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Schneewalzer, Fahrbericht VW Golf R 1888

Published in radical-mag.com

Fahrbericht VW Golf R

Noch nicht erstellt
Einfach eine Variante mehr oder ist der «R» was Besonderes? VW lud zum Tanz auf dem Eis und wir versuchten den Takt zu halten.


Eines vorneweg: Die «R»-Version des VW Golf war in der Schweiz schon immer sehr gern gesehen. Die «R» GmbH, welche für die Optimierung des Golf zuständig war, mag die Schweizer dementsprechend sehr. Vom Vorgängermodell auf Basis des Golf VI wurden rund 10 Prozent der Weltproduktion (!) an Kunden in der Schweiz ausgeliefert. Dass dürfte auch mit dem neusten Modell so bleiben. Die Qualitäten des neusten Golf, die wir an dieser Stelle schon ausführlich beschrieben haben,  kombiniert mit 4x4 und 300 PS, das macht Freude. Erst recht wenn man bedenkt, dass der in weiten Teilen baugleiche Audi S3 ein paar Tausender mehr kostet. Allerdings: dem Audi haben wir im Test einiges an Suchtpotenzial attestiert. Kann das der Golf auch bieten? Ach ja, nicht dass jemand jetzt denkt, der Golf sei richtig billig… Mindestens 49'340 Franken muss man dem VW-Händler schon vorbeibringen, wenn man einen «R» sein Eigen nennen will. Dennoch taxieren wir den Preis nach den ersten Testfahrten auf Schnee und Eis als fair. Den für die fast 50'000 Franken bekommet man so einiges geboten.

So zum Beispiel im Vergleich zum Vorgänger 30 PS mehr aus dem Reihenvierzylinder mit zwei Litern Hubraum. Neu stehen 300 PS zur Verfügung. Gemeinsam mit dem maximalen Drehmoment von 380 Nm soll der Kompaktsportler aus Wolfsburg in nur 5,1 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen. Hat man anstelle der manuellen Schaltbox mit sechs Gängen das Doppelkupplungsgetriebe DSG (ebenfalls mit sechs Gängen, ab 51'840 Franken) an Bord soll dies sogar in 4,9 Sekunden möglich sein.


Das mag stimmen, auf dem gefrorenen See in Schweden jedenfalls kam er nicht an diese Zeiten heran… Der Topspeed des «R» ist elektronisch auf 250 km/h limitiert - auch das konnten wir natürlich nicht ausprobieren. Trotz der massiv besseren Fahrleistungen im Vergleich zum Vorgänger soll der neue Golf R bis zu 18 % weniger verbrauchen. Als Zykluswert nennt VW 6,9 Liter pro 100 Kilometer (7,1 L/100 km) mit Handschaltung. Diese Reduktion ist nicht zuletzt das Resultat der Abspeckkur, welche auch die normalen Modelle durchgemacht haben. Wie diese ist der «R» um bis zu knapp 50 Kilogramm leichter als das bisherige Modell. Bei Eiswalzer-Tanzen bei minus 23 Grad jedenfalls war er etwas durstiger, besser gesagt fünf Mal durstiger als versprochen. Aber irgendwie sind wir dem «R» nicht böse, denn viel Freud’ gibts nirgends umsonst.





Optisch allerdings hätten wir beim derzeit schärfsten Serien-Golf etwas mehr Pfeffer erwartet. Zwar wurden Front und Heckpartie optisch angepasst und auch die Karosserie ist nun 20 mm näher am Asphalt als beim GTI, aber so richtig knackig-sportlich gestylt scheint uns der R nicht zu sein. Wie sagte ein geschätzter Kollege aus Österreich zum VW: «es is halt a blauer Golf…». Unsere lieben Nachbarn haben eine wunderbare Begabung Dinge auf den Punkt zu bringen. Doch will man VW glauben schenken, will die potentielle Käuferschaft auch gar kein Krawall-Design. Das mag stimmen, aber etwas frecher hätts dann schon sein dürfen. Sicher ist, der neue «R» klingt deutlich schärfer als ein GTI. Innen wie aussen. Vor allem Freunde von Ford dürften ihre Freude am VW haben! Denn die Lautäusserungen des Turbo-Vierzylinders erinnern sehr stark an die Fünfzylinder-Motoren aus Köln, Und das ist durchaus nicht abwertend gemeint. In Sachen Fahrwerk ist der Golf R nicht wie zu erwarten wäre bretthart abgestimmt. Obwohl das Auto mit den besten Fahrleistungen der Baureihe ist, kann man durchaus von Komfort reden, wenn man den «R» normal bewegt. Dazu hatten wir bei den ersten Fahrtests im Norden Schwedens aber nur wenig Gelegenheit. Auf verschneiten Strassen und zugefrorenen Seen machte der Volkswagen aber eine hervorragende Figur. Selbst wenn er stundenlang, mit Spikesreifen bewehrt, übers Eis getrieben wurde, keines der Systeme machte schlapp. Auch der Allradantrieb nicht, der via einer Haldexkupplung die Kraft zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt. Systembedingt sind es vor allem die Räder der Vorderachse, welche mit dem meisten Drehmoment beaufschlagt werden, im Extremfall beträgt die Drehmomentverteilung zwischen den Achsen jeweils 50%. Damit ist auch klar, dass der Golf R eher zum leicht beherrschbaren Untersteuern neigt. Wer es ganz wild treiben will, kann das elektronische Stabilitätsprogramm stufenweise abschalten. Und zwar bis es keinen Mucks mehr macht – das erfordert dann bei 300 PS aber wache Reflexe und eine kundige Hand am Volant.

Nichts zu bemängeln gibt es, wie bei den Golf-Modellen üblich, am Innenraum. Die Tasten für Verstellung der Fahrwerksparameter und ESP günstig im Umfeld des Schalthebels plaziert, grosser Bildschirm für all die Fahrzeugfunktionen und die Navigationsanzeige sowie klassische, gut ablesbare Rundinstrumente – Innenraum kann man in Wolfsburg. Aber in irgendeiner Form fesselnd ist der Golf auch innen nicht. Aber eben, die Zielgruppe, wir haben verstanden Wolfsburg. Wir fragen uns trotzdem, wieso dass man bei VW dem «R» nicht eine schärfere Optik und vielleicht auch eine schärfere Fahrwerksabstimmung angedeihen liess. Wir vernuten jetzt einfach mal, dass man sich hier Luft nach oben lassen wollte und wohl innerhalb von zwei Jahren eine noch «bösere» Version nachschiebt. Das Rezept dazu hat man mit dem VW Polo R WRC ja schon erprobt. Und das dem VW-Konzern keine Lücke zu klein ist, dürfte auch ein eventueller R WRC nicht noch nicht das letzte Kapitel in der Golf-VII-Geschichte sein.

Mehr Volkswagen gibts im Archiv.


Original: radical

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