Benz statt Bugatti: Mit 1000 PS und Formel1-Technik bringt AMG die Vollgas-Fraktion zum Hyperventilieren
Dagegen sieht selbst der neue Bugatti Chiron fast schon wieder ein bisschen alt aus. Denn wenn sich der schnelle Mercedes-Ableger AMG auf der IAA zum 50. Geburtstag einen neuen Sportwagen schenkt und dafür gleich die Kategorie des „Hypercars“ in Anspruch nimmt, dann steckt unter der strömungsgünstigen Karbon-Karosser nichts Anderes als reine Formel1-Technik, die auf Biegen und Brechen in das Korsett der Straßenverkehrsordnung gebracht wurde. „Das hat vor uns noch keiner gemacht“, sagt AMG-Chef Tobias Moers. Und selbst bei Ford oder McLaren werden sie dem kaum widersprechen. Denn so nah Autos wie der legendäre GT oder der fast noch berühmtere F1 am Rennwagen geblieben sind, war die Ausgangsbasis da immer ein Tourenwagen und kein Formel-Fahrzeug. Und auch die Leistung von mehr als 1 000 PS ist nahezu unerreicht – selbst wenn der Bugatti da mit 1 500 PS einen soliden Vorsprung hat.
Wie ernst es Moers und seiner Mannschaft mit der Nähe zwischen Rennsport und der Raserei für Ultrareiche ist, belegt nicht nur der Schattenriss, den die schnellen Schwaben zuletzt immer wieder gezeigt haben und der genau über die Silhouette von Lewis Hamiltons Silberpfeil passt. Sondern am Rande des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring hat sich AMG zum ersten Mal etwas tiefer in die Karten schauen lassen und den Antrieb vorgestellt, der das „Project One“ zum ultimativen Überflieger machen soll. Und sieht tatsächlich verdammt nach Formel 1 aus. In seinem Zentrum steht ein gerade mal 1,6 Liter großer V6-Motor, der direkt hinter der Kabine montiert wird. Nach den gleichen Skizzen wie für die Formel 1 ebenfalls im englischen Brixworth gebaut, bringt ihn ein elektrischer Turbo auf bis zu 11 000 Touren. So schnell dreht sonst kein anderes Straßenauto. Er wird kombiniert mit vier weiteren E-Maschinen, von denen zwei auf die Vorderräder wirken. Gespeist werden sie mit denselben Akkus, die Mercedes auch in der Formel 1 einsetzt. „Nur dass wir die Kapazität etwa vervierfachen und so im Alltag bis zu 25 Kilometer elektrischer Reichweite bieten“, sagt Moers. Wobei kaum anzunehmen ist, dass irgendjemand dieses Auto im Flüstermodus fahren wird oder durch den Hybridantrieb tatsächlich Sprit sparen will.
Viel eher lässt sich mit diesem Paket eine Fahrdynamik erreichen, die ihresgleichen sucht. Nachdem AMG schon beim SLS e-cell mit Torque Vectoring an vier einzelnen Rädern experimentiert hat, sollte das Project One um die Ecken gehen wie kein anderer Sportwagen und so dem Bugatti lässig davonfahren können. Selbst wenn der auf der Gerade mehr als 400 km/h schafft.
Und auch auf der gerade ist das Rennen längst noch nicht gelaufen. Zwar gibt es noch nicht mal ansatzweise offizielle Daten. Doch als definitiv schnellster Silberpfeil aller Zeiten sollte der Überflieger in weniger als 2,5 Sekunden von 0 auf 100 sprinten und bei 350 km/h noch reichlich Luft nach oben haben.
Aber nicht nur bei Antrieb, Fahrleistungen und Fahrverhalten dringt Mercedes in neue Sphären vor. Sondern auch beim Preis sprengen die Schwaben den Rahmen und eifern den knapp drei Millionen Euro des Bugatti Chiron nach. Denn wer ab 2019 einen der gerade mal 275 Project One fahren oder in seine klimatisierte Sammler-Garage stellen möchte, der sollte sich – so hört man aus Kreisen der potentiellen Kunden – auf rund 2,8 Millionen Euro einstellen. So kommen manche Schnellfahrer schon zum Hyperventilieren, noch bevor sie das erste Mal Gas gegeben haben.