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Facel Vega

Published in radical-mag.com

Schöner Wohnen

Die Hochzeit von Facel Vega dauerte nur zehn Jahre. Sie gehören zu den schönsten der Automobil-Geschichte. Wir wollen sie hier erzählen – schön langsam, die Vorgeschichte – und dann Modell für Modell.

Da stand dann tatsächlich in der Betriebsanleitung: «Halten Sie das Lenkrad immer mit beiden Händen, ausser, wenn Sie den Gang wechseln – Bleiben Sie immer so nah wie möglich in der Mitte der Straße – Achten Sie ausschließlich auf die Strasse – Rauchen Sie nicht – Wechseln Sie die Radio-Stationen nicht – Sprechen Sie nicht.» Da steht, in der englischen Ausgabe: «Do not talk.»

Ava Gardner besass gleich drei Facel Vega.

Wahrscheinlich haben das nicht alle Facel-Vega-Besitzer gelesen. Verinnerlicht. Es war ein Montag, dieser 4. Januar 1960. Michel Gallimard, der Neffe des berühmten Verlegers, und seine Familie hatten noch gemeinsam mit Schriftsteller und Nobelpreisträger Albert Camus gespeist, Blutwurst, heißt es, eine Flasche Burgunder, im «L’Hotel de Paris et de la Poste» in Sens. Dann geht es weiter, es soll leicht geregnet haben, doch Gallimard, ein Liebhaber schneller Autos und ein routinierter Pilot, soll trotzdem mit etwa 150 km/h durch die lange Allee der RN6 in der Nähe von Villebin geschossen sein. Um 5 nach 2 trifft der Wagen quasi ungebremst auf einen dieser Bäume, prallt ab, wird von einem zweiten Baum auseinandergerissen. Janine Gallimard und ihre Tochter Anne, die hinten gesessen hatten, sich den Raum noch mit Hund Floc teilen mussten, überlebten unverletzt. Der Fahrer stirbt sechs Tage nach dem Unfall an einer Gehirnblutung. Sein Beifahrer Albert Camus ist sofort tot. Floc, übrigens, wurde nie wieder gesehen; Camus, übrigens, hatte das Rückfahrbillet für den Zug nach Paris in seiner Tasche. Denn eigentlich mochte er keine Autos, auch wenn er seinen Citroën Pénélope getauft hatte. Das komplett zerstörte Fahrzeug ist ein Facel Vega HK500.

Dean Martin und sein Facel Vega.

Facel Vega? Die französische Automobil-Industrie brachte mehr aussergewöhnliche Persönlichkeiten hervor als andere. Es sei André Citroën erwähnt, dieses unglückliche Genie, zugrunde gerichtet von seiner Spielsucht, oder Jean Rédélé, der mit seinen Alpine den Leichtbau sowie den Rallyesport revolutionierte, oder Gabriel Voisin, ein wahrer Pionier der Konstruktion von Flugzeugen und einiger weniger, aber um so wunderbarer Automobile, der 93-jährig in den Armen seiner 70 Jahre jüngeren spanischen Geliebten verstarb. Und dann ist da auch noch Jean Daninos, der Frankreich und der Welt genau zehn Jahre lang eine der edelsten Automarken überhaupt bescherte. Heute ist Facel Vega nur noch Kennern und Liebhabern bekannt, doch zwischen 1954 und 1964 waren diese französischen Kunstwerke auf Rädern luxuriöser als jeder Rolls-Royce, schneller als mancher Ferrari und so exklusiv wie Hispano-Suiza oder Isotta-Fraschini vor dem Krieg.

Auch Stirling Moss fuhr gern Facel Vega.

Jean Clément Daninos war Kind griechischer Eltern, geboren 1906 in Paris. Er malte schon als Kind am liebsten Autos, wurde zum Ingenieur ausgebildet, war ein vorzüglicher Sportler, der 1928 an den Olympischen Spielen in Amsterdam teilnahm. Im gleichen Jahr wurde er von André Citroën angeheuert – und war massgeblich an der Konstruktion des wegweisenden Traction Avant beteiligt. Danach wandete er sich dem Flugzeugbau zu, gründete 1939 ein Unternehmen mit dem schönen Namen «Forges et Ateliers de Construction d’Eure-et-Loire», also: Facel. Erst nach dem 2. Weltkrieg wandte er sich wieder den Automobilen zu, zuerst als Zulieferer, dann immer mehr auch als Designer und Konstrukteur. Er arbeitete für Panhard und Delahaye, es entstanden so feine Wagen wie die Simca 8/9/Plein Ciel, der Ford Comète und die wunderbaren Bentley Cresta I (12 Stück) und Cresta II (ein Exemplar, siehe unten). So ganz nebenbei zeichnete Daninos auch noch Möbel. Und Küchen. Und Toiletten. Auch diese versah er mit Grandeur, wie es nur Franzosen können.

