Cayman GT4 vs. 911 GT3 RS, Cayman GT4 vs. 911 GT3 RS-1985
#Supertest2015 (6)
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Einfach, zur Erinnerung: die Höchstgeschwindigkeit in der Schweiz ist auf 120 km/h limitiert. Und auf der Landstrasse oder auf den so wunderbaren Passstrassen des Landes sind es 80 km/h. Überschreitungen werden, wie man auch wissen sollte, drakonisch bestraft, hinter jedem zweiten Gebüsch lauert ein Schutzmann. Deshalb, also: weil alles so stark reglementiert ist und es hierzulande ja auch keine Rennstrecke gibt, ist ein Vergleich zwischen einem Porsche Cayman GT4 (385 PS, Höchstgeschwindigkeit 295 km/h) und einem Porsche 911 GT3 RS (500 PS, Höchstgeschwindigkeit 310 km/h) irgendwie ein Unding.
Ist es natürlich nicht, denn in keinem anderen Land der Welt werden, prozentual zur Bevölkerung, mehr Sportwagen, Ferrari, Lamborghini, Porsche etc. verkauft als in der Schweiz. Porsche, zum Beispiel, konnte 2014 stolze 916 Exemplare des legendären 911 absetzen; heuer werden es wohl mehr als 1000 Stück werden - und das im 51. Jahr seiner Herstellung. Der Cayman kann da nicht mithalten, er ist so ein bisschen das Dornröschen im Porsche-Programm - aber vielleicht wird bald alles anders, denn er kriegt einen neuen Namen (718) und wird ausserdem günstiger als sein offenes Schwesterchen, der Boxster. Was eigentlich nur logisch ist, aber trotzdem eine kontrovers diskutierte Neuerung in der Strategie der Stuttgarter.
Es begab sich im Rahmen des #Supertest2015 zu Spielberg, dem österreichischen Formel-1-Rundkurs, dass uns sowohl der schnellste Cayman wie auch der böseste 911 zur Verfügung standen. Eine schöne Strecke, eine Achterbahn mit Höhen und Tiefen, die klar Fahrzeuge mit viel Leistung bevorteilt. Und in den Händen von Andi Aigner, einst Rallye-Weltmeister in der Gruppe N, fuhr denn auch der GT3 RS den Cayman GT4 in Grund und Boden, mehr als fünf Sekunden schneller war Andi mit der Legende (1.43,47 vs 1.48,89).
Es könnte nun so einiges zur Verteidigung der Performance des Cayman vorgebracht werden, die Reifen, die nicht so recht auf Betriebstemperatur kommen wollten, das Wetter, der Profi-Pilot ganz allgemein.
Der dann aber einige interessante Dinge zu den beiden Kontrahenten zu sagen hat. Zum Cayman etwa: «Er geht relativ früh ins ABS, weil er durch den Heckmittelmotor zu wenig Gewichtstransfer nach vorne schafft. Dafür ist die Stabilität beim Bremsen toll. Sehr transparent in der Lenkung - ein tolle Mischung zwischen Strassen- und Rennauto. Aber ohne Fahrhilfen muss man beim Einlenken wirklich aufpassen, dass man das Heck nicht verliert - genau wie beim Beschleunigen.» So sprechen sie halt, die Herren Rennfahrer, man muss da nicht alles verstehen.
Zum GT3 RS: «Das geht sensationell, genau wie jeder Porsche-Saugmotor. Wenn man auf der Bremse zu aggressiv ist, muss man aufs Heck aufpassen, was auch am Layout liegt. Die Bremse gefällt mir aber deutlich besser als beim Cayman, obwohl man das Mehrgewicht natürlich spürt.»
