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Untern Rock geguckt, Porsche 911 Turbo Technik 2272

Published in radical-mag.com

Turbo-Technik des 911

Noch nicht erstellt
Es ist schon erstaunlich. Da kommt Porsche mit einem Turbomotor ums Eck, der den Sauger ersetzen wird. Und (fast) niemand regt sich auf. Wenn ich mich  an Berserker-Wortwahl erinnere, damals, als man dem Elfer eine Wasserkühlung verpasste, bin ich - schon etwas erstaunt. Da wendet sich Porsche vom wunderbaren, grosskolbigen Sauger ab um mit zwei Ladern für Power zu sorgen. Und (fast) keiner bedauert es. (Fast) keiner trauert dem wunderbaren Klang des Sechsenders nach. Wieso das so ist? Ich weiss es nicht. Aber ich weiss nach einem eintägigen Workshop, dass man es sich bei Porsche nicht so einfach gemacht hat. Und das man ziemlich viel Hirnschmalz investiert hat, um diese wirklich grosse Umstellung massenverträglich zu machen. Und, die Operation scheint gelungen. Fahren durften wir mit dem Fön-Carrera zwar nicht, aber immerhin ein paar Runden auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Da wir ja keine Mitfahrberichte machen - weil sinnlos - beschränke ich mich hier auf ein paar kleine Aussagen. Ausser viel mehr Druck im Drehzahlkeller habe ich beim Beifahren nicht gemerkt, dass ein Turbomotor im Heck werkelt. Auch der Sound ist noch da - zwar nicht ganz so kernig wie bei einem «alten» Carrera S - aber immer noch klar als Porsche erkennbar. Mehr Kompliment kann ich nicht machen. Damit ist die «Fahr-Berichterstattung» auch schon abgeschlossen. Wenden wir uns den technischen Details zu. Un von denen gibt es viele, die man durchaus beachten kann. Ein grosses Thema, nicht nur beim 911 - ist das Gewicht. Und weil ein Turbomotor nun mal mehr Bauteile hat als ein Sauger, ist so ein BiTurbo halt auch schwerer. Dagegen hat man etwas getan, mit einer Ölwanne aus Kunststoff zum Beispiel. Das Teil sieht etwas abenteuerlich aus, spart aber zwei Kilogramm. Und es soll auch robust sein, sogar wenn man mit dem Heck mal irgendwo auffährt, soll sie halten. Sagt Porsche. Hinter vorgehaltener Hand aber ist man sich sehr sicher. Denn so ein neuer Elfer-Motor ist den Herren Ingenieuren offenbar mal vom Prüfstand gefallen - aus rund einem halben Meter Höhe - und die Wanne hielt.

Aber eben, all das Turbo-Zeugs ist eigentlich eh nur der Normverbrauchsmessung geschuldet. Im neusten Modell sparen im NEFZ-Zyklus der Motor rund 19 Gramm CO2 ein, fünf Gramm entfallen auf das überarbeitete Getriebe und sonstige Komponenten tragen vier Gramm bei. Ergibt einen CO2-Ausstoss von 174 g/km, was einem Verbrauch von 7,7 Liter pro 100 Kilometer entspricht. Wohlgemerkt für den Carrera S mit nunmehr 420 PS. Aber eben, Papier ist besonders beim NEFZ geduldig... Ach ja, mehr Power haben die beiden Motoren ja auch. Jeweils 20 Pferde mehr stehen im engen Stall im Heck. Der Carrera hat nun 370 PS, beide kommen jeweils 60 Nm mehr Drehmoment. In Zahlen: 450 bzw. 500 Nm. Und wie hat man das mit der unterschiedlichen Leistung gemacht? Einfach mehr Ladedruck für den «S»? Denn der Hubraum beträgt bei beiden Modellen 2981 cm3. Nein, es gibt unterschiedlich grosse Lader. Zwar sind die Turbinenräder mit einem Durchmesser von 45 mm bei beiden gleich gross, auf der Verdichterseite ist das «S»-Rad aber um 2 mm grösser im Durchmesser (49/51 mm).





Ganz speziell wirds beim Brennraum. Neu sitzt der Injektor für Benzin in der Mitte, was eine gleichmässigere Ausbreitung der brennbaren Gase mit sich bringen soll. Die Zylinder verfügen über eine Bohrung von 94 mm, als Hub wird ein Wert von 76,4 mm genannt, das Verdichtungsverhältnis beträgt 10:1. Das ist alles nicht so spektakulär, interessant wirds bei den Zylindern und dem Kurbelgehäuse an und für sich. Die werden - wie gewohnt - aus Aluminium gefertigt. Die Zylinderlaufbuchsen werden aber in einem Plasmaverfahren mit Metall beschichtet und dann klassisch nachbehandelt. Das soll in Summe ein Mindergewicht von 1,5 Kilogramm bringen. Ausserdem soll diese Art der Laufbahnbeschichtung auch den Ölverbrauch reduzieren.

Neuerungen gibt es auch beim Fahrwerk. um einen Zentimeter wird die Karosserie abgesenkt, auf Wunsch ist auch ein -20-Fahrwerk lieferbar. Damit wird es aber eng im täglichen Leben. Da hilft zum Beispiel der optionale Frontlift, mit dem sich der Wagen um 30 mm (an der Spoilerlippe vorne ergibt sich ein grössere Bodenfreiheit von 4 cm) anheben lässt. Eigentlich hätten wir dieses Feature gerne in der Serienausstattung gesehen. Und, wenn man noch etwas Kohle übrig hat, kann man nun auch bei den Carrera-Modellen eine Hinterachslenkung (+/- 2°) mitbestellen. Das gabs bisher nur für den Turbo und den GT3. Ach ja, so ein bisschen Kohle muss man schon auf der Seite haben. Denn die Carrera-Turbos sind deutlich teurer als die Sauger. Das Spiel beginnt bei 116'400 Franken, der «S» kostet dann schon fast 134 grosse Scheine. Die Cabrios noch man 16'000 mehr. Wer sich nicht mit dem Turbo anfreunden mag, sollte sich noch einen Allradler sichern. Denn bis die Modelle mit 4x4 auf Turbo umgestellt werden, dürfte es noch ein Weilchen dauern.



Text: Cha, Fotos: Werk, Frank Ratering

Zum Schluss noch ein paar Anmerkungen zum Sound. Neu bekommt der Fahrer aus zwei Schläuchen, die vom Luftsammler an die Bordwand bei den Rücksitzen verlegt wurden, das Ansauggeräusch zu hören. Auf künstliche Soundgenerierung hat man - vorerst - in Zuffenhausen noch verzichtet. Und, es gibt natürlich eine klappengesteuerte Sportabgasanlage. Die klingt zwar fein, kostet aber Aufpreis. Und: die beiden Endrohre an der Mitte des Hecks sehen mit Verlaub aus, als hätte man sie einem alten Audi TT abgeschraubt. Da hätte Porsche einfach mehr Stil beweisen müssen. Auch das musste mal gesagt sein.

Mehr Porsche gibts im Archiv.


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