Battle of Britain, Battle of Britain-1762
#Supertest2015 (4)
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Wir lieben es ja, dies englische Zeugs. Nicht jetzt Fish'n'Chips oder Black Pudding oder die alles ermordende Pfefferminzsauce über dem Lamm, auch nicht den ewigen Durchzug in überteuerten, miefigen Landhotelzimmern und nicht die unmögliche Durchmischung von kaltem und warmem Wasser aus den zwei getrennten Wasserhahnen. Aber wir haben die Engländer immer bewundert für ihre oftmals schrulligen Automobile, geschätzt für ihre Fehlkonstruktionen und Geniestreiche (gern auch am gleichen Wagen), verehrt für Lotus und den Austin Allegro, für TVR und den Rover 2000, für Bentley-Blower und Bentley-Boys und Austin-Healey und Morgan und ganz viele Kleinsthersteller. Aber es ist halt nicht mehr wie einst, zwar kommt schon noch gutes Zeugs von der Insel (siehe, zum Beispiel: Radical), doch als grosse Nation von Automobil-Herstellern ist das Empire schon vor langer Zeit untergegangen.
Halt, sagt jetzt da der Auskenner, da sind doch noch die Luxus-Hersteller. Rolls-Royce ganz zuoberst, Bentley, Aston Martin (und dann sind da noch zwei Marken, aber deren Namen sind uns jetzt grad entfallen). Zu Rolls-Royce können wir nicht viel sagen, keine Ahnung, wann wir den letzten gefahren sind, war wohl noch zu Zeiten des Silver Shadow. Und überhaupt interessieren uns überteuerte BMW nicht besonders. Bentley, ja, da haben wir erst kürzlich geschimpft (siehe: hier), und Aston durften wir nach einer Meinungsverschiedenheit mt dem einstigen CEO Ulrich Bez während Jahren nicht mehr. Doch jetzt, beim #Supertest2015, stehen uns ein ganz neuer Bentley Continental GT Speed und ein Aston Martin Vantage V12 S, zur Verfügung. Ein guter Zeitpunkt für eine kleine Schlacht nicht um England, sondern zwischen zwei Briten. Und gleichzeitig fühlen wir doch auch wieder einmal Temperatur auf der Insel.
Beginnen wir mit den Zahlenspielen. Beide Fahrzeuge verfügen über 6 Liter Hubraum und 12 Zylinder, der Aston in V-Anordnung, der Bentley als W. Der Conti, aufgedampft über zwei Turbos, schafft 635 PS und ein maximales Drehmoment von 820 Nm bei 2000/min, der frei ansaugende Vantage kommt auf 573 PS und ein maximales Drehmoment von 570 Nm bei 5700/min. Der Aston wiegt 1665 Kilo, eilt in 3,9 Sekunden auf 100 und schafft maximal 328 km/h, der Bentley kommt auf 2,3 Tonnen, einen Wert von 4,1 Sekunden für den Paradesprint und eine Höchstgeschwindigkeit von 331 km/h. Auch in Sachen Preis schenken sich sich nicht viel, der Aston ist bei etwa 250'000 Euro, der Bentley bei 280'000. Der Vantage wird nur über die Hinterräder angetrieben, der Bentley auf alle Viere. So weit, so gut - die beiden Wagen sind also durchaus vergleichbar, obwohl der Bentley bequem vier Personen mitreisen lässt, der V12S halt ein noch sauberes Coupé mit Platz für zwei Personen ist.
Doch, hmm, es ist auch gerade diese Form, die das grösste Problem des Aston Martin darstellt: eigentlich ist seit dem DB7 (der aber ja eigentlich ein Jaguar war) nichts mehr passiert in Sachen Design. Wie all die neuen Aston auch immer heissen mögen, mit Ausnahme des Rapide (und des Cygnet) sehen sie seit mehr als 20 Jahren gleich aus. Einen DB9 kann vom Vantage (oder Vanquish) wohl nur der Verkäufer unterscheiden - wenn er auf das entsprechende Schild schaut. Es sei hier eingestanden: wir haben schon vor Jahren aufgehört, die einzelnen Aston Martin voneinander underscheiden zu wollen. Wir wissen aber immerhin, dass es Achtzylinder- und Zwölfzylinder-Motoren gibt.
