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Too much, Test Porsche 911 Turbo S 1944

Published in radical-mag.com

Test Porsche 911 Turbo S

Noch nicht erstellt
Leistung kann man nie genug haben, oder? Und kombiniert mit Allradantrieb, Keramik-Stoppern und einem absoluten Spitzenfahrwerk ergibt das: das Paradies. Jein, müssen wir nach dem Test des Porsche 911 Turbo S sagen. Dass der neuste Turbo in der mittlerweile 40-jährigen Geschichte ein tolles, wahnsinnig schnelles und atemberaubend agiles Auto ist, das kann man in unserem Fahrbericht nachlesen. Und unsere Kollegen von der Automobil Revue, die nach alter Väter Sitte noch alle Fahrleistungen nachmessen (schön, dass sie daran festhalten, das rechnen wir ihnen hoch an), haben bei der Beschleunigung teilweise Werte erreicht, die noch unter der Werksangabe von 3,1 Sekunden von 0 auf 100 lagen. Also, der Porsche geht wie die Hölle, er bremst wie Zerberus und geht ums Eck wie Dracula auf der Flucht vor dem angespitzten Holzpfahl. Aber, wozu?

Im Ernst, wir fragen uns allmählich was man mit so einem Auto anstellen soll. Klar, es gibt auch andere Autos mit 560 PS oder mehr, auch bei denen darf man die Sinnfrage stellen. Wieso wir es beim neuen Turbo tun? Weil es nicht geil ist, mit ihm zu Fahren. Also es ist nicht geil mit ihm normal zu Fahren. Wenn man aber in den Bereich gelangen will wo es geil wird, dann klicken schon die Handschellen. Man steigt ein, startet den zwangsbeatmeten Sechszylinder, PDK auf Stufe «D» und rollt los. Und ist im gleichen Moment schon zu schnell. Wir wissen nicht genau wie wir es geschafft haben, während der Testdauer unseren Führerschein zu behalten. Aber wir sind dankbar. Kommt noch dazu: wieso soll ich mir ein Auto für über 270'000 Franken kaufen, wenn ich auch nicht nur ansatzweise den Grenzbereich erfahren kann. Dieser Grenzbereich ist, den erwähnten Features sei Dank auf öffentlichen Strassen einfach nicht erreichbar. Also ab auf die Rennstrecke? Naja, wieso nicht, aber auch dort ist der Turbo irgendwie zu souverän, zu wenig zickig. Wenn wir Spass haben wollen, dann wollen wir mit dem Wagen fighten, ihm unseren Stil aufzwängen, sich von ihm fordern lassen aber immer die Zügel in Händen halten.


Das geht beim Porsche 911 Turbo nicht. Dabei haben wir es redlich versucht. Auf der Rennstrecke am Bilster Berg zum Beispiel. Viel, viel zu schnell in die lange Linkskurve, nicht Bremsen, einfach reinhalten. Das Auto schüttelt sich kurz, der Allrad regelt und die Kiste findet sich ein paar Millisekunden später auf der Ideallinie wieder. Das ist toll, ermöglicht auch einem Fahrer mit vier linken Händen und 27 Daumen dran, eine schnelle Rundenzeit. Aber, ausser bei dem G-Kräften ist es einfach: keine Herausforderung.

Auf der öffentlichen Strasse ist alles noch viel schlimmer. Der Porsche kann alles, lässt sich dank Hinterachslenkung locker auch durchs enge Parkhaus zwängen und geht mit Madame auf Shoppingtour. Er schüttelt oder rüttelt nicht, hat kein knallhartes Fahrwerk und wem der Sound aus dem Auspuff du wenig scharf ist, erfreut sich eine Soundanlage, die sich gewaschen hat. Der Fahrerhintern ruht in wunderbar geformten Gestühl (etwas mehr Seitenhalt wäre nett, aber das gibts ja alles gegen Aufpreis), die Klimaanlage fächelt kühle Luft in den Innenraum und kein Mensch dreht sich wegen des Turbo um, es ist einfach ein Elfer.





Klar, man kann sagen, dass die Ingenieure von Porsche einfach ihren Job gut gemacht haben. Das haben sie wirklich. Aber, faszinierend ist das ganze im täglichen Betrieb nicht. Irgendwie mutiert man in Zuffenhausen halt eben doch zum Massenhersteller, die Autos müssen eierlegende Wollmilchsäue sein. Allerdings, es hat ja durchaus auch seine guten Seiten. Beim Verbrauch zum Beispiel. Porsche nennt einen Durchschnittsverbrauch von deutlich unter 10 L/100 km. Den haben wir natürlich nicht erreicht. Aber, dass der 560-PS-Bolide mit 10,8 Liter exakt genau gleich viel verbraucht wie mein privater Volvo 960 Kombi mit 170 PS zeigt, wie weit die Entwicklung fortgeschritten ist. Und ja, klar hat es Spass gemacht mit dem Turbo, aber Spass kann man auch mit deutlich weniger PS haben. Und deutlich geringerem Aufwand. Und zu deutlich kleineren Preisen. Mit einem Lada zum Beispiel, doch dazu mehr im Video...

Wer aber das Ultimative haben möchte, der wird nur schwer um den Turbo S aus Zuffenhausen herumkommen. Und, das sei hier nicht verschwiegen: dass sich fast niemand nach dem 911 Turbo umdreht hat auch seine gute Seiten. Nicht jeder ist so veranlagt, dass er mit seinem Supersportler auffallen will. Und genau für diese Leute ist der Porsche perfekt.

Mehr Porsche gibts im Archiv.



Text: Cha, Fotos: Werk.

Original: radical

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