Da spricht der Andi Aigner etwas an, was durchaus entscheidend sein kann: das Gewicht. Der Cayman GT4 wiegt 1340 Kilo, der GT3 RS kommt auf 1420 Kilo. Gut, könnte man jetzt meinen, das ist wie ein kräftiger Beifahrer oder eben kein Passagier, so gross kann der Unterschied jetzt auch nicht sein. Und doch ist er es - was man auch spürt als Fahrer mit nicht ganz so viel Rennsport-Erfahrung wie der Österreicher. Mit dem Cayman empfindet man es mehr wie einen Tanz, schön geschmeidig, rund, fröhlich: Man ist schnell, sehr schnell - und irgendwie auch nicht so schnell überfordert. Der 911 dagegen braucht eine starke Hand und gute Nerven - dem Piloten gehen viel früher Mut und Talent aus als dem Fahrzeug. Bis man mit so einem GT3 RS wirklich schnell ist, auch nur annähernd an seine Grenzen kommt, da braucht es bedeutend mehr Runden als im Cayman GT4. Und auch dann muss man immer sehr alert bleiben - es sind 500 PS, es ist ein Heckmotor, es gelten ganz besonders bei diesem Wagen die Gesetze der Physik. Es sei hier die Behauptung aufgestellt: Wenn man zurückkommt von einer Passfahrt früh morgens im GT3 RS, dann braucht man unbedingt eine Dusche - im Cayman GT4 fährt man danach locker, entspannt noch zur Arbeit. Ausser natürlich der Schutzmann erfüllte zuvor Sinn und Zweck seines Daseins. Und wenn es auf der Rennstrecke mit dem 911er einen ganz klaren Gewinner gibt, dann liegt dafür in Sachen Alltagstauglichkeit der Cayman mindestens so deutlich vorne.
Er hat zudem zwei Kofferräume. Einverstanden, der 911er auch, da ist einiges an Platz hinter den zwei sensationell guten Rennsitzen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Schraubstöcke haben, aber viel bequemer sind.
Und es gibt da noch ein paar andere Punkte, die eindeutig für den GT4 sprechen. Gut, logisch, der Preis: 104'700 gegen 221'600 Franken sprechen schon eine sehr deutliche Sprache. Ausserdem: den Cayman gibt es mit manueller Schaltung (die ein Traum ist), den GT3 RS «nur» mit 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (das ebenfalls ein Traum ist). Es ist dies deshalb erwähnt, weil der kleine Porsche wohl einer der allerletzten Sportwagen aus Stuttgart sein wird, der noch händisch über einen sehr kurzen Schaltstock bedient werden kann - was ihn auch für Sammler besonders spannend macht. Es ist auch so, dass wir es beiden Modellen mit den wohl letzten Sauger-Motoren von Porsche zu tun haben - noch ein guter Grund für eine Investition als Sammlerstück. Wenn es um die Lieferfristen geht, da gibt es dann allerdings ein Unentschieden - es dauert bei beiden Modellen ewig, bis man sie sein eigen nennen kann, wenn man erst jetzt bestellt (und es wundert deshalb nicht, dass für Kaufverträge mit zeitnaher Auslieferung massive Aufpreise bezahlt werden).
Für beide Porsche gilt, wie in den vergangenen Jahren immer: Sie sind ausgezeichnet verarbeitet, der doch sehr hohe Anschaffungspreis wird durch die ausgezeichnete Qualität einigermassen gerechtfertigt. Sie sind beide absolut faszinierend, gehören zum Besten, was man derzeit kaufen kann, machen richtig viel Fahrfreude - die Präzision der Lenkung, das Zupacken der Bremsen, sogar der Verbrauch sind in der höchsten Liga. Dass der GT3 RS mit seinem riesigen Flügel einen sehr eindrucksvollen Auftritt hat, liegt in seinen Genen und ist irgendwie noch verständlich - beim GT4 würde man sich gerne eine Variante ohne das Spoilerwerk hinten wünschen, das würde noch besser zu seinem ausgesprochen souveränen Wesen passen.
Einen GT3 RS kann eigentlich nur jenen empfehlen, die das Fahrzeug einigermassen regelmässig auf einer Rennstrecke bewegen wollen - und können; für den Alltag ist er einfach zu viel, zu schnell, zu grob, zu gut. Mit dem Cayman GT4 kann man auf dem Track auch richtig viel Freude haben, doch er ist auch absolut tauglich für den täglichen Gebrauch. Und das ist zwar ein Warmduscher-, aber doch ein Argument.
Mehr Porsche gibt es im Archiv. Wir verweisen da gerne auf den Test des GT3 RS sowie den Fahrbericht des Cayman GT4.
Was in Sachen #Supertest2015 bisher geschah:
- KTM X-Bow GT4.
- Radical RXC Turbo.
- Donkervoort GTO.
- Bentley vs. Aston.
- Ford Mustang Cabrio.