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Tracktest Alpine A110 Cup

Published in radical-mag.com

Schön schnell

Man(n) muss das ja dann auch verstehen, einsehen. Damit umgehen können, dass andere nicht nur mehr Talent haben, sondern man(n) selber halt wohl eher so in Richtung: null. Selbstverständlich helfen mir viele Jahre Erfahrung zusammen mit Grundkenntnissen in Physik, dass ich dann doch nicht völlig abschiffe auf dem Rundkurs, die eine und sicher auch noch jene andere Zeit war nicht komplett jenseits, aber ich muss mir nun endgültig eingestehen, dass ich zum Rennfahrer nicht tauge (wobei, das weiss ich ja schon seit mehr als 30 Jahren). Wie da der junge Mann im schwarzen Fahrzeug an mir vorbeigepfeilt ist, das tat aber schon ein bisschen weh – und war beeindruckend. Er fuhr mit dem baugleichen Auto schlicht in einer anderen Welt, es gibt auch keinerlei Ausreden, gleiches Fahrzeug, gleiche Reifen, aber er verfügte über eine Renndistanz gemessen halt sicher über ein paar Kilometer mehr Talent.

Ja, ich spür schon auch, wann es knapp wird mit dem Grip. Wobei ich diverse Runden brauchte, bis ich das mit den Slicks in den Griff bekam, spürte, wo die Grenzen dieser Dinger sind. Es ist so in Richtung: unglaublich. Und dann aber auch unglaublich schnell gar nichts mehr mit Grip. Das übt man ja auch nicht gerade täglich. Aber ob jetzt 0,2 mehr vorne links etwas bringen – keine Ahnung. Aus Erfahrung mit anderen Wagen kann ich zwar etwas sagen zur Balance des Wagens, zum Einlenkverhalten, zu den Bremsen, doch ob es wirklich etwas bringt (in Tausendsteln), wenn die Stabis hinten etwas steifer, das Ansprechverhalten der Bremsen etwas gröber, die Lenkung direkter – no idea. Klar, muss ich auch nicht, die einen fahren besser, andere schreiben schneller, aber ich wüsste eigentlich schon gerne besser Bescheid. Doch dafür fahre ich zu wenig auf der Rennstrecke, erstens, und zweitens: siehe oben. Was ich aber beschreiben kann: wie viel Freud‘ es macht, so eine Alpine A110 in der Cup-Ausführung auf Slicks um den Rundkurs von Nogaro zu hauen.

Wobei: zuerst war es etwas peinlich. Einer der entscheidenden Unterschiede zwischen der Strassenversion der Alpine A110 und der Cup-Variante ist das Getriebe, im Renner kommt ein sequentielles 6-Gang-Mahlwerk anstelle des 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebes zum Einsatz. Das soll zusammen mit einer mechanischen Differentialsperre für eine (noch) sportlichere Umsetzung der Performance sorgen. Das bedeutet aber auch, dass es wieder ein drittes Pedal gibt in der Alpine – und diese Kupplung ist ein fieser Bock, go oder dann halt nogo, quasi ein binäres System. Es wurde dann zwei Mal nogo, wie beim Fahrschüler. Das zerrt dann schon am Selbstbewusstsein. Auch wenn es manch einem anderen Piloten auch nicht besser gelang. Doch vielleicht muss das so sein, die Bäume dürfen nicht in den Himmel wachsen, sonst wird der Mensch sich selber gefährlich; etwas Respekt schadet sicher nicht. Der enge Schalensitz sowie die stramm angezogenen 5-Punkt-Gurten helfen dabei, dass man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnt.

Dann aber: go. Nogaro ist nicht der einfachste Kurs der Welt, ganz besonders die Kurve 6, eine doppelte Rechts, wollte mir zu Beginn gar nicht in den Kopf. Bis ich dann dem bösen schwarzen Wagen hinterherfuhr, also ganz weit raus im ersten Bogen, dann gnadenlos nach innen ziehen – geht doch. Und ist auch wichtig, denn sonst kommt man nicht mit Tempo aus Kurve, die darauf folgende Gerade ist dann lang, länger, wenn man gut unterwegs ist, dreht man den 5. Gang fast ganz aus – um dann massiv in die Eisen zu treten. Wunderbar, wie stabil sie dabei bleibt, die Alpine, trotz Mittelmotor, trotz ziemlich kurzem Radstand – und wie schön sie eindreht in die nächsten Kurven. Wäre ich besser, wäre auch noch mehr möglich, aber ich hab halt schon Respekt vor diesen Mauern, die da die Piste begrenzen. Vor allem, weil schwarze Gummispuren deutlich darauf hinweisen, dass es dort schon öfter zu Kaltverformungen am Beton gekommen ist. Und ja, man kann sich schon vorstellen, dass der Franzose die Tendenz hat, den Hinterwagen etwas stärker zu beschleunigen als die Front. Belohnt wird, wer ganz präzis fährt, und das ist ja eigentlich auch die höchste Form der Fahrkunst. Die Lenkung ist übrigens: ein Traum. Sie wird der Agilität des Geräts in jeder Hinsicht gerecht, der Fahrer denkt – und der Wagen setzt dies extrem direkt um, real time. Als ich mir nach ein paar Runden endlich wieder verinnerlicht habe, dass ich schauen muss, dorthin schauen muss, wo ich hinfahren will, vorausschauen, da wird die Alpine freundlicher zu mir – ganz so, als ob sie verstanden hätte, dass ich sie auch verstehe.

