Wer denkt da noch ans Fliegen? Die erste Fahrt mit dem GT Concept macht Lust auf die Zukunft von Opel
Man wird ja wohl noch träumen dürfen! Zwar wissen sie bei Opel selbst am allerbesten, dass es für kostspielige Abenteuer noch ein bisschen früh ist und sie jetzt erst einmal die schwarze Null schaffen müssen. Doch nachdem sich die Hessen so tapfer aus dem Tal der Tränen gekämpft haben, wird es mal wieder Zeit für ein bisschen Optimismus. Kein Wunder also, dass Firmenchef Karl-Thomas Neumann keine Gelegenheit auslässt, das neue Selbstbewusstsein zu preisen und mit stolz geschwellter Brust ein Auto durch die Schlagzeilen treibt, auf das die halbe Welt jetzt schon so lange wartet: Vorhang auf und Bühne frei für den neuen Opel GT.
Noch ist der schnittige Silberling zwar nur ein Schaustück, gebaut für die Motorshow in Genf in diesem Frühjahr. Doch wo andere Studien dieses Salons bereits eingemottet sind und den Staub der Geschichte ansetzen, dreht der GT noch immer seine Runden und schürt so die Hoffnung auf eine Serienfreigabe – erst recht, wenn man ausnahmsweise mal hinter das Steuer sitzen und zu einer Spritztour mit dem millionenschweren Einzelstück starten darf.
Zwar fährt das in 18 Monaten von Hand gebaute Messemodell noch nicht mit dem aufgebohrten Dreizylinder-Turbo aus dem Astra, für den sich Neumann so stark macht. Sondern mit Rücksicht auf die ohnehin schon dicke Luft in den Messehallen und auf die Fotofahrten hinter verschlossenen Türen haben die Ingenieure einen E-Motor eingebaut, der zudem nur etwas mehr als Schrittgeschwindigkeit zulässt. Doch den Allerwertesten tief unten auf dem Asphalt, vor den Augen eine Motorhaube so verführerisch wie das Dekoltee eines Filmstars und im komplett animierten Cockpit nichts, was einen vom Fahren abgelenkt – so ist man vom ersten Meter an wie elektrisiert und träumt sich aus der leergeräumten Werkshalle auf eine einsame Landstraße, die sich in engen Kehren über hohe Bergkämme schraubt – und pfeift herzlich auf all die potenten Motoren, mit denen die anderen Sportwagen locken. Viel hilft viel? Von wegen! So klein, leicht und handlich wie dieser Sportwagen wirkt, reichen auch 145 PS und 205 Nm – erst recht, wenn das mögliche Serienauto tatsächlich weniger als 1 000 Kilo wiegen sollte. Und auch wenn man auf der Autobahn mit einem Sprintwert unter acht Sekunden und einem Spitzentempo von 215 km/h nur mit- und nicht vorneweg fährt, wird damit jede Landstraße zur Lustmeile.
Aber nicht nur die Relation von Leistung und Fahrspaß könnte der GT in eine ungewohnte Richtung verschieben. Auch das Verhältnis von Platzbedarf und Platzangebot definiert der coole Flunder neu. Denn während er mit seinen 3,85 Metern Länge und 1,18 Metern Höhe von außen so zierlich wirkt wie ein Spielzeug und man ihn kaum als Auto, geschweige denn als Sportwagen ernst nehmen möchte, ist er innen geräumiger als mancher Porsche – kein Wunder, bei einer von innen unverkleideten Glaskuppel als Dach, bei Türen, die so weit öffnen wie Scheunentore, und einer Brüstung, die außen viel höher wirkt als sie innen tatsächlich ist.
Leidenschaftlich, mit einem verträumten Blick zurück und trotzdem ganz ohne Retro-Kitsch in die Zukunft gewandt und voll mit pfiffigen Detaillösungen – so hat Opel mit dem GT Concept nicht nur die Erinnerung an einen der coolsten deutschen Sportwagen der Siebziger Jahre geweckt und jedem noch einmal den Slogan „Nur fliegen ist schöner“ ins Bewusstsein gerufen. Sondern vor allem haben die Hessen damit ein gewaltiges Motivationsprogramm für die gesamte Mannschaft gestartet. „Denn es gibt wohl niemanden im Unternehmen, der den GT nicht lieber heute als morgen in Serie sehen würde“, sagt Frank Leopold. Und weil jeder weiß, dass die Chancen mit dem Umsatz und dem Absatz steigen, knien sich jetzt alle noch mehr rein.
Leopold hat den Löwenanteil bereits geleistet: Er leitet schließlich die Vorausentwicklung bei Opel und muss dafür einstehen, dass Showcars wie der GT zumindest eine theoretische Chance haben: Bei der Suche nach der Heckantriebs-Plattform jedenfalls, die bislang viele für aussichtslos erklärt hatten, war Leopold schon mal erfolgreich und würde den GT deshalb mit einem eigedampften Cadillac ATS verheiraten. Selbst bei der legendären Corvette könnten sich die Hessen bedienen und damit Bande knüpfen, die es beim ursprünglichen GT schon einmal gegeben hat. An ihm und seiner Mannschaft sollte es also nicht scheitern, sagt Leopold und schürt weiter die Hoffnung: „Technisch gibt es an dieser Studie nichts, was wir nicht auch umsetzen könnten.“
Es muss also niemand Angst davor haben, dass sie bei Opel in den nächsten Wochen aufwachen, wenn der GT aus Genf irgendwann dann doch mal eingemottet wird, und dass dann der Traum vom Fliegen wieder vorbei sein könnte. Zumindest mit ein bisschen Glück gibt es diesmal kein böses Erwachen, sondern stattdessen die Startfreigabe für einen neuen Überflieger.