Flipperkasten, Fahrbericht Mercedes GLA45 AMG-1508
Fahrbericht Mercedes GLA45 AMG
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Es ist südliches Spanien, tief im Hinterland, es ist bedeckt, kein Mensch weit und breit und die Hunde halten auch gerade Siesta, die Ordnungshüter sitzen daheim beim Mama und hauen sich gerade die dritte Nachspeise unters eh schon zu enge Hemd. Es ist eine schöne Gasse, eine Kurve gibt es der nächsten, ein ideales Geläuf, um so ein bisschen mit dem Mercedes GLA45 AMG zu spielen. Es geht flott, es geht richtig gut, es macht richtig Spass, wir haben es hier ja schliesslich auch mit 360 Pferden zu tun, Allrad, die Voraussetzungen könnten ja besser nicht sein.
Doch dann, ich hatte sauber vor der Kurve abgebremst, schön stabilisiert, den Radius eng gehalten, fein und zart auf dem Scheitelpunkt wieder den Pinsel getreten, da beginnt mir der Benz am Lenkrad zu zerren, da leuchtet auch das ESP-Lämpchen wie wild, und ich wundere mich noch, dermassen grob war ich ja auch nicht unterwegs. Nächste Kurve: gleiches Spiel, viel, viel ESP, mein so schöner Fluss ist gebremst, es geht zwar immer noch nett, aber nicht mehr gut. Dann das Lämpchen: «4matic steht derzeit nicht zur Verfügung». Aha, interessant. Aus dem Allradler ist also ein Fronttriebler geworden. Und 360 Turbo-PS nur auf der Vorderachse, das ist dann halt schon ein bisserl viel, da leidet der Fahrspass dann halt schon. Später des Abends sollte sich dann herausstellen, dass ein Steckerchen, ein Billigstteil, abgescherrt war, nix mehr Kraftfluss nach hinten, und wir meinen dazu: tja, kann vorkommen. Sollte aber nicht. Doch es zeigt halt auch auf, wie extrem das moderne Automobil heut' von der Software abhängig ist, es ist ja nicht ein rein mechanischer Durchtrieb, es ist ein Computer, der die Kraftflüsse an die einzelnen Räder regelt, und wenn die allmächtige Elektronik sich zusammen mit den Hunden und den Ordnungshütern in die Siesta begibt, dann ist kreative Pause.
Man könnte jetzt erwarten, dass wir schreiben: nur ein kaputter GLA ist ein guter GLA. Machen wir aber nicht. Nein, wir mögen keine SUVs, und kompakte SUVs sind eine Pest, und der GLA45 AMG ist unter den kompakten SUVs noch eine besonders perverse Absonderlichkeit. Denn zuerst wurde eine A/B-Klasse hochgestellt, um dann von AMG wieder dem Boden angenähert zu werden - äh, ja. Der Schwerpunkt, sagen die AMG-Fahrwerkstechniker, liegt im GLA45 AMG nur unwesentlich höher als im A45 AMG. Der Wagen stellt sich und seine Gattung gleich selber in Frage, denn er bietet ja weder wirklich mehr Platz noch ist sonstwie praktischer als eine A-Klasse. Innen ist der Benz auch ganz nett, der freistehende Bildschirm ist Geschmackssache, die Bedienung ebenfalls, aber Stuttgart zieht das konsequent durch, das ist auch etwas wert.
Im Gegensatz zu noch so manch anderem Schreiberling und Liebhaber der Marke mit dem Stern gefällt er uns auch nicht, optisch. Vorne zu lang, Nasenbär, hinten zu kurz, als ob ein Lastwagen aufgefahren wäre; harmonisch ist definitiv anders. Aber das ist ja dann wieder ein subjektiver Eindruck, wir müssen (und werden) ihn ja nicht kaufen, und man darf da sicher auch anderer Meinung sein. Gekauft werden wird er aber, der GLA, davon kann man ausgehen, allein nur schon deshalb, weil solch Kompakt-SUV-Zeugs très à la mode ist. In der Schweiz wird der GLA45 AMG quasi ein Freispiel haben, er könnte das bisher meistverkaufte AMG-Modell werden (wer weiss übrigens, welcher AMG-Benz am meisten verkauft wird? Wir wissen es - any guess?).
Und doch wollen und können wir ihn nicht verdammen, diesen Stern. Denn er macht: Fahrfreud'. Während wir nach einer ersten Ausfahrt im A45 AMG noch geklagt haben, dass der Allradler zu sehr über die Vorderachse geht, gibt es beim SUV-Brüderchen eigentlich keinen Grund zur Klage. Wir durften ja dann auch noch einen funktionierenden Wagen fahren, Edition 1, mit Klebern und Heckspoiler und auch sonst viel Bling-Bling, und haben es ihm massiv gegeben, und er war einfach - gut. Fast schon: geil. Dampf hat die Kiste ja grossartig, nicht nur 360 PS, sondern auch 450 Nm maximales Drehmoment, das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe versieht seinen Dienst sehr anständig (wir sind immer noch nicht glücklich, aber das ist ja eine Frage der Philosophie...). Kuam Wankbewegungen, trotz hohem Aufbau, gute, präzise Lenkung, hervorragende Bremsen, bestens dosierbar. Man kann es dem Ding richtig geben, es reklamiert nicht, ganz im Gegenteil, es schreit nach mehr, mehr, mehr, es wird zum Flipperkasten, und der Beifahrer wird bleicher und blasser (gell, Arturo...). Wo genau bei einer solche Fahrweise der Verbrauch liegt, wollen wir gar nicht wissen; gemäss Norm sind es 7,5 Liter, aber das ist schon nach 50 Metern reines Wunschdenken. Andererseits: 4,8 Sekunden auf 100 km/h, 250 km/h Spitze. Und - selbstverständlich elektronisch generierte - Zwischengas-Stösse auch beim Hochschalten...
Man muss es klar sehen: der GLA45 AMG steht ganz allein da, derzeit. Bei Audi gibt es den RSQ3 mit 310 PS, das ist lauwarme Luft im Vergleich. Beim BMW X1 ist schon bei 245 PS fertig, beim grösseren X3 bei 306 (Benziner) bzw. 313 PS (Diesel). Der Audi und die beiden BMW sehen aus wie SUVs, der GLA ist mehr so - zeitgemässer (dies im Gegensatz zum GLK, der weiterhin die optische Trutzburg gibt). Da darf man dem Stern durchaus einmal ein Kränzlein binden, da hat man die Zeichen der Zeit früher (oder besser) erkannt als die anderen deutschen Premium-Konkurrenten. Und nein, die Sinnfrage muss man beim GLA45 AMG nun wirklich nicht stellen, also muss auch der Preis von mindestens 71'900 Franken (der GLA gibt es ab 37'900 Franken, wenig ist das ganz allgemein nicht) nicht in Frage gestellt werden. Die Edition 1 wird hauptsächlich nach Japan verkauft werden, wir verstehen das, die haben da ja schliesslich auch Automaten mit getragenen weissen Mädchen-Socken.
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Original: radical