Auch du, Sohn?, Fahrbericht Ferrari California T-1539
Fahrbericht Ferrari California T
Noch nicht erstellt
Manchmal, nur manchmal interessiert mich auch, was andere Medien über ein bestimmtes Automobil schreiben. Etwa beim neuen California T, den ich kürzlich in der Umgebung von Maranello bewegen durfte. Weil: ich wollte ja wissen, ob das andere «Fachleut» auch so sehen wie ich. Ist aber nicht so. Alle, und zwar alle loben den Sound des neuen Achtzylinder-Turbo. Ich nicht.
Doch ich will von vorne beginnen. Es ist nicht der erste Serien-Turbo in der Firmen-Geschichte, überhaupt ist es so, dass die aufgeblasenen Maschinen zur Ken-Kompetenz der Scuderia gehören - und so ein bisserl Technologie-Transfer aus der Formel 1, auch wenn er mehr symbolisch ist, steht ja auch der italienischen Sportwagen-Schmiede gut an. Selbstverständlich musste Ferrari beim neuen 3,9-Liter-V8 nicht ganz von vorne beginnen, das Triebwerk ist in der Basis gleich wie jene Turbos, die Ferarri für Maserati entwickelt hat (und teilweise auch baut). Auch der Partner für den Blasebalg ist der gleiche (wie einst beim F40, wie bei den aktuellen Maserati), die Japaner von IHI. Wie immer bei Ferrari ist es so, dass es eine Win-Win-Situation gibt, der Zulieferer profitiert von der Feinarbeit der Ingenieure in Maranello, Ferrari hat dafür wohl Wunschprogramm bei den Japanern.
Und auch wenn ich mit dem Sound des V8-Turbo nicht so ganz zufrieden bin (davon dann später noch mehr): es ist ein wunderbarer Antrieb, den Ferrari da mal wieder hervorgebracht hat. 560 PS bei 7500/min (der Vorgänger, ein 4,3-Liter-V8-Sauger, kam auf 490 PS) stehen an, das maximale Drehmoment beträgt satte 755 Nm bei 4750/min. Das muss allerdings in einem Zusammenhang sehen: Ferrari arbeitet mit einem Torque Mapping, die gröbste Fuhre an Drehmoment schafft der V8 im 7. Gang, dort, wo er es auch brauchen kann, etwa beim Durchzug auf der Autobahn.
755 Nm sind wild, es ist noch nicht lange her, da schafften nicht einmal Lastwagen-Diesel solche Zahlen; auf der Probefahrt zeigte sich, dass die Maschine überall, aber wirklich überall mehr als nur ausreichend Saft hat. Und so etwas wie ein Turboloch gibt es auch nicht mehr, das haben die Ingenieure mit hohem technischen Aufwand «vernichtet», etwa mit den gleich langen Abgaskrümmern, die die beiden Lader extrem gleichmässig «belüften».
Der Grund ist auch klar: auch ein Hersteller wie Ferrari muss sich unterdessen um Themata wie Flottenverbrauch und CO2-Emissionen Gedanken machen. Noch 10,5 Liter soll der erneuerte Ferrari California T verbrauchen. Einverstanden, das ist ein Normwert, der hat mit dem wahren Leben, wenn die Pilotin, der Fahrer die mögliche Leistung des 3,9-Liter-V8 mit seinen 560 PS auch nur ein wenig einfordert, gar nichts zu tun.
Aber Norm ist Norm, und gemäss dieser ist das neue Gerät rund 20 Prozent sparsamer als bisher. Ferrari ist ausserdem sehr stolz darauf, dass diese «Einsparungen» nicht nur auf dem Papier erreicht werden, sondern dort draussen, auf den Strassen des Lebens, auch tatsächlich spürbar seien an der Tankstelle.
Mein Tank ist aber voll, die Strassen im Hinterland von Maranello sind leer. Die Sonne scheint, das Dach ist offen. Ich liebe dieses Geläuf dort, es ist anspruchsvoll, rauf, runter, links, rechts, enge Kurven, miserable Strassen, unübersichtlich - man muss voll konzentriert sein, es ist harte Arbeit am Lenkrad, an den Schalt-Paddels (die Ferrari weiterhin grösser proportioniert als die meisten anderen Hersteller, und ich finde das super). Und es ist herrlich im California T: absurd schnell bin ich. Weil die Lenkung in genau dem Moment, in dem ich instinktiv etwas will, auch das macht, was ich will: diese Präzision, unglaublich. Vielleicht ist sie etwas leichtgängig, im Vergleich zu einem Porsche, im Vergleich zu einem Lambo sowieso, aber wahrscheinlich hat das etwas zu tun mit den Strecken, auf denen Ferrari seine Fahrzeuge testet. Gleiches gilt für das Fahrwerk, es ist etwas weicher, besser gedämpft als bei anderen Sportwagen, aber auf diesen Gassen brauchst Du das, es ist perfekt, jeder andere Bolide würde aufschlagen. Und dann diese urige Kraft, die herrliche Ansprechen auf das Fahrpedal - so, genau so muss das aktive!!! Fahren von Automobilen sein. Und obwohl ich richtig schnell bin: das ESP muss kaum je eingreifen, der Wagen lässt sich derart präzis, feinfühlig dirigieren, dass es die absolute Wonne ist. Natürlich ist ein 458er noch sportiver, selbstverständlich geht die F12 berlinetta noch gröber, aber wir bewegen uns da in Bereichen, die auch für gute Automobilsten weit jenseits sind. Der California mag ja vielleicht der «Alltags-Ferrari» sein, ein Einsteiger-Modell, doch man muss bei Porsche schon zum Turbo greifen, bis man derartig unterwegs sein kann.
In Maranello hat man den California nach fünf erfolgreichen Jahren - mehr als 10'000 Stücker wurden bereits verkauft - ein bisserl aufgeschminkt, aber solches mag uns jetzt nicht wirklich interessieren. Das können sie ja gut, die Italiener, da haben sie ein feines Händchen, dieses so feine Gespür für das Detail. Nicht ganz auf der Höhe sind sie einzig bei gewissen Assistenz-Systemen (die ja eh niemand braucht) und andere Kleinigkeiten wie klimatisierten Sitzen oder automatischer Heckklappenentriegelung. Doch wenn ein Sportwagen-Hersteller solche Dinge als Kernkompetenz sieht, dann bewegt er sich eh in anderen Gefilden als die Italiener. 220'000 Franken und ein paar Zerquetschte muss man mindestens zum Händler tragen, wenn man einen neuen California T sein eigen nennen will. Die Lieferzeiten sind kürzer als bei anderen Ferrari-Modellen, aber etwa neun Monate sind es schon.
So sehr ich den neuen California T als Fahrgerät auch schätze - ich möchte trotzdem keinen. Und damit kommen wir zum Thema: er tönt nicht. So sehr Ferrari auch betont, wie viel Mühe man sich gegeben hat in Sachen Sound: nein. Selbstverständlich ist alles relativ, und es ist auch relativ gut für einen Turbo und es ist im Vergleich zu vielen anderen Sportwagen immer noch richtig gut, aber, hey: es ist ein Ferrari. Und da sind die Erwartungen einfach höher, dürfen es auch sein. Da muss man nicht mit dem Gebrumme eines überdimensionierten amerikanischen Kühlschranks leben müssen. Keine Höhepunkte. Kein Tiefgang. Viel zu wenig Emotionen. Meine Meinung. Ich will: dieses Kreischen, Röhren, Knallen, Scheppern, wie es nur ein Sauger bringt. Misstöne, Fehlgriffe, Jubeln und Weinen. Und nein, ich will auf gar keinen Fall irgendwelches Sound-Engineering, es gilt nur: das Wahre. Echter Lärm (dass es geht, beweist der Alfa 4C...). Und da begeht Ferrari irgendwie Verrat an den (anscheinend immer weniger werdenden) Freaks, die auf sowas noch stehen, den Krach lieben. Lesen Sie in diesem Zusammenhang doch bitte auch unseren Lauschangriff auf den Porsche GT3.
Was aber halt auch offensichtlich ist: der California T wird nicht der einzige Ferrari bleiben mit einem Turbo-Motor. Auch der Nachfolger des 458 wird wohl bald von diesem 3,9-Liter-V8 befeuert werden, dann aber mit mindestens 600 PS. Ob Ferrari auch die klassischen V12 mit einem Gebläse ausstatten wird, gilt bisher noch als unwahrscheinlich. Aber...
Mehr Ferrari gibt es im Archiv.
Original: radical