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Mit dem Zweiten fährt man besser: Als reines Akku-Auto fährt der Opel Ampera bald sogar dem BMW i3 davon

Published in motosound.de

Opel Ampera

Der Opel Ampera war seiner Zeit voraus und fuhr deshalb in der Zulassungsstatistik nur hinterher. Doch vom mäßigen Erfolg des futuristischen Elektroautos mit eingebautem Reichweitenverlängerer lassen sich die Hessen nicht entmutigen. Im Gegenteil: „Wir sind davon überzeugt, dass Elektrofahrzeuge in Zukunft eine wesentliche Rolle bei der individuellen Mobilität spielen werden“, sagt GM-Chefin Mary Barra und bringt zum Beweis den Nachfolger Ampera-e auf den Weg. Mit kleinerem Format und größerer Reichweite soll er seinen Einstand im Herbst auf dem Pariser Salon geben, im nächsten Jahr auf die Straße kommen und endlich Schluss machen mit den üblichen Einschränkungen: „Denn die bisherigen Nachteile wie zu hohe Preise und zu geringe Reichweiten sind jetzt endlich passé“, verspricht Opel-Chef Karl-Thomas Neumann und stellt in jeder Hinsicht alltagstaugliche Eckwerte in Aussicht: Der Ampera-e werde mit vollgeladenen Batterien über eine größere Reichweite als die meisten anderen Elektroautos verfügen und zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden.

Diese Ankündigungen sind vollmundig, aber nicht unhaltbar. Denn als Basis für den Ampera-e dient der Chevrolet Bolt, der bereits im Januar bei den Messen in Las Vegas und Detroit für Furore gesorgt hat. Noch kleiner als ein Opel Astra soll er noch in diesem Jahr den Beweis antreten, dass Elektroautos mittlerweile tatsächlich für den Alltag taugen. Nicht umsonst reicht der Strom aus dem Lithium-Ionen-Akku im Wagenboden für mehr als 300 Kilometer, versprach Barra bei der Premiere.

Mit dem Bolt, der auf einer eigenen Architektur aufbaut und deshalb trotz seinen kompakten Formats viel Platz bietet, zielen die Amerikaner anders als Tesla oder zum Beispiel BMW mit dem i3 nicht auf die ökologische Elite. Sondern sie versprechen nicht weniger als das erste Batteriefahrzeug für jedermann – also quasi den VW Golf des Elektro-Zeitalters. Schließlich soll der Bolt nach Abzug der staatlichen Förderung nur noch rund 30 000 Dollar kosten, nicht einmal halb so viel wie etwa das Model X von Tesla und gut 3 000 Euro weniger, als der Amerikaner 2015 im Schnitt für einen Neuwagen ausgegeben hat. Und noch ein Punkt spricht dafür, dass mit diesem Auto vielleicht tatsächlich der Durchbruch gelingen könnte: Mit entsprechender Stromstärke dauert eine 80-Prozent-Ladung weniger als eine Stunde.

Rund um den aus 288 Zellen in 96 Gruppen geformten Flachbau-Akku mit einer Kapazität von 60 kWh konstruiert, sieht der Bolt aus wie eine Mischung aus Mercedes B-Klasse und BMW i3. Und das gilt nicht nur für das Design mit dem schnittigen Bug, dem hohen Dach und dem eigenwilligen Schmiss in der D-Säule. Sondern auch sein Konzept ist so etwas wie der größte gemeinsame Nenner dieser beiden Extreme.

Auf der einen Seite will der Bolt einfach nur ein geräumiger, bequemer und alltagstauglicher Kompakter sein wie eben der kleine Mercedes. Nicht umsonst haben die Ingenieure den flachen Wagenboden für betont tiefe Türausschnitte genutzt, so dass man bequemer einsteigen kann. Sie haben für die Beinfreiheit im Fond vorn extra dünne und trotzdem bequeme Sitze eingebaut und der Kofferraum ist deutlich größer als bei Konkurrenten wie dem Honda Jazz oder dem BMW i3. Und auf der anderen Seite ist er – abgesehen von der Karbonkarosse natürlich – so konsequent auf den Elektroantrieb ausgelegt wie der Vorzeige-Bayer. Nur dass er technologisch ein paar Jahre weiter ist, mehr Akkupower hat und deshalb weiter fahren kann.

320 Kilometer – ganz so lang ist die Runde nicht, die Chevrolet kurz nach der Weltpremiere für eine erste Testfahrt ausgesteckt hat. Doch schon die paar Meilen auf einem abgesperