Elektrische Annäherung: Mit dem I.D. Crozz steigt bei VW die Spannung wieder ein bisschen weiter
Die Spannung steigt in Wolfsburg. Denn wenn VW-Chef Herbert Diess die Produktion von Elektrofahrzeugen bis 2025 tatsächlich auf eine Million Autos im Jahr hochfahren will, dann muss er so langsam mal damit anfangen. Zwar wird es bis zum ersten allein als Akku-Auto entwickeltem Serienmodell trotzdem noch gute zwei Jahre dauern, doch werden zumindest die Ankündigungen und Ausblicke konkreter. Wenn VW diese Woche auf der Motorshow in Shanghai als dritte Studie der neuen I.D.-Familie das SUV-Coupé I.D. Crozz ins Rampenlicht rückt, bekommt man deshalb offenbar schon ein ziemlich aussagekräftiges Bild von jedem Hoffnungsträger, mit dem die Wolfsburger das Feld im nächsten Jahrzehnt mal wieder von hinten aufrollen wollen.
„Wenn man jemals eine zu hundert Prozent treffsichere Prognose liefern konnte, wie die Zukunft aussehen wird – hier gelingt es,“ sagt Diess: „Mit dem I.D. Crozz zeigen wir 2017, wie VW das Straßenbild ab 2020 verändern wird.“ Zusammen mit den Showcars aus Paris und Detroit markiere er den Beginn einer Design- und Technologie-Revolution, mit der sich die individuelle Mobilität und die Marke Volkswagen auf immer verändern werden, hängt der VW-Chef die Latte ziemlich hoch.
Das Design mit weit ausdrucksstarken Gesicht, hoher Brüstung, weit ausgestellten Kotflügeln und einem verdächtig von Porsche und Audi inspirierten Heck mag neu sein. Aber die Technik darunter kennt man mittlerweile schon. Denn auch der I.D: Crozz nutzt den Modularen Elektrobaukasten MEB. Aus ihm greifen die Entwickler einen 150 kW-Motor für die Hinter- und einen mit 75 kW für die Vorderachse, ein Akkupaket mit 83 kWh sowie einen Schnellader mit 150 kW-Technik, mit dem man die Batterien in 30 Minuten wieder zu 80 Prozent füllen kann. Mit elektronisch simuliertem Allradantrieb auch fürs Gelände geeignet, beschleunigt das SUV-Coupé damit in weniger als sechs Sekunden von 0 auf 100 km/h und wird nur Rücksicht auf die mehr als 500 Kilometer Reichweite bei 180 Sachen elektronisch eingebremst.
Wie alle I.D. Modelle ist auch der I.D. Crozz aufs autonome Fahren ausgelegt, mit dem VW ab 2025 rechnet. Außen erkennt man das an den vier Laserscannern, die wie Blaulichter auf dem Dach sitzen. Und im cleanen Cockpit zeugt davon ein Lenkrad, das sich ins Armaturenbrett zurückzieht und mit den digitalen Instrumenten verschmilzt, wenn der Autopilot das Kommando übernimmt.
Was man sonst noch sieht, wenn sich die vorderen Türen 90 Grad weit öffnen und danach ohne B-Säule die Schiebetüren für die zweite Reihe elektrisch nach hinten gleiten, sind wie immer bei Elektrofahrzeugen nahezu fürstliche Platzverhältnisse. So reist man im I.D. Cross auf vier Integralsitze, in denen man ohne Mitteltunnel oder Tank bei 2,77 Metern Radstand besser lümmeln kann als im gestreckten Tiguan Allspace – und das, obwohl der Stromer mit 4,63 Metern noch acht Zentimeter kürzer ist als das neue XL-Modell.
Zwar verspricht Diess für den I.D. Crozz ernsthafte Serienabsichten. Doch ein bisschen Spinnerei muss bei einer Studie erlaubt sein. Deshalb spielen die Vordenker bei VW nicht nur mit einem Head-Up-Display mit Augmented Reality, einem weitgehend auf das hauseigene Tablet fixierte Infotainment-System und multifunktionalen Bedieninseln in den Türtafeln, sondern auch mit einer Jalousie aus LED-Licht, die sich per Gestensteuerung vor das gläserne Panoramadach legen lässt. Und weil man in China so gut wie nie frische Luft atmet, haben sie ein aufwändiges Filtersystem in der Klimaanlage integriert. Diese CleanAir-System kann die Luft allerdings nicht nur reinigen, sondern auch ein paar vor programmierte Klimaprofile einstellen, damit sich auch der Smog in Shanghai so anfühlt wie ein klarer Morgen im Himalaya. Zumindest diese Technik allerdings könnte sich bald erübrigt haben. Denn wenn China ernst macht mit seinen elektrischen Absichten und auch VW-Chef Diess tatsächlich auf eine Million Akku-Autos im Jahr kommt, wird die Luft in Shanghai und andernorts in China von ganz alleine wieder besser.