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Supertest 2013 (11), Supertest 2013 (11)-1371

Published in radical-mag.com

Jaguar F-Type V8S

Noch nicht erstellt
Natürlich geht es immer um: Erwartungen. Diese Erwartungshaltungen machen uns das Leben ganz allgemein, sagen wir mal: nicht einfacher, in den Beziehungen, beim Italiener ums Eck, beim Kauf eines Buches, in den Ferien. Beim F-Type waren die Erwartungen, auch die Vorfreud' vielleicht etwas gar gross. Der E-Type wurde bemüht, von einem legitimen Nachfolger gesprochen. Bloss: der E-Type ist und bleibt einmalig, unvergänglich, ewig, da kann man gar nicht gewinnen und sollte es deshalb auch gar nicht versuchen. Was Jaguar leider trotzdem getan hat. Doch Jaguar hat in jüngerer (indischer) Vergangenheit auch einige gute Automobile auf die Strasse gebracht, ich mag den XJ sehr (aber da gehöre ich zu einer fast schon radikalen Minderheit), der XFRS ist ein richtig scharfes Teil, und ich mag halt auch noch den XK, je mehr R oder gar RS, desto besser. Und weil halt viel gut ist und fein und überdurchschnittlich, da durfte man doch nach dem ewig langen Vorgeplänkel schon erwarten, dass der F-Type ein ganz grosser Wurf wird.

Er ist aber in erster Linie schwer geworden, dieser F-Type. Mindestens 1,6 Tonnen wiegt er, schon mit dem 340-PS-V6. Das ist deshalb erstaunlich, weil Jaguar doch eigentlich weiss, wie das geht, der XF, doch fast einen halben Meter länger, wiegt nur einen Kartoffelsack mehr. Jaguar plaudert, selbstverständlich nur hinter vorgehaltener Hand, im Zusammenhang mit dem F-Type gern von Porsche, Cayman, aber auch: 911. Doch im Vergleich zum Frisösen-Porsche sind es fast 300 Kilo. Das ist, freundlich ausgedrückt: eine ganze Menge. Beim flottesten F-Type, dem V8S, reden wir dann von rund 1,7 Tonnen; das Leistungsgewicht beläuft sich dann zwar, dank der fast 500 PS aus dem bekannten 5-LiterV8, auf nur noch 3,36 kg/PS, doch Hüftspeckrollen und Bauchfettfalten sind Hüftspeckrollen sowie Bauchfettfalten, da bringen auch Bodybuilding und Vitaminfutter und ein knapp sitzendes Höschen nix.Jaguar F-Type V8S
Jaguar F-Type V8S
Was dazu passt: das wohl dickste, feisseste Lenkrad der Automobil-Geschichte, der Kranz hat den Umfang einer Bordeaux-Flasche, in etwa. Warum? Ich versteh das nicht, ich hab ziemlich mächtige Pranken, aber ich kann das Teil kaum greifen, fühle mich richtig unwohl damit, wenn ich ein bisserl intensiver daran arbeiten sollte.

Ja, man spürt dieses Gewicht. Es war da schon gen Abend, der ScheffvondasGanze gab sich im näheren Umkreis seines Wohnorts die Ehre und den Führer eines kleinen Ausflugs über leere Gassen mit feinen Kurven. Er vorne weg im McLaren, ich versuche ihm hinterherzugeigen im Jag. Gerne würde ich ins Lenkrad beissen, weil ich ihm kaum folgen kann (denn folgen, das ist ja eigentlich easy), doch das Lenkrad ist zu fett - der F-Type tut keinen Stich. Kein Brot, keine Chance. Gut, der McLaren ist in diesem Supertest 2013 so ein bisschen oben hinaus.
Jaguar F-Type V8S
Jaguar F-Type V8S
Jaguar F-Type V8S
Jaguar F-Type V8S
Jaguar F-Type V8S
Aber ich muss viel früher bremsen, ich kann erst viel später aufs Gas, und während der Anführer locker lächelnd durch die Gegend gondelt, wahrscheinlich noch Rechnung bezahlt über sein Smartphone und die nächsten Ferien mit der Holden bucht, habe ich hinten Schweissausbrüche, kämpfe gegen das Heck, das näher zum McLaren will, versuche mich in einer sauberen Linie, die ich nicht schaffe. Vielleicht auch deshalb, weil ich das Lenkrad nicht so recht in den Griff kriege, mit den schweissnassen Händen sowieso nicht...

Und ausserdem bin ich auch noch auf dem besten Weg zu einem Gehörschaden: der Jaguar ist laut, er ist widernatürlich laut, dieses Kreischen, dieses hysterische Schreien, dieses proletarische Gejapse beim Runterschalten mag auf den ersten paar Metern noch Spass machen, beim Posing vor dem Café für eine gewisse Klientel seinen Reiz haben, doch wenn Du da ruderst und kämpfst und ums Verrecken schneller sein möchtest, dann nervt es nur. Und am Morgen, wenn Du Dich in der Früh wegschleichen willst vom Parkplatz, dann auch. Und abends, wenn Du zwei alkoholfreie Biere hattest und nur noch in aller Ruhe gen Hause willst, dann auch. Ich frage mich, wie der V8S die Zulassung kriegen konnte - und nein, ich hätte nichts dagegen, wenn man das Teil ruhigstellen würde, es ist: too much. Und es ist ja auch nicht echt, aber das ist ja mittlerweile Mode, allerorten.

Der geneigte Leser merkt: ich hab (zu) wenig Freud' am F-Type. Ich versteh die ganze Aufregung nicht um diesem Wagen, und den Hype erst recht nicht. Ein paar Zahlen: Der Jaguar F-Type V8S, 495 PS stark und mindestens 132'500 Franken teuer, schafft in den Händen von Karl Wendlinger den Slowakia-Ring in 2'29,35. Der Porsche Cayman S. kein Cabrio, nur 325 PS und «nur» 88'300 Franken in der Basisversion, kommt auf 2'30,09. Der Porsche 911 Carrera S, 400 PS und als Cabrio erst ab mindestens 157'000 Franken im Angebot, braucht 2'27,44. Teilt man die Zeit durch Franken, dann gewinnt der Cayman S klar und deutlich und auch noch locker (zum Glück war die neue Corvette C7 noch nicht dabei...).Jaguar F-Type V8S
Wendlinger sagt zum Engländer: «Er ist einfach zu instabil.» Sag ich doch. Weiter Wendlinger: «Generell ist er extrem stark motorisiert, für die erzielbaren hohen Geschwindigkeiten ist die Bremse nicht gut genug, im ersten Moment passiert nix.» Sag ich doch. Nochmals Wendlinger, das scheint ihm wichtig «Und er ist zu instabil. Man muss sich sehr konzentrieren, um schnell zu fahren, man ist ständig am Arbeiten.» Genau, sag ich doch die ganze Zeit. Er will 300 km/h schnell sein, der V8S, in 4,3 Sekunden auf 100 km/h sprinten, und ich halte das sogar für einigermassen realistisch; geschaltet wird über einen ziemlich perfekten 8-Gang-Automaten von ZF. Yup, er geht gut, richtig gut - doch Sportwagen ist anders, leider. Mit Sportwagen sieht man nicht nur am Rotlicht und auf der Autobahn und beim Valet-Parking gut aus.

Optisch ist er ok, der F-Type. Zumindest, wenn offen. Kein E-Type, er hat - irgendwie und selbstverständlich rein subjektiv betrachtet - nicht das Zeug zum Klassiker, aber schämen muss man sich sicher nicht, wenn man im jüngsten Katzen-Baby gesehen wird. Innen, nun denn, da bin ich halt der Meinung, dass Jaguare, überhaupt Engländer etwas klassizistischer sein sollten als die aktuellen Jag-Modelle, es dürfte Chrom sein statt Plastik, es dürfte meinetwegen auch analog sein oder zumindest analoger aussehen als dieses Mäusekino. Gute Sitze, eines der besten Navis auf dem Markt, einfache Bedienung, auch saubere Verarbeitung, doch das darf man schon auch erwarten für den stattlichen Preis. Punkten kann der F-Type auch da gegenüber der Konkurrenz nicht, aber er verliert auch nix gegen, wen denn nun, den Cayman, den 911er? Was dann halt eben auch ein wenig ärgert, nein, falsch, die hohen Erwartungen nicht erfüllt: er kann nix besser als die andern, er ist nirgends so richtig Hammerhammer, der F-Type. Ein gutes Auto, aber auch ein Dacia ist ein gutes Auto, auf seine Art, in seinem Segment (war das jetzt - fies?).

Ja, der 911er ist als Cabrio noch teurer und nicht ganz so flott motorisiert (was man dann ja aber bei den Rundenzeiten nicht spürt...), doch wir wissen ja auch wie das so ist mit dem Wiederverkaufswert bei den Porsche, da wird dann so einiges wieder relativiert. Ich empfinde, total subjektiv, wie immer, das Verhältnis zwischen Preis und Leistung beim flottesten F-Type als nicht besonders gut. Und überhaupt, für dieses Geld kriegt man einen richtig guten E-Type, Zustand 1; ich würde keine Sekunde zögern. Ich verstehe auch Jaguar nicht, so einen grossen, etwas adipösen Zweisitzer wie den F-Type haben sie ja schon im Programm, den XK, und der macht seine Sache so schlecht nicht. Da hätte man doch schon etwas anderes erwarten dürfen, sportlicher, kleiner, leichter vor allem, damit dann auch: schärfer. Von Curry sollten der englische Hersteller ja unterdessen etwas verstehen... - vielleicht wird beim Coupé ja dann alles ganz anders.

Mehr Jaguar gibt es im Archiv. Und wir haben da diese wunderbare Story zum allerersten E-Type bei www.radical-classics.com, dort auch im Archiv. Die Übersicht über den Supertest 2013: hier.


Original: radical

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