Frieren im Pelz, Test Mercedes S500 Plug-in-Hybrid 2162
Test Mercedes S500
Plug-in-Hybrid
Noch nicht erstellt
So eine S-Klasse von Daimler ist was Feines. Keine Frage. Auch wenn wir das Coupé deutlich lieber mögen. Weil es mehr Klasse hat, irgendwie. Aber, die Variante mit Plug-in-Hybridantrieb gibts beim Zweitürer-Stern nicht. Und auch nicht beim Viertürer. Also, nicht beim kleinen, wer seinen Benz an der Steckdose aufladen will, muss zur Langversion greifen. Ein mächtiges Tier ist das, braucht ganz schön viel Platz in der Garage. Aber, wer so ein Teil jeden Tag benützt hat sicher auch eine entsprechende Parkmöglichkeit. Und in der City? Soll der Fahrer schauen, wo er den fast 525 cm langen Stern hinstellt. Mit etwas Glück kann er sich zumindest mit Elektroantrieb auf die Parkplatzsuche machen. Wieso Glück? Ganz einfach: Mercedes hat zwar erfolgreich eine Plug-in-Version der S-Klasse auf die Räder gestellt. Aber, von der versprochenen - nicht gerade berauschenden - maximalen Reichweite von 33 km blieb bei unserem Test nicht viel übrig. Im schlechtesten Fall konnten wir 14 km rein elektrisch Fahren. Klar, wir haben auch 25 km geschafft. Aber da waren Innenraum- und Sitzheizung aus, Radio ebenso und wir haben natürlich weder den Sitz verstellt noch ein Fenster geöffnet. Frieren im Pelz also. Nur um etwas Reichweite zu generieren. Naja. Immerhin macht das Hybridsystem seine Sache gut. Kaum merkliches Umschalten von Elektromaschine zum Verbrenner, eine gut agierende Getriebeautomatik und genügend Temperament. Wobei der Benz nicht ganz so forsch zur Sache geht, wie die Zahlen vermuten lassen. 442 PS und 650 Nm Systemleistung können sich durchaus sehen lassen. Aber die Pferde müssen es auch mit einer schweren Kutsche aufnehmen. 2215 kg wiegt die Fuhre mindestens. Und das merkt man in jeder Kurve. Und vor allem davor. Ja klar, der Hybrid-Daimler will kein Kurvenräuber sein. Aber, nur um zu Cruisen würden 280 PS Systemleistung auch reichen. Dann wäre vielleicht die elektrische Reichweite grösser und der Basispreis kleiner.
Billig ist das Vergnügen erwartungsgemäss nicht. Klar, der Basispreis kann sich sehen lassen. 147'200 Franken scheinen nicht übertrieben für ein Auto dieser Klasse mit der vollen Packung Technik. Aber, wer Daimler kennt weiss, dafür gibts ein richtig nacktes Auto. Spannend: den Lexus LS600h, zugegeben etwas kleiner, ohne Plug-in-Technik und mit deutlich weniger Prestige ausgestattet, kostet ziemlich genau gleich viel (Fr. 147'900.-). Aber dann mit absoluter Vollausstattung. Mit den üblichen Finessen steigt der Testwagenpreis beim Stern schnell mal auf 170'000 Franken. Doch wer hat, der hat. Spannend deshalb, weil ein Benz früher grundsätzlich etwas teurer sein musste als die Konkurrenz. Da ist den Marketingstrategen wohl ein Fehler unterlaufen. Es geht aber bei solchen Autos eben nicht um Preis-/Leistung sondern vor allem um: Prestige. Und es geht um edelste Materialien im Innenraum und es geht um Platz – denn Platz ist heutzutage ja der wahre Luxus. Und, die Platzverhältnisse sind fürstlich - auf allen Plätzen.
Nur, das ganz grosse Gepäck sollte man zu Hause lassen. Weil die ganze Hybridtechnik einige an Platz braucht schrumpft das Kofferraumvolumen von 530 auf 395 Liter. 395 Liter, so viel bietet zum Beispiel auch ein Mazda CX-3, notabene ein Kompakt-SUV, ohne das man die Lehnen der hinteren Sitze abklappen muss. Naja, für die Golftasche des Benz-Besitzers wirds reichen. Und etwas möchten wir zum Abschluss unseren Lesern nicht vorenthalten. Daimler sagt zum Thema Nachhaltigkeit: «Über den gesamten Lebenszyklus, bestehend aus Herstellung, Nutzung über 300'000 Kilometer und Verwertung, ergeben sich im Vergleich mit dem S 500 klare Vorteile. Erfolgt die externe elektrische Aufladung mit dem europäischen Strom-Mix, so können die CO2-Emissionen um rund 43 Prozent (35 Tonnen) reduziert werden. Durch den Einsatz von regenerativ erzeugtem Strom aus Wasserkraft ist eine Reduktion um 56 Prozent (46 Tonnen) möglich.» Man rechnet bei Daimler also mit einer extrem langen Lebensdauer ihre Luxuslimousine.
Wir sind begeistert! Und zweifeln gleichzeitig, ob so ein Hybrid-S500 die 300'000 Kilometer auch schafft. Doch da steht der Daimler nicht alleine da. Auch bei vielen Herstellern fragen wir uns, ob die inflationär verbaute Elektronik noch dafür gemacht ist, so lange zu halten. Im schnitt fahren Herr und Frau Schweizer 12'000 Kilometer im Jahr. Um auf 300'000 km zu kommen, müsste man die S-Klasse also genau 25 Jahre in Betrieb halten. Wir sind, skeptisch... Doch unsere Skepsis wird Mercedes nicht davon abhalten, weitere Plug-in-Modelle zu bringen, bis es in jeder Baureihe einen Benz zum einstöpseln gibt.
Mehr Mercedes gibts im Archiv.
Text: Cha, Fotos: Werk
Original: radical