Drei Stints darf ich fahren. Danke dafür an Renault Schweiz und Signatech. Am Nachmittag dann, es ist schön warm, die Reifen haben Temperatur und der Pilot unter den Achseln Sümpfe, da geht es dann schon ziemlich flott. Da ist dann auch die eine oder andere Runde dabei, die flüssig ist, ohne gröberen Schnitzer – einfach nur die reine, pure Freud’. Da hört man dann auch einmal den Klang der Maschine (schön), fummelt am Lenkrad rum (kompliziert), überholt einen Mitbewerber (grossartiges Gefühl), grinst und lächelt und fühlt sich einfach nur gut. Bis dann wieder der Schwarze. Egal. Ich hab dafür endlich auch Kurve 2 im Griff, grob über die Curbs, dann weit, weit raus – ja, da ist ein himmelweiter Unterschied zum Strassenauto mit den Strassengummis, das würde man gar nicht erst versuchen wollen, obwohl so eine Serien-Alpine ja ein mehr als nur anständiges Sportgerät ist. Und ich lerne: Das Geschwafel von der Physik ist dann eine gute Ausrede, wenn man zu wenig «cojones» hat. Aber: Während man beim Serienprodukt schon das Gefühl hat, es auch einmal an seine Grenzen bringen zu können, ist das Renngerät mehr als eine Kategorie drüber. Die Alpine A110 ist ein geschmeidiges Spielzeug, das auf Landstrassen und über den Berg so richtig Fahrfreud’ macht – die Cup-Version ist ein knallharter Bock, der vom Piloten viel, viel Aufmerksamkeit verlangt.

Und sie ist ein sehr, sehr feines Gerät. Schön ist sie, einfach nur schön. Renn-Fahrwerk von Öhlins und die Karosse ist noch einmal 40 Millimeter näher am Boden, also quasi: null Bodenfreiheit. Natürlich Brembo wie in der Serie, aber noch mächtiger, vorne 355 Millimeter, hinten 330 Millimeter, ausserdem eine 6-Kolben-Anlage aus Magnesium. Zusätzliche Längsträger, Käfig aus Stahl (nicht ganz so einfach, dies Ding in ein Alu-Chassis einzupassen), sehr enge Sabelt-Sitze, Trockenbatterie. Ein paar PS mehr gibt es auch dank anderem Luftfilter und einer quasi leeren Auspuffanlage, 270 Pferde sollen es sein bei gleichbleibendem maximalem Drehmoment von 320 Nm. 1050 Kilo. Die Cup-Version der Alpine gibt es für 115’000 Euro inkl. vielscharfmitalles, dazu kommen noch 20’000 Euro Startgeld, wenn man in der Rennserie mitfahren will (sonst macht das alles ja keinen Sinn). Für mich ist das ja nichts, auch weil ich wohl kaum in das im Preis inbegriffene Renn-Kombi passen würde. Doch wer das Spaziergeld hat und sich mit professioneller Betreuung ins Renngetümmel werfen will, dem sei der Alpine-Cup dringend empfohlen, das Verhältnis von Preis zu Lächeln/Fahrfreude ist auf jeden Fall grossartig. Und falls man dann dem schwarzen Fahrzeug begegnet, dann kann man das ja unter Erfahrungen verbuchen. Die nächsten Rennen, übrigens: Hockenheim (24.-26. Mai), Spa-Francorchamps (7.-9. Juni), Silverstone (6.-8. September), Barcelona (20.-22. September) und Le Castellet (11.-13. Oktober). Mehr Infos dazu gibt es: hier.

Und andere spannende Geschichten gibt es immer in unserem Archiv.

Der Beitrag Tracktest Alpine A110 Cup erschien zuerst auf radicalmag.