Wobei letzterer auch schon seit 16 Jahren quasi unverändert gebaut wird. Und trotzdem der Höhepunkt des Vantage V12S ist. Seidenweich läuft er, kein Krakelen wie die italienischen Zwölfender, sondern sauber, turbinenartig dreht er hoch - es ist ein Traum. Aus dem man aber auch gleich sofort wieder erwacht, wenn ein Gangwechsel ansteht - äh, gibt es solches noch? Wir haben es hier mit einem automatisierten 7-Gang-Getriebe zu tun, das sich bei jedem Gangwechsel eine kleine Zeitreise erlaubt, eine Gedenksekunde einlegt - und an schlechte Maserati-Zeiten und lahme Citroën erinnert. Da kommt man flott aus der Kurve, durchaus ein bisschen quer, dreht hoch, will in den nächsten Gang - und bleibt quasi stehen. Wie es Andi Aigner so schön sagt: «In den Schaltpausen kannst Du Dir ein Butterbrot schmieren.» Völlig unverständlich, wie die Engländer bei ihrem edelsten Pferd im Stall solch einen Mist (ja, wir wiederholen: Mist) einbauen können, jeder Automat kann das bedeutend besser (Porsche! Corvette!), von den Doppelkupplungsgetriebe (Ferrari! Porsche! McLaren!) ganz zu schweigen. Und so freuten wir uns zwar am unvergleichlichen Sound des Vantage - und weinten gleichzeitig. So sehr, dass wir uns an allfälligen andere Qualitäten des Wagens gar nicht mehr so recht erwärmen wollten.
Die 8-Gang-Automatik des Bentley ist dafür ein Traum. Auch unter Volllast spürt man die Schaltvorgänge kaum, man kann händisch auch einmal drei Stufen zurückschalten, ohne Rucken - die Kraft wird extrem souverän in Vortrieb umgesetzt. Dafür hat der Bentley ein anderes Problem: schon nach einer (!) Runde auf der Rennstrecke waren die Bremsen derart überfordert, dass sie quasi den Dienst quittierten. Das hätte massiv ins Auge und an die Gesundheit der beiden Insassen gehen können - und darf in dieser Form nicht passieren. Man mag zwar einwerfen, dass so ein Bentley nicht für den Track gebaut wird - aber er heisst Speed, wird deshalb vielleicht auch auf der Autobahn hin und wieder über 120 km/h gescheucht, und muss das einfach können. Aushalten.
Doch genau wie der Aston ist halt auch der Bentley ein altes Auto. Zwar immer wieder erneuert und noch mehr gepimpt, doch eigentlich ist der Engländer ja ein VW Phaeton. Und der kam schon 2001 auf den Markt. Ja, mit Verlaub, das merkt man dem Continental GT einfach an, nicht nur bei den Bremsen, sondern auch in manch anderen Bereich, Infotainment zum Beispiel. Da ist dem sagenhaft teuren Bentley jeder Golf VII überlegen, um Meilen - und das ist einfach sehr, sehr bitter. Die «Entschuldigung», dass die Bentley-Klientel da nicht so anspruchsvoll sei, kann man einfach nicht gelten lassen. Der Vantage kann es übrigens keinen Deut besser als der «Speed» - doch da darf wenigstens die Ausrede herangezogen werden, dass Aston ein Kleinsthersteller mit sehr beschränkten Ressourcen ist.
In unserer «Battle of Britain» haben wir also gleich zwei Verlierer. Selbstverständlich ist es so, dass beide Briten geradeaus hervorragende Fahrleistungen bieten - aber ein Panamera das locker auch bringt. Und das auch in den Kurven. Aber Fahrwerk, naja, das gehörte noch nie zu den überragenden Stärken der beiden englischen Marken, und das bleibt im Conti und im Vantage so, da fällt im #Supertest2015 nicht einmal der deutlich günstigere Ford Mustang ab. Auf der Rennstrecke hat der Bentley den Alfa 4C Spider (mit 240 PS...) nur um einen Wimpernschlag schlagen können; der Aston war zwar deutlich schneller (1:49,7 vs 1:52,1), doch das Gelbe vom Ei auch nicht, die Traktionskontrolle macht komische Spielchen. Selbstverständlich ist es schon so, dass das Innenleben bei beiden Engländern wunderbar ist, traumhaftes Leder, schönstes Holz (oder hochglänzendstes Carbon), perfekt und liebevoll von Hand verarbeitet - doch, Himmel, sie kosten ja auch so viel wie ein Einfamilienhaus, da darf man solches auch erwarten. Muss es erwarten dürfen.
Bleibt man nah an der Vernunft, lässt man sich nicht vom Duft von Leder und der Haptik von teuren Holzsorten betören, verlangt man von einem Fahrzeug mehr als einen glänzendem Auftritt vor dem 5-Stern-Hotel, mehr als den offensichtlichen und öffentlichen Ausdruck einer prall gefüllten Brieftasche, dann wird man beide Engländer: meiden. Mehr als die beiden letzten Plätze können sie im #Supertest2015 nicht belegen. Gilt, finally, auch für den Verbrauch: nach Norm sind es beim Aston 14,7, beim Bentley gar 14,9 Liter. Da kann wie beim Preis sonst niemand mithalten. Es ist also kalt in England, und viel Nebel hat es auch.
Was es schon zu lesen gab vom #Supertest2015:
- KTM X-Bow GT4.
- Radical RXC Turbo.
- Donkervoort GTO.
Mehr Aston und Bentley gibt es in unserem Archiv.