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Comet C3

Published in radical-mag.com

very, very special…

Wenn die werten Damen und Herren von den Schweizer Strassenverkehrsämtern den Begriff «Special» nur schön hören, dann kriegen sie gleich sofort einen pickligen Ausschlag. Sie stellen sich darunter einen Eigenbau vor, zum Beispiel, dass jemand einen Corvette-V8 in ein MG-TD-Chassis eingebaut hat und das Ganze dann mit einer Glasfaser-Karosse überzog – und allein schon der Gedanke daran bringt die Experten ganz nah an die Ohnmacht. Wenn dann nun aber tatsächlich ein «Wahnsinniger» kommt und für ein Fahrzeug in genau dieser Konstellation, also MG-Chassis, Corvette-Maschine, Kunststoff-Aufbau, eine Fahrbewilligung haben will, dann, ja was dann? Dann haben die Damen und Herren Beamten zwar Haarausfall und nachher dringend Ferien nötig, doch wenn dieser «Wahnsinnige» Alain Ruede heisst und es sich beim Einzelstück um den Comet C3 handelt, dann sind am Schluss alle Stempel da, wo sie sein müssen.

Nun, manche «Special» sind wirklich: speziell. Gerade in den USA und noch mehr in England wurden da reichlich eigenartige Dinge zusammengeschustert, auch Bentley mit Flugzeug-Motoren wollten schon zur technischen Abnahme antreten. Doch andere dieser Einzelstücke haben wirklich eine wichtige automobil-geschichtliche Bedeutung – und dafür ist der Comet C3 von Alain Ruede ein sehr gutes und im wahrsten Sinne des Wortes schönes Beispiel. Man schrieb das Jahr 1951, als ein gewisser Paul Clovis ein MG-TD-Chassis kaufte bei Stanley H. Arnolt, besser bekannt als «Wacky». Arnolt stammte aus Chicago und importierte englische Fahrzeuge in die USA, unter anderem MG; berühmt wurde er später für die Arnolt-Bristol. Clovis baut in den MG einen geschärften Mercury-V8 sowie Getriebe und Hinterachse eines Ford ein.

Ein Jahr später kommen die ersten wichtigen geschichtlichen Zusammenhänge ins Spiel. Bob Ballenger kauft den «Special» von Clovis. Gleichzeitig bestellt er bei Glasspar eine Fiberglass-Karosse, eines der ersten gegossenen Exemplare. Richtig, man schreibt das Jahr 1952, bis zur Corvette mit der Kunststoff-Karosse sollte es also noch ein bisschen dauern. Bill Tritt hingegen hatte schon da schon ein paar Jahre Erfahrung mit GFK, zuerst mit Booten, dann auch mit Automobilen (siehe auch: Der Glasspar G2 auf der nächsten Seite). Ballenger kürzte den Plastik-Aufbau um rund 20 Zentimeter, damit er auch auf das MG-Chassis passte, taufte sein Gefährt Comet C3, fuhr ein erstes Bergrennen und schaffte auf der Viertelmeile erstaunliche 98,3 Meilen. Am 3. August meldete er den Comet zum ersten Rundstreckenrennen beim Janesville Airport Race – und nimmt gleich den Siegerpokal mit nach Hause.

Als nächster Besitzer ist dann Glenn Glendening an der Reihe, 1953. Er fährt mit dem Comet diverse Berg- und Rundstreckenrennen (er konnte ja auch den MG-Rennen mitmachen), doch er ärgert sich über die Unzuverlässigkeit der Ford-Flathead-Motoren. Nun hat Glendening aber ausgezeichnete Beziehungen, etwa zu Larry Whiting, der ihm tatsächlich einen Motor aus der General-Motors-Experimental-Abteilung verhelfen kann. Und das ist nicht irgendeine Maschine, nein, es ist einer der ersten 283-cubic-inch-V8, wie er dann ab 1957 auch in der Corvette eingebaut war (die ersten V8 in der Vette waren noch etwas kleiner, 265 cubic inch). Der Comet C3 war also wieder einmal «schneller» als die amerikanische Sportwagen-Legende – und weil Glendening auch die MG-Vorderachse durch Ford-Komponenten ersetzte und belüftete Alfin-Bremsen einbaute, war er auch auf der Rennstrecke ganz vorne mit dabei. Und das für viele Jahre, die Aufzeichnungen zeigen, dass er 1955 bei der ersten Austragung der «Road America 500» in Elkhart Lake dabei war – und zwei Jahre später dort wieder fuhr. Das sollte dann aber ein Höhepunkt in der Karriere des Comet werden, denn Co-Pilot von Glenn Glendening war Augie Pabst, für den es das erste Rennen mit einem grossvolumigen V8-Rennwagen war. Pabst gehörte in den 60er Jahren zu den bekanntesten amerikanischen Rennfahrern, fuhr Ferrari und Maserati in Le Mans, schaffte den einzigen Rennsieg des Lola Mk6 GT (der Basis des Ford GT40) – war 1958 auch an der Entwicklung des Scarab beteiligt. Dieser hat sowohl technisch wie auch optisch viel mit dem Comet C3 gemeinsam…

