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Fahrbericht Ford GT plus

Published in radical-mag.com

because racecar

Eigentlich wollten wir hier eine nur kurze Story machen. In der es um das Fahrzeug geht, das wir hier auch zeigen. Doch dann haben wir gemerkt, dass wir den Fahrbericht zum Ford GT hier auf «radical» gar nie veröffentlicht haben (oder zumindest: wir finden das Ding nicht mehr…). Deshalb jetzt also zuerst dies:

Etwas eigenartige Geräusche macht er ja schon. Er knirscht, er sprotzt, manchmal schnaubt er auch. Die Keramik-Bremsen quietschen, wenn sie kalt sind. Und wenn sie heiss haben: dann auch. Und dann ist dieses Pfeifen der Hydraulik-Pumpe, die dauernd irgendetwas tut, Heckspoiler ein- und aus- und überhaupt in Stellung fahren, Frontspoiler richten, sich entlüften, belüften. Einverstanden, man hört das nicht immer, meistens wird alles selbstverständlich übertönt vom direkt ins Ohr brüllenden Motor, doch manchmal rollt man ja durch ein Dorf, und dann: eben, diese Geräusche. Nein, es ist nicht so, dass der Ford GT schlecht verarbeitet wäre, ganz im Gegenteil, aber dies Automobil macht dauernd etwas, es: lebt. Es ist so, wie man sich einen Rennwagen vorstellt, das muss schütteln, knarzen, vibrieren, lärmen. Denn schliesslich ist der Ford GT ja eigentlich ein Rennwagen, dem man so nebenbei auch noch ein paar Manieren beibrachte, damit er auch für die Strasse taugt. Es ist dies grossartig, denn man ist immer, immer alert, man will das alles ja auch hören, spüren, riechen; sogar am Rotlicht hat man das Messer zwischen den Zähnen.

Er ist auch etwas unübersichtlich, der Ford GT. Nach hinten muss man bei einem solchen Wagen ja nicht unbedingt etwas sehen, Konkurrenz ist rar, und immerhin kann man den Heckspoiler bei der Arbeit betrachten. Vorne sieht man nur den höchsten Punkt der Kotflügel, bei einem modernen Rennwagen ist das ja auch nicht anders, aber auf der Rennstrecke gibt es ja auch keine Parkplatz-Begrenzungen und Gehsteige und Tiefgaragen-Einfahrten. Und vorne ist er halt ziemlich lang, wie er überhaupt lang ist, 4,78 Meter, und breit, sehr breit: 2,24 Meter mit Spiegeln. Dafür ist er nicht so wirklich hoch, 1,06 Meter in der tiefsten Stellung, in der er eh am besten aussieht. Und er hat den wohl kleinsten Kofferraum aller Zeiten: 11,6 Liter passen da rein, also etwa zwei Büchsen Bier. Andere Automobile verfügen über grössere Handschuhfächer.

Nun ist man also unterwegs in einem Automobil, das unübersichtlich ist und dauernd irgendwelche Geräusche macht und auch so richtig laut lärmt aus dem Motorraum. Und man hat einfach sowie ganz profan: Freud‘. Denn darum sollte es doch beim Fahren mit einem Sportwagen ja gehen: man beschäftigt sich mit dem fahrbaren Untersatz, will etwas mit ihm, will nicht einfach nur gefahren werden, sondern – teilhaben. Und genau das bietet der Ford in vollendeter Form, es ist ein ganzheitliches Erlebnis, Autofahren mit allen Sinnen (riechen kann man etwa den Angstschweiss des Beifahrers). Zum Beispiel: auf der A3 schliessen wir auf einen R8 auf. Der geht zwar flott, macht aber den Fehler, die linke Spur freizugeben; anscheinend besteht, zumindest unter Kennern, bereits so etwas wie Street-Credibility. Natürlich hängt er dann an, lässt sich auch nicht wirklich distanzieren – bis dann diese langgezogene Linkskurve kommt. 220, der GT zieht sauber weiter, 240, die Beschleunigung zeigt immer noch linear gen oben, 260, oh, wo ist der Audi, aber wir machen auch noch die 280 – und der Ford liegt wie ein Brett (es sei dies auch dem Radstand von 2,71 Meter geschuldet). Grossartig, auch weil man absolutes Vertrauen in die Fähigkeiten des Wagens hat, weil ja auch die Bremsen (von Brembo plus Heckspoiler als Airbrake) der Hammer sind – und weil man es immer wieder erleben will, den 3,5-Liter-V6-Doppelturbo mit seinen 655 PS (hey, EcoBoost…) in den Begrenzer zu drehen. Der Ford ist übrigens der Sechszylinder, der unter den modernen Sportwagen am besten tönt (sorry, Stuttgart); die Faszination eines Acht- oder gar Zwölfzylinders erreicht er aber nicht. Und apropos Porsche: das 7-Gang-Doppelkupplunsgetriebe (von Getrag, angepasst auf die GT-Bedürfnisse) ist auf der Höhe des PDK, extrem schnelle Schaltvorgänge, perfekte Anschlüsse. Nicht so toll: die Paddels am Lenkrad sind schlicht zu kurz, da sucht man dann manchmal im Leeren.

