Kein Schwein, Test Infiniti Q50S Hybrid-1515
Test Infiniti Q50S AWD Hybrid
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Gerade einmal 83 Fahrzeuge hat die edle Nissan-Tochter Infiniti im vergangenen Jahr in der Schweiz verkauft, da schaffte sogar Jaguar von seinem leider unterschätzten XJ zwei Sücker mehr - und Ferrari mit der sehr, sehr teuren F12 berlinetta fast das Doppelte. Die Anstrengungen der Japaner sind zwar grossartig, Formel 1 (warum eigentlich? where's the beef?), erst kürzlich wurde in St. Gallen ein weiteres, sehr schickes Infiniti-Center eröffnet – und doch bringen sie kein Rad auf den Boden.
Um es klar und deutlich auszudrücken: an den Produkten liegt es nicht. Der Infinti Q50 S Hybrid, der kürzlich im Test stand, braucht sich vor den alles beherrschenden deutschen Premium-Wagen nun wahrlich nicht zu verstecken. Optisch mag er die eher konservativ eingestellte Kundschaft in diesem Segment vielleicht etwas überfordern, die Front ist noch aggressiver als bei einem Audi (aber im Vergleich zum Weber-Grill von Lexus nur gerade Augentropfen), die Seitenlinie wirkt fast zu lang gestreckt, das Stummel-Heck dann nicht sehr harmonisch angefügt. Aber in Zeiten, in denen man A6-Audi, 5er-BMW und E-Klasse-Benzen an jeder Strassenecke gleich in Rudeln sieht, wirkt der Auftritt des Japaners erfreulich frisch. Doch das Problem des nicht konformen Designs kennen ja auch andere Gegner des Q50, die GS-Reihe von Lexus, der CTS von Cadillac – auch diese Modelle sind in der Schweiz nur wenig bis fast rein gar nicht gefragt. Schade eigentlich.
Der Q50 ist ein Vollhybrid mit satten 364 PS Systemleistung. Er geht: wild. Aber richtigrichtig flott, so man solches will. Und doch in aller Ruhe, sehr souverän (546 Nm maximales Drehmoment sind ja auch ganz nett...). Die zusätzliche elektrische Kraft zum 3,5-Liter-V6 (302 PS) wird zwar nicht immer ganz perfekt eingesetzt, manchmal wissen Strom und auch Getriebe (7-Gang-Automatik) nicht so ganz genau, in welcher Form es nun weiter vorwärts gehen soll, dann gibt es bisserl ein Gemurckse und Geruckel, doch das sind Kleinigkeiten, die nicht wirklich stören; der Prius kann das besser, aber der Prius ist halt ein Prius.
Denn an der Tankstelle zeigt der Infiniti dann eine wohltuende Zurückhaltung: im Test verbrauchte er unter 8 Liter, es sind auch Werte mit einer 6 vorne möglich (gemäss Norm: 6,8 Liter). Das darf in Anbetracht der anständigen Fahrleistungen - 0 auf 100 km/h in 5,4 Sekunden - und des Gewichts (1,9 Tonnen) und des Allradantriebs als vorbildlich bezeichnet werden. Ob es den gewaltigen technischen Aufwand auch wirklich lohnt, das ist dann wieder eine andere Frage; ein feiner Diesel könnte das ja auch. Der kann hingegen nicht mit der V6er-Laufruhe glänzen
Der Q50 ist das erste Serien-Automobil, dessen Lenkimpulse rein elektronisch an die Vorderräder übermittelt werden, «drive by wire» heisst das dann. Das funktioniert: problemlos. Eine grossartige Rückmeldung von der Strasse braucht man nicht zu erwarten, doch das ist ausser bei den BMW auch bei den Konkurrenten nicht besser.
Andererseits: einen richtigen Vorteil einer solchen Lenkung fanden wir nicht. Besser ist es nicht wirklich, viel schlechter ist es auch nicht - was soll dann der Aufwand?
Dafür gibt es ein wirklich hervorragendes Bediensystem auf zwei Bildschirmen, einfach verständlich, kinderleicht zu bedienen; sogar wir Idioten, die am liebsten einfach fahren, haben es nicht nur verstanden, sondern auch benützt. Innen ist der Ininiti zwar fein verarbeitet, doch wir brauchten lange, bis wir eine passende Sitzposition fanden; so richtig glücklich wurden wir nie. Auch mit dem Kofferraum nicht, 400 hybrid-bauartbedingte Liter sind in diesem Segment zu wenig. Auf den hinteren Plätzen ist dann auch nicht das, was man als üppige Bein- und Kopffreiheit bezeichnen würde. Und die Gestaltung des Innenraums krankt an einem Problem, das die Japaner/Amerikaner irgendwie einfach nicht erkennen wollen: keine Einheit der Materie, zu viele verschiedene Materialien, das wirkt nicht aus einem Guss.
Dann sprechen wir doch mal noch Tacheles, also: über Geld. 71'033 Franken kostet der Infiniti Q50S AWD Hybrid nackig. Unser Testwagen hatte dann noch dies und das (empfehlenswert, wie erwähnt: das Multimedia-Paket) und kam so auf 82'753 Franken; nein, den Wiederverkaufswert bringen wir hier jetzt nicht ins Spiel. Der Audi A6 hybrid mit mickrigen 245 Pferdchen und Frontantrieb kostet 75 Riesen, sonst gibt es aus Ingolstadt nix in dieser Leistungskategorie (der S6 hat ja dann schon 420 PS). Der 5er Active Hybrid mit 340 PS kostet mindestens 82'500 Franken, sehr nackt, das wird sechsstellig, bis er auf gleichem Ausstattungsniveau ist. Und bei der E-Klasse gibt es vorerst gar nichts, was in die gleiche Richtung geht; ein E400 4matic, also nix Hybrid, ist blutt mit 79'669 Franken angeschrieben.
Wird alles gut? Q50 Eau Rouge, bald.
Bloss: es wird dies kein Schwein interessieren. Infiniti könnte den feinen Q50 S Hybrid auch für 18'000 Franken hergeben, inklusive eines Dacia Sandero (der ja aus dem gleichen Konzern stammt, das liesse sich wohl arrangieren) und eines Rennkombis von Daniel Ricciardo (so ein verschwitztes Ding von Vettel - bitte nicht, und sowieso, der ist ja viel zu langsam, im Vergleich...) und drei Jahren gratis Red Bull, das Auto steht trotzdem wie Blei. All der Aufwand, all die viele, auch clevere Technik - in Europa interessiert das einfach niemanden. Was - eigentlich - schade ist. Aber in hiesigen Gefilden ist Image alles, und Infiniti ist da leider nichts. Wird das je besser? Schaumermal auf den Q50 Eau Rouge...Und überhaupt: an uns liegts nicht. Wir haben heuer noch keinen Wagen so viel bewegt wie den Infiniti. Das ist jeweils kein schlechtes Zeichen.
Mehr Infiniti hammer nicht. Oder doch? Suchen Sie mal im Archiv.
Original: radical