Ob Glendening/Pabst bei der «Road America 500» über die ganz spezielle «Ampelanlage» auf der Seite des Comet mit ihrer Boxen-Crew kommuniziert haben, ist nicht bekannt. Aber diese drei Lampen, grün, orange, rot, sind schon auch eine der vielen Besonderheiten des Fahrzeugs, es heisst, Glendening habe sich einen ganz speziellen Farb-Code ausgedacht, um seine Mechaniker über den Zustand des Wagens zu informieren. Wie er genau funktionierte, das weiss Alain Ruede, denn er ist im Besitz einer handschriftlichen Erklärung – und sonst weiss er so ziemlich alles über den Comet C3. Der nach seiner langen Renn-Karriere zuerst durch verschiedene Hände ging, 1989 bei einer Auktion auftauchte – und schliesslich von Larry Narcus gekauft wurde. Narcus restaurierte den Wagen komplett, machte auch alle vorherigen Besitzer ausfindig, inklusive Clovis, Whiting und Glendening, und konnte so die Geschichte des Comet lückenlos dokumentieren. Doch auch da gibt es noch eine interessante Nebengeschichte: Bei den ersten Einsätzen des Comet bei historischen Rennen merkte Narcus bald, dass die Trommelbremsen mit der Leistung des Achtzylinders komplett überfordert waren. Narcus, ein Ingenieur und Chemiker, begann mit verschiedenen Materialien zu experimentieren – und gründete aufgrund seiner Erfahrung die Firma «Carbotech», die heute als führend gilt auf ihrem Spezialgebiet. Selbstverständlich bremst der Comet heute besser als je zuvor.

Überhaupt ist der Comet besser als je zuvor. Nicht bloss, weil das Strassenverkehrsamt so genau hinschaute bei diesem «Special», sondern in erster Linie deshalb, weil Alain Ruede ein Perfektionist ist. Die im Cockpit angebrachten Plaketten: sie müssen original sein. Die Spitfire-Uhr: original. Die Sitze – aus der Zeit (allerdings von Porsche – und der Fahrersitz ist eine Ruede-Spezialkonstruktion, jetzt finden auch grossgewachsene Piloten hinter dem Lenkrad Platz). Das Lenkrad ist selbstverständlich auch eine Sonderanfertigung, so nah am Original wie nur möglich. Und Ruede kennt nicht nur jede Schraube an diesem Fahrzeug, er hat auch alles akribisch aufgelistet, alles Material gesammelt, was es zum Comet gibt, kann nachweisen, dass der Comet nach seiner Renn-Karriere immer ein Strassen-Fahrzeug war. Sogar die Biographie von Augie Pabst, in der der Wagen auch vorkommt, ist an der entscheidenden Stelle signiert. So etwas haben wir in dieser Form noch nie gesehen, sehr liebevoll, sehr kompetent – kein Wunder, musste sich das Strassenverkehrsamt dieser Flut von Informationen irgendwann beugen.

Eigentlich hätte die Zulassung ja eh keine Diskussion sein dürfen. Auch wenn der Einstieg etwas schwierig ist. Es gibt zwar schon ein Türchen, doch das ist erstens auf der falschen Seite und zweitens mehr im Weg als behilflich; es musste einfach sein, damals, das Reglement verlangte das. Doch wenn man dann einmal drin ist, dann ist alles so, wie es in einem Rennwagen aus den 50er Jahren sein muss: eng, hart, unbequem. Der Comet C3 springt dann an, als ob er nicht schon 66 Jahre auf (dem 1957 nachträglich angebauten) Buckel hätte. Die Rochester-Vergaser machen ihr typisches, röchelndes Geräusch (was auch bedeutet: der Verbrauch ist eher hoch), seidenweich schnurrt der weit, weit hinten eingebaute Corvette-V8 vor sich hin – und man hört schon, wie viel Kraft in diesen 4,6 Liter Hubraum schlummert. Für die Vette wurden damals 283 PS bei 6200/min und ein maximales Drehmoment von 393 Nm bei 4400/min angegeben; man darf davon ausgehen, dass die Renn-Maschine im Comet wohl noch etwas mehr hat, von beidem. Der Chevrolet war damals etwas schwer geraten, 1300 Kilo waren es schon bei der Vette, der Comet ist definitiv leichter (975 Kilo). Und zieht entsprechend souverän ab. Wobei, etwas Drehzahl braucht der Achtzylinder schon, für damalige Verhältnisse drehte er relativ hoch. Der passende Sound kommt dann auch. Geschaltet wird über vier Gänge, der Schalthebel liegt knackig nah am rechten Bein des Piloten.

Aber Ruede kann das ja, er gehört zu den schnelleren und sehr erfahrenen Piloten im «Historic Racing», mit den Amerikanern kennt er sich aus. Mit dem Comet könnte er auch schneller, aber man darf ja nicht, in der Schweiz, man muss ja schon froh, dass dieser aussergewöhnliche «Special» mit seiner ganz speziellen Vergangenheit überhaupt auf die Strasse darf.

Der Comet C3 wurde uns von Ruede Dream Cars zur Verfügung gestellt. Mehr Exoten haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Comet C3 erschien zuerst auf radicalmag.