Es ist noch so manches: because racecar. Es lässt sich das enge Gestühl nicht verstellen, man passt den Abstand zu Gas und Bremse an, indem man Gas und Bremse per Seilzug näher zu sich zieht (oder weiter weg stösst); das Lenkrad immerhin lässt sich verstellen. Es gibt auch ein Witzchen von einem Bildschirm, auf dem man das Navi über das Smartphone darstellen kann (und auch Musik hören, was aber bei der allgemeinen Geräuschentwicklung ziemlich wenig Sinn ergibt). Ein paar Schalter für die Lüftung und Heizung gibt es auch noch, aber, hmm: das ist irgendwie egal, man hat ja warm ums Herz. Zentrales Bedienungselement ist das Lenkrad, da sitzen Blinker und Lichthupe. Es ist dies alles zwar einigermassen karg, und genau deshalb sieht es auch gut aus. Es ist alles sehr eng, man hat kaum Ellenbogenfreiheit zum Passagier; dafür sind die Seitenkästen gewaltig. Was man auch beim Einstieg spürt, man muss sich an den Scherentüren vorbei ins Innere winden.

Form follows function, auch das ist klar bei einem Rennwagen. Selbstverständlich wurde das Design etwas zivilisiert für die Strassen-Version, doch die aktive Aerodynamik hinterlässt tiefe Spuren. Man mag ihn gerne genauer anschauen, den Ford GT, man kann auch gut den Lauf der Luftströme verfolgen, man erkennt die Zusammenhänge, die für die Fahrdynamik relevant sind. Auch deshalb darf man den Amerikaner schätzen, er ist keiner dieser aufgemotzten Selbstdarsteller, die vor allem auf Aussenwirkung setzen, die in erster Linie ihren Besitzer zum Helden machen müssen, sondern ein sehr ernsthaftes Sportgerät, das mit kundiger Hand geführt sein will.

Wir hatten das Vergnügen mit dem Ford GT auf öffentlichen Strassen. Deutsche Autobahn, klar, da ist er der König, da ist die Chance, dass er auf einen Konkurrenten trifft, sehr gering. Herrlich die Gasannahme, wie er trotz relativ kleinem Hubraum und grossen Turbos reagiert (auch dank einem Anti-Lag-System, das die Turbo-Rädchen am Laufen erhält), wie er linear er durchzieht bis 6000/min (das maximale Drehmoment von 750 Nm liegt, because racecar, erst bei 5900/min, doch er hat reichlich Kraft schon ab 1500/min), wie er nicht nur immer lauter wird, sondern vor allem: schneller. Ach ja, Zahlen: 0 auf 100 unter 3 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 347 km/h. Doch noch grossartiger ist er auf (breiten) Landstrassen, die Lenkung ist extrem präzis, setzt die Gedanken des Piloten 1:1 um, simpel hydraulisch, nicht wolkig elektrisch unterstützt – und er kommt wunderbar sanft hinten, lässt sich mit dem Gaspedal um weite Biegungen dirigieren. Zwar hat man Respekt, because racecar, weil Mittelmotor, doch er ist sehr, sehr freundlich, leichter beherrschbar als manche seiner Konkurrenten; seine Grenzen (und jene der Michelin Pilot Sport Cup 2, vorne 245/35, hinten 325/30) erreichen wir nicht annähernd. Das Fahrwerk, feinste Pushrod-Konstruktion, zeigt zwar klar Rennstrecken-Härte, ist aber auch auf schlechten Gassen geschmeidig genug. 1385 Kilo nennt Ford als Gewicht, mit den Flüsigkeiten und Fahrer sind es dann über 1,5 Tonnen; da dürfte der Ford GT schon noch ein bisschen mehr Rennwagen sein…

Seitenlange Verträge mussten die Käufer eines Ford GT vor zwei Jahren unterschreiben, als die ersten Fahrzeuge ausgeliefert wurden. Ford wollte mit allen Mitteln verhindern, dass sich Spekulanten über den feinen Sportwagen hermachen, ihn nur kaufen, um ihn gleich mit entsprechendem Aufgeld wieder zu verschachern. Es ging den Amerikanern zwar sicher auch darum, den GT nicht in dunklen Garagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit versauern erleben zu müssen, sondern ihn quasi als Werbeträger in eigener Sache auf die Strasse zu bringen. Und doch war die Idee löblich, manch ein Investor wurde wohl vom Business abgehalten, weil er so nicht das schnelle Geld machen konnte. Doch jetzt sind die zwei Jahre um – und zack, schon sind die ersten Ford GT auf dem Markt. Ein schönes Stück wird von Bonham’s feilgeboten, eigentlich hätte es beim Goodwood Members Meeting am kommenden Sonntag unter den Hammer kommen sollen, doch der Anlass wurde wie so viele andere auch abgesagt.

Online kann man allerdings bieten, erwartet werden mindestens 700’000 Pfund. Das wären dann gut 200’000 mehr, als der GT neu gekostet hatte. Dieses Exemplar in Shadow Black hat nur gerade 609 Meilen auf dem Tacho – es ist also genau das geschehen, was Ford eigentlich verhindern wollte. Schade, eigentlich. Mehr Ford haben wir in unserem Archiv. Ausserdem: die Frühlingsauktion der Oldtimergalerie in Toffen am 28.3. findet statt – alle Infos jetzt unter www.oldtimergalerie.ch.

Der Beitrag Fahrbericht Ford GT plus erschien zuerst auf radicalmag.

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