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Am 25. Juni 1953 begann Daninos mit der Konstruktion seines ersten eigenen Fahrzeugs, das er auf Vorschlag seines Bruders Pierre, einem in den 50er Jahren bekannten Schriftsteller, Vega nennen wollte. Gezeichnet und ausgeführt hatte er die ungewöhnliche Form ein erstes Mal schon 1951, auf Basis eines Bentley, vorgestellt wurde der erste französische Luxuswagen nach dem 2. Weltkrieg aber erst am 29. Juli 1954. Man muss dazu wissen: es war eigentlich ein verzweifelter Versuch. Denn der französische Staat hatte in den Jahren zuvor mit einer unsinnigen Luxussteuer alle grossen französischen Namen zugrunde gerichtet, Bugatti, Delahaye, Delage, sie gingen Konkurs, weil sich in ihrer Heimat niemand mehr solche Fahrzeuge leisten konnte. Was Daninos versuchte, war eigentlich unternehmerischer Selbstmord.

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Die Facel waren also schon teuer, bevor sie überhaupt auf die Strasse kamen. Und weil Daninos ja weder Kapazitäten noch Erfahrung mit der Technik hatte, wurde das Beste und Teuerste eingekauft, was der Markt zu bieten hatte. Als Antrieb diente zuerst ein 4,5-Liter-V8 von Chrysler mit 180 PS (hey, ein Hemi!), das manuelle 4-Gang-Getriebe kam von Pont-à-Mousson, die Kupplung von Borg & Beck., die Lenkung von Gemmer, die hintere Starrachse von Salisbury. Komponenten, welche die Facel Vega in England fast doppelt so teuer machten wie einen vergleichbaren Jaguar; man hätte damals auch ein nettes Häuschen kaufen können in der City von London um das gleiche Geld. Die Engländer waren ansonsten nicht komplett begeistert von den Franzosen – es reichte nur zum Prädikat «the second best car in the world».

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Facel selber residierte an der Avenue Georges V, die Hausnummer 19 beheimatet heute den Edelschneider Scabal und die Modell-Agentur «Elite Model Look»; die Quadratmeter-Preise für Appartements in diesem Quartier sind absurd. Und waren es schon damals. Doch Monsieur Daninos hatte es gerne edel – und seine Kundschaft sicher auch. Es drängten sich Potentaten wie der Schah von Persion oder der marokkanische König Hassan II. an der Avenue Georges V um die Facel Vega, doch auch Rennfahrer Stirling Moss hatte zwei Facel Vega – und Schauspielerin Ava Gardner kaufte ebendort sich gleich drei Stück. Ansonsten: Pablo Picasso, Joan Collins, Tony Curtis, Christian Dior, Herbert von Karajan, Louis Malle, Grace Kelly, Yves Montand, Anthony Quinn, Frank Sinatra, Ringo von den Beatles, François Truffaut, Maurice Trintignant, Catherine Deneuve, Louis Malle, Peter Fonda, Dean Martin, Porfirio Rubirosa, Jean-Pierre Guerlain, Guy Laroche, etceterini. Es macht fast so ein bisschen den Eindruck, als ob die Facel nur berühmte Besitzer hatten.

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Schon dieser erste Facel (siehe oben), der Einfachheit halber als FV bezeichnet, war fast 200 km/h schnell – und von betörender Schönheit, aussen wie innen. Die langgestreckten Linien in feiner Harmonie, elegant und aggressiv zugleich – und ein Innenleben, wie es die Welt noch nie gesehen hatte, mehr Flugzeug-Cockpit als profane individuelle Mobilität. Eine Besonderheit: was aussah wie edles Holz, war in Wirklichkeit bemaltes Metall. Und dann waren da noch die riesigen Trommelbremsen, die auch nach aussen Sicherheit suggerieren sollten. Trotzdem wurden nur gerade 13 Exemplare gebaut, denn Jean Daninos war im Geiste ja Olympionike, citius, altius, fortius, und so folgten neue Modelle in einem schnellen Rhythmus, zuerst der FV1 (unten).

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(Selbstverständlich geht es hier dann noch weiter…)

Der Beitrag Facel Vega erschien zuerst auf radicalmag.