Es brennt, Standpunkt: Tesla-1348
Standpunkt: Tesla
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Vor einigen Jahren wurde ich kurzfristig zu einem exklusiven Interview mit Elon Musk gebeten. Ich wusste nicht viel über diesen Herrn, musste noch googlen, sah: Südafrikaner, unterdessen 42, Milliardär dank Verkauf von Zip2 von PayPal sowie Gründer, Besitzer, Geldgeber, Mastermind hinter Tesla. Musk kam zu spät, er war genervt - und wir waren uns auf den ersten Blick unsympathisch. Das Interview wurde ein Krampf, Musk ist ein unglaublicher Besserwisser, er will die Welt nicht bloss retten, sondern in seinem Sinne verbessern, er beantwortete keine der Fragen, sondern leierte zumeist leeres PR-Geschwafel runter. Und er hat schlicht und einfach gelogen, viel erzählt von den ihm wichtigsten Werten überhaupt, Familie und so - und dabei vergessen zu erzählen, dass er kurz zuvor gerade Frau und jede Menge Kinder gegen ein Hollywood-Sternchen eingetauscht hatte. Unterdessen hat er auch dieses Dämchen gegen etwas Repräsentableres wechseln können.
Es gibt viel, was gegen Elon Musk spricht. Es ist offensichtlich, dass Tesla auf seine Anweisung sehr offensiv gegen Journalisten vorgeht, welche Tesla/Musk nicht ganz so doll finden. Es ist unterdessen auch bewiesen, dass Tesla Kunden einschüchterte, welche auf dem Internet negative Kommentare über den Roadster und/oder S veröffentlichten. Und es ist auch ganz klar, dass Tesla Profis beschäftigt, um weltweite Lobeslieder über seine Produkte publizieren zu lassen. Mal schauen, was Musk und Tesla gegen das diese Woche publik gewordene Video eines brennenden S unternehmen werden, wir nehmen mal an: es war ein Konkurrent, der das Auto vorsätzlich angezündet hat. Und die «Beweise» werden folgen... Man könnte dem auch sagen: Verfolgungswahn. Oder sonst eine Form von Paranoia. Was aber nicht weiter überraschend ist, wenn man den Herrn Musk einmal persönlich erlebt hat.
Und es ist schade. Und es ist unnötig. Denn Tesla und vor allem seine Mitarbeiter, die Ingenieure haben das nicht verdient. Schon der Roadster war ein cooles Teil - und der S ist eine sehr, sehr ernsthafte Konkurrenz zu den etablierten Produkten (siehe auch: Fahrbericht Tesla S). Was die Amerikaner da in erstaunlich kurzer Zeit aus dem Boden gestampft haben (natürlich auch dank der quasi unbeschränkten finanziellen Ressourcen von Elon Musk), das verdient höchsten Respekt. Und man darf davon ausgehen, dass Tesla eine der wenigen neuen Marken sein wird, die ihre Position auf dem Markt finden können. Und bleiben werden. Bald kommt der X, ein Elektro-SUV, und wenn das Teil ähnlich gut wird wie der S, dann werden sich X5, Q7, Touareg & Co. sehr warm anziehen müssen.
Natürlich hat Tesla einen entscheidenden Vorteil: man kann quasi mit einem weissen Blatt Papier beginnen. Es braucht keine Gleichteile, wie bei allen anderen etablierten Herstellern, man kann das nehmen, was am besten taugt, man kann das Produkt von Grund auf neu entwickeln, neu denken. Zum Beispiel der 17-Zoll-Bildschirm: bisher hiess es von Herstellern immer, das sei nicht möglich, zu hohe Kosten, Sicherheitsbestimmungen, blablabla. Doch Tesla zeigt jetzt, dass es nicht bloss möglich ist, sondern auch ganz hervorragend funktioniert. Und gut aussieht. Was Tesla beim S geschafft hat allein an der hervorragenden Ausnützung des Raumangebots, das verdient nicht bloss Respekt, sondern muss alle anderen Hersteller beschämen.
Gleiches Spiel bei der Batterie: die gesamte Auto-Industrie jammert, dass die Dinger zu teuer sind, keine Reichweite haben. Und dann kommt ein winziger Produzent und führt alle Argumente, dies bisher gegen das E-Auto gesprochen haben, ad absurdum. Die Tesla-Batterie ist nicht bloss günstiger, sie auch bedeutend leistungsfähiger. Ja, es gibt sicher gute Gründe, die gegen die serielle Schaltung von Hunderten von günstigen Zellen sprechen, doch schon beim Tesla Roadster hat sich gezeigt, dass dies Ding kaum Probleme macht. Die etablierten Hersteller beobachten die Tesla-Technik nun schon seit einigen Jahren, aber irgendwie haben sie Kinnlade immer noch nicht hochgekriegt, noch immer stehen sie da mit den Hosen an den Knöcheln und erstarren in Ehrfurcht. Mercedes kauft jetzt anscheinend bei Tesla ein und elektrifiziert eine B-Klasse - welch ein Armutszeugnis.
Schön war ja auch der Auftritt von Tesla an der IAA. Der Stand war klein, er war ganz einfach, ein Auto, ein Schnitt-Modell, Prospekte und einige sehr motiverte Mitarbeiter, die alles, aber wirklich alles bestens erklären konnten. Und obwohl es keine schönen Mädels gab und wilde Lichtshows und feine Häppchen und Champagner, war die Tesla-Ausstellung eine der bestbesuchten der ganzen Messe.
Das Interesse war gross - auch bei der Konkurrenz. Da machte sich wohl manch ein Manager im massgeschneiderten Anzug und Schlips so seine Gedanken, was man auf hunderten von Quadratmetern alles falsch machen kann. Dass Tesla am weitesten ist mit den Bestellmöglichkeiten über Internet, das verwundert da auch nicht.
Im September war der Tesla S das meistverkaufte Auto in Norwegen. Einverstanden, dies ganz einfach deshalb, weil der norwegische Markt sehr klein ist und die Amerikaner quasi alle Vorbestellungen auf einmal bedienen konnten. Doch der S ist in Norwegen luxussteuerbefreit, auch die Mehrwertsteuer fällt weg, er kostet also so viel wie ein Ford Mondeo. Da profitieren die Amerikaner von staatlichen Zuwendungen, welche den Verkauf von E-Autos fördern sollen. Doch warum auch nicht? Auch in Dänemark und den Niederlanden wird Tesla in Kürze den Markt aufmischen, weil auch in diesen Ländern kaum Steuern auf Stromer anfallen. Andererseits ist der Preis nicht wirklich ein Grund, keinen Tesla zu kaufen, für die 112'000 Franken, welche die schärfste S-Version in der Schweiz kostet, kriegt man auch nur eine gut ausgestattete E-Klasse oder einen A6 mit Diesel und Leder. Aber keine 416 PS und null CO2-Emissionen.
Selbstverständlich muss sich jetzt zuerst noch weisen, ob der Tesla S auch qualitativ auf dem Premium-Niveau ist, das er darstellen will. Auch wird es mehr Händler brauchen und mehr Servicestellen. Wie die Situation auf dem Gebrauchtwagen-Markt aussieht, ist noch ein grosses Fragezeichen. Und ob die Amerikaner auch wirklich Geld verdienen können, das ist wohl das Geheimnis vom Elon Musk, obwohl das Unternehmen an der Börse kotiert ist (und nach dem Brand eines S gerade einen heftigen Kurseinbruch hinnehmen muss). Doch das sind Nebenschauplätze, Tesla wird nicht so bald einer der Massen-Hersteller werden, die Nische ist noch klein, das E-Auto noch lange nicht da, wo die konventionell angetriebenen Gefährte seit einem Jahrhundert sind. Doch wir sind überzeugt, dass Tesla auf einem sehr guten Weg ist - falls die Amerikaner ihren Schwung aufrechterhalten können, weiterhin quer denken. Genau das ist nötig - und damit kann Tesla auch den grossen Herstellern helfen, aus ihrer Lethargie zu kommen.
Der Fahrbericht zum Tesla S: hier.
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Original: radical