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Nackt im Unterholz: Mit dem offenen Evoque schwappt die SUV-Welle auch noch über die Cabrios herein

Published in motosound.de

Range Rover Evoque Convertible

Zurück zu den Wurzeln oder auf zu neuen Ufern? So ganz genau wissen sie bei Land Rover selbst nicht, wie sie das Cabrio des Range Rover Evoque einsortieren sollen. Denn auf der einen Seite ist das Open-Air-SUV irgendwie tatsächlich der legitime Erbe des Ur-Land-Rovers. Schließlich war auch das ein Cabrio, in dem man seinerzeit nur mit einem Flatterverdeck vor Wind und Wetter geschützt war. Und auf der anderen Seite ist es natürlich auch das erste echte Cabrio unter den modernen Geländewagen und damit womöglich der Wegbereiter eines neuen Trends. Denn nachdem das SUV nun so langsam alle anderen Segmente erobert hat, ist die Übernahme der Lufthoheit nichts anders als ein logischer Schritt. Egal ob Rückbesinnung oder Revolution – auf jeden Fall ist es eine mutige Entscheidung, wenn die Briten den Sonderling am 4. Juni zu Preisen ab 51 200 Euro tatsächlich in den Handel bringen, räumt Wolfgang Epple ein. „Aber no risk, no fun“, sagt der Forschungschef und freut sich über immerhin schon 1 500 Vorbestellungen.

„Fun“ soll das Cabrio aber nicht nur den Kaufleuten machen, die dafür schließlich rund 7 000 Euro einstreichen und nur für die Hälfte mehr Ausstattung hinein packen. Sondern der Spaß steht auch für den Fahrer im Vordergrund. Und er beginnt in nicht einmal 20 Sekunden. So lange dauert es, bis der Evoque bis Tempo 50 auch während der Fahrt die Hüllen fallen lässt und sich das riesige Verdeck wie ein Z hinter die Sitze faltet. Eben noch ein SUV-Coupé mit strammer Stoffmütze und für ein Cabrio erstaunlich leise, wird der Evoque damit zur luftigen Sonnenterasse. Dann braust über der offenen Hochebene ein frischer Wind auf, der mit dem Haupthaar gleich das ganze Segment durcheinander wirbeln soll. Allerdings bedarf es nur des Windschotts und des zentralen Fensterschalters, um den Orkan auch wieder auszusperren. Denn solange alle Scheiben geschlossen sind und der Sturmfang im Nacken steht, ist es erstaunlich lau in diesem Land Rover. Und wenn dann noch die Klimaanlage bläst und die Sitzheizung bollert, dann kann man sich den Evoque tatsächlich wie von Projektleiter Andy Boyle versprochen als Cabrio für alle vier Jahreszeiten vorstellen.

Mehr noch als den Fahrtwind treffen einen allerdings die Blicke der anderen Verkehrsteilnehmer. Denn auch wenn mittlerweile über 500 000 Evoque auf der Straße sind und die Briten das Cabrio ganz nah am Coupé gezeichnet haben, ist das Konzept so frisch und fremd, dass es allerorten neugierig beäugt wird. Weil die Brüstung etwas höher ist als in anderen offenen Autos und man auf die Welt herab schaut, fühlen sich die Mitfahrer dabei wie in einer Sitzbadewanne: Genauso exponiert. Genauso nackt. Und genauso weit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Aber genau dieses Gefühl ist es schließlich, das die Kunden schon am geschlossenen Evoque so schätzen .

Range Rover Evoque Convertible

Range Rover Evoque Convertible

Dieses Bad in der Menge genießt man am besten zu zweit. Zwar verkauft Land Rover das Cabrio als 2+2-Sitzer. Doch viel mehr als ein Alibi für Familienmenschen ist die Rückbank nicht. Nachdem die Sitze etwas weiter nach innen und nach vorne gerückt sind, geht es im Fond vergleichsweise eng zu und unter dem geschlossenen Dach ist es auch mit der Kopffreiheit nicht so richtig weit her. Da nimmt man den Platz im Fond doch besser als Erweiterung des Kofferraums, der mit nur noch 251 statt 420 Litern sonst keine ganz so großen Sprünge erlaubt. Das wissen auch die Briten und haben deshalb vorsichtshalber schon mal eine Durchlade-Einrichtung montiert.

In Fahrt bringen das Cabrio die bekannten Zweiliter-Motoren – der in Deutschland kaum nachgefragte 240 PS-Benziner, ein Diesel mit 150 PS und als beste Wahl der 180 PS starke Spitzendiesel. Zwar hat auch der seine Last mit dem durch die ganzen Versteifungen jetzt immerhin zwei Tonnen schweren Cabrio und gönnt sich entsprechend gemütliche 10,3 Sekunden für den Standardsprint. Doch wenn der Evoque mal rollt und man der Neungang-Automatik bisweilen mit den Schaltwippen ins Handwerk pfuscht, dann wirkt er sogar flott und elastisch. Kein Wunder bei einem maximalen Drehmoment von 430 Nm. Allerdings geht dem Evoque bei knapp 200 Sachen die Puste aus, was aber für eine Sturmfrisur allemal ausreichen sollte.

Range Rover Evoque Convertible

Range Rover Evoque Convertible

Neben den Motoren haben die Briten auch den Allradantrieb und alle Offroad-Assistenten vom geschlossenen Evoque übernommen. „Denn egal ob mit oder ohne Dach: Ein Land Rover bleibt immer ein Land Rover“, sagt Projektleiter Barlow und verspricht fürs Gelände exakt die gleichen Eckdaten: Bodenfreiheit, Rampenwinkel, Watttiefe. „Alles wie bei Coupé und Fünftürer“, sagt der Entwickler und erzählt stolz von den zentnerschwere Karosserieversteifungen, mit denen jedes Knistern und Knarzen im Gebälk wirkungsvoll unterrückt wird. Wer also partout vom Boulevard auf die Buckelpiste abbiegen will, der kann damit auch nackt ins Unterholz.

Natürlich darf Land Rover bei den Offroad-Fähigkeiten keine Abstriche machen. Der Name ist schließlich Versprechen und Verpflichtung zugleich. Doch viel wichtiger als seine Fähigkeiten in Schlamm oder Schnee dürfte den Kunden sein Talent als Showstar sein. Und zwar nicht in der Wildnis, sondern im Dschungel der Großstadt. Denn wo man dort mit dem offenen Evoque auftaucht, steht man plötzlich im Mittelpunkt des Interesses. Damit ist das SUV-Cabrio für den Kölner Designprofessor wie Paolo Tumminelli der legitime Nachfahre der frühen Paradewagen hochrangiger Politiker: „Höher als der Rest und weithin sichtbar – viel besser kann man sich auf dem Boulevard der Eitelkeiten heute doch kaum inszenieren.“