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Töffli-Bueb, Test Mini Cooper S 1970

Published in radical-mag.com

Test Mini Cooper S

Noch nicht erstellt
Ich erinnere mich noch gut an die Tage. Die Tage, als ich mit dem Töffli zur Dorfdisco fuhr. Ja, nicht zur Hard-Rock-Disco sondern zur ganz gewöhnlichen. Die Musik war zwar - naja - aber die Mädels hübsch. Und als Töffli-Bueb durfte das Lokal ja nicht zu weit weg sein - Kerzenfaden hier, Plattfuss da - kein Sprit mehr im Tank - ach, es war hart damals. Damals sang Nicole vom Frieden, die Spider Murphy Gang witterte einen Skandal und Shakin' Stevens machte einen auf Elvis. Was das alles mit dem neuen Mini zu tun hat? Nur die Ruhe, das kommt gleich. Erst mal muss noch gesagt sein, ich konnte mit den alten Mini's nie etwas anfangen. Klar, das sind Kultautos, zu ihrer Zeit revolutionär. Und sie sind niedlich. Stimmt, alles richtig, aber musste ich sie deshalb mögen? Nein. Zu klein, zu schwach und die Räder sahen aus wie die vom Puppenwagen der Nachbarstochter. Nie, aber gar nie würde ich mir so einen alten Mini kaufen. British Elend, ähh, Leyland - no thanks.

Und nun steht so ein neuer Mini vor der Türe. Ein Cooper S um genau zu sein. Und, er erinnert mich überhaupt nicht an den alten. Das ist sicher so gewollt von BMW. Die wollten einfach den Namen Mini, weil er bei den Menschen so viele positive Emotionen auslöst. Also, ausser bei mir. Der Mini vor unserer Redaktionstüre ist ziemlich ausgewachsen. 385 cm ist er lang der neue Mini als Cooper S, satte 173 cm breit und auch nicht gerade schmalbrüstige 1250 kg (DIN) schwer. Ein ausgewachsenes Auto also, leider nur mit zwei Türen und einem Kofferraum von 211 Liter. Nicht gerade berauschend, aber das andere Retro-Auto dieser Tage, der Fiat 500, kann’s auch nicht besser. Und, der Mini steht deutlich stämmiger da als so ein Fiat. Fette Räder, viel Zierrat (natürlich das meiste gegen Aufpreis) aber auch perfekte Spaltmasse und nette Details. Stimmig irgendwie. Aber eben, nur irgendwie.


Auf den zweiten Blick ist das Design völlig überladen. Hier noch Chrom, das noch ein angedeuteter Lufteinlass. Ganz besonders schlimm wird es innen. Nein, die Ergonomie und das Platzangebot (vorne) ist wunderbar. Aber, es hat Millionen von Schaltern, Hebelchen und vor allem - viel Blingbling. Allein das Rundinstrument in der Mitte - früher war dort mal der Tacho zu Hause - leuchtet, blinkt und pulsiert - es ist ein Fest. Oder eben ein Horror für die Augen. Damals, als Töffli-Bueb in der Dorf-Disco haben mir die Glitzerkugeln und die Stroboskop-Scheinwerfer noch beeindruckt. Heute, im Mini, nerven sie nur. Immerhin kann man den LED-Leuchtring rund um den ehemaligen Tacho komplett ausschalten. Danke Mini. Aber eben, das Auto wirkt einfach komplett überladen. Nein, das sterile Design eines Audi muss es ja nicht sein - aber die volle Ladung Spielzeug wie im Mini auch nicht. In diesem Fall lieber mal Augsburger Puppenkiste denn Star Wars.





Irgendwann wird man all der Funktionen Herr, weiss, wozu welches Hebelchen dient und macht sich auf den Weg. Als Cooper S fallen 191 PS aus einem Vierzylinder-Turbobenziner über die Vorderräder her. Das ist nett und sorgt, auch dank den 280 Nm an Drehmoment, für schönen Vortrieb. Gekoppelt war der Motor in unserem Fall an ein Autmatikgetriebe. Das funktioniert prima. Zwar nicht in einer Perfektion wie ein Doppelkupplungsgetriebe bei Porsche, aber doch sehr gut. Natürlich gibt’s eine Stopp-Start-Funktion - Mini war da Vorreiter - ein schönes Fuder an Assistenzsystemen. Aber das können andere ja auch.

Kommen wir zu dem Wort, dass ich im Bezug auf Mini nicht mehr hören kann: Go-Kart. Ja, mittlerweile kommt das Wort sogar an Bord zum Vorschein, wenn man den «Fahrerlebnisschalter» auf Sport stellt. Wie bei allen anderen Autos die dieses Feature an Bord haben wird die Dämpfung straffer, die Lenkung spricht direkter an und am Gaspedal brauchts weniger Weg für mehr Leistung. Und, das Fahrwerk ist top. Aber, mit einem Go-Kart hat das alles einfach nix zu tun. Oder kann sich jemand einen Kart mit 1250 kg Gewicht vorstellen. Ein Go-Kart besitzt keine Federung, einen starren Durchtrieb an der Antriebsachse und - zumindest in den meisten Fällen - keine Karosserie. Go-Kart-ähnliches Fahrverhalten - so what? Nein, der Mini ist einfach ein sehr, sehr dynamisches Automobil. Klar ist es beeindruckend, wie ein Auto mit einem so kurzen Radstand stoisch die Spur hält, wenn man in Kurven durch ein Schlaglochgewitter fahren muss. Und klar ist es schön, dass auch bei hohen Geschwindigkeiten keine Unruhe aufkommt. Selbst bei einem Lastwechsel nicht. Aber mit einem Go-Kart hat das nichts zu tun. Punkt.

Wer sich einen Mini kauft, tut dies wohl in den wenigsten Fällen wegen des Nutzwertes. Zum Glück, denn der Sinn dieses Autos können wir auf den alten BMW-Slogan «Freude am Fahren» beschränken. Der Kofferraum ist einfach zu klein, der Innenraum im Fond zu eng und all das edle Blingbling-Zeugs an Bord wird den harten Familienalttag nicht lange überstehen.

Natürlich wissen wir, dass ein Mini Cooper S kein Familientransporter sein will. Und trotzdem finden wir, dass etwas mehr Nutzen keine Schande gewesen wäre. Statt nützlicher Features findet man in der ellenlangen Aufpreisliste aber vor allem - noch mehr Blingbling. Entsprechend entwickelte sich der Preis des Testwagens. Die 30'700 Franken, die ein Cooper S mindestens kostet, empfinden wir für ein Auto mit der Leistung und dem tollen Fahrwerk als okay. Allerdings verfügte unser Auto über einige Extras. Und diese Extras schlagen mit über 17'000 Franken zu Buche. Ergibt einen Gesamtpreis von fast 50 grossen Scheinen. Unglaublich, dafür kann man sich schon locker einen Nissan 370 Z mit 330 PS und ähnlichem Nutzwert kaufen. Und hat erst noch ein paar Tausender für schöne Räder übrig.

Würde ich mir denn nun einen neuen Mini kaufen? Nie im Leben! Nicht, weil ich das Auto reduziert aufs Fahren nicht mag. Es geht nur um dieses schwülstige, überladene Design. Der Mini und ich - wir werden nie ein Paar. Aber, ich kann mittlerweile durchaus verstehen, dass es Menschen gibt, die Mini cool finden. Aber die gingen wohl nie als Töffli-Bueb in die Dorfdisco.

Mehr Mini gibts im Archiv.


Original: radical

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