinnt. Weil man nicht mit irrwitzigen Fliehkräften angesichts der rotierenden Massen kämpft und deshalb auf 17’000 Touren drehen kann und mit einem Gang locker 250km/h packt. Weil man nicht nur die Leistungsdichte des Gesamtpakets um 30% im Vergleich zum i3 erhöhen konnte, sondern auch noch das Geräuschniveau um 28dB senken konnte.

Wem die Stille unangenehm ist, der sollte zum Bowers & Wilkins-Soundsystem greifen. 30 Lautsprecher, alle übrigens durch das «Shy Tech-Prinzip» maximal unauffällig im Interieur verräumt, dürfen mit 1600 Watt voll aufspielen. (Wieviel Reichweite das im Gegensatz zu den Propellerrädern kostet, verrät BMW nicht, das muss der geneigte Leser selbst ausrechnen)

Überhaupt ist das Interieur des iX vielleicht seine Schokoladenseite. Edle Recyclingmaterialien erinnern an die Idee des i3 und heben sie in neue haptische Sphären. Dazu kommt Kristallglas am Sitzversteller und Holzfurnier mit Touchfunktion. Man muss das nicht zwingend mögen, aber es ist konsequent. Klar, integrierte Kopfstützen wirken immer nach Sparefroh VW-upmiigo, und man fühlt sich nach langen Fahrten immer so ein bisschen wie ein buckliger Quasimodo, aber hey: Elektroauto, lange Fahrten, see what I mean? Quälende Ergonomie ist bei Steckerfahrzeugen immer eher ein nachgelagertes Problem. Und Over-the-air kann sicher auch Entspannungs-Yoga bei der Ladepause zum Nachturnen einspeist werden.

Stichwort laden. 200kW verträgt der Akku des iX, er dürfte sich also vom 400V-Niveau verabschieden und stark in Richtung 800V schielen. Die Kapazität wird mit über 100kWh brutto angegeben. Damit ergibt sich eine Schnellladung im Optimalfall in 40 Minuten von 10-80%. Obacht aber bei der Aufpreispolitik. Ein i3 lädt ohne Aufgeld nur einphasig mit 3,7kW, BMW dürfte auch beim iX die Hand aufhalten. Wer also keine 30 Stunden auf einen vollen Akku laden möchte: Kreuzchen nicht vergessen.

HiX MiX, man ist sowieso durcheinander in der Nomenklatur

Mit kolportierten 500+ PS macht der BMW iX immerhin einige Standzeit wieder wett. Sprintwerte unter fünf Sekunden sind ebenso verbrieft wie noch weitere stärkere Versionen. Die neue E-Maschine bringt pro Achse bis zu 300kW. Ein iX M, oder: MiX dürfte also die 800PS-Marke knacken, der Einstieg als Einachstrieber (Halber Allrad = halber iX = HiX?) könnte runtergerechnet von den Premierendaten bei 370kW geteilt durch 2, also 185kW/250PS landen.

Laut EPA soll der iX übrigens 300 Meilen weit kommen. Das sind immerhin 483 Kilometer. Das wären vom Nettowert der Batteriekapazität ausgehend keine 19kWh auf 100 Kilometer und damit ein bemerkenswert sparsamer Wert – zumindest, was die Deutschen angeht. Der WLTP sieht den iX einerseits bei 21kWh/100km, gibt gleichzeitig aber eine Reichweite von 600 Kilometern an. Zumindest mit den uns beigebrachten Grundrechenarten geht das allerdings nicht mit der Bunkerfähigkeit der Batterie zusammen. Aber wer weiss, was BMW während der EU-Zertifizierung in den Ballasttank gefüllt hat.

Doch bei all der Zahlenspielerei darf man das Grosseganze nicht aus den Augen verlieren. Und das ist bei der Elektromobilität immer noch das Fünkchen Hoffnung, das ein Umstieg auf eben jene Technologie den Planeten rettet, oder ihn zumindest für ein paar mehr kümmerliche Jahre wohnlich bleiben lässt. Deshalb sei an dieser Stelle die Frage erlaubt: warum so ein Trümmer?

Die Kritik geht dabei nicht an BMW im Speziellen. Sie geht an alle. Kein Tesla unter 2,5 Tonnen, kein EQ-irgendwas und auch die Trons nicht. Warum müssen es fahrende Backsteine sein, in der Stirnfläche so gross wie ein Kleinbus (egal, wie windschlüpfrig sie auch sein mögen?). Ja, der Pedant wird anführen, dass die gigantische kinetische Energie der Kolösser ja auch wieder rekuperiert werden kann und doch: fehlt es nicht an ein bisschen Intelligenz? Geht es im Ganzen nicht gerade darum? Um den Balanceakt aus Notwendigem, Sinnvollem, Spannendem und vielleicht sogar Schönem?

BMW war dem Kern mit dem i3 schon einmal nah. Vielleicht sogar mittendrin.

Der neue iX ist gut, vielleicht konzeptionell der Beste im Konkurrenzumfeld. Aber ein BMW hat sich nie an der Konkurrenz gemessen. Ein BMW hat seine Klasse neu definiert. Und ja, wir sprechen aus tiefstem Herzen, vor allem aber aus der eigenen Garage. Dort stehen E3, E32 und eben ein echter 750er. Dort steht aber auch ein i3. Denn all das waren Meilensteine. Keine Gäule, die nur so hoch gesprungen sind wie sie mussten. Es waren Autos, die ihrer Zeit voraus waren. Schöner, feiner, intelligenter.

Mit dem neuen BMW iX wird man das Gefühl nicht los, dass er nicht so gut ist wie er sein könnte. Vor allem aber: wie er sein müsste.

Deshalb: Baut mir einen Vollcarbon-i5, drückt beim i3 auf die 125%-Kopiertaste, klemmt einen 60kWh-Akku rein und montiert den effizientesten Range-Extender, den die Welt je gesehen hat. Lasst uns elektrisch fahren, wo es Sinn macht. Und gebt uns die 130 Dauer-km/h auf jeder egal-wie-Langstrecke, wenn wir sie brauchen. Macht eurem Namen Ehre, nutzt das Know-How aus dem FIZ, denn es ist das einzige, was euch von den seelenlosen Skateboard-Silhouette-Stromern in Zukunft unterscheiden kann. Baut kein Elektroauto, um Greta und die Steuer-Incentivejäger glücklich zu machen.

Baut ein Auto für uns. Dann baut ihr ein Auto für die Zukunft.

Der Beitrag BMW iX erschien zuerst auf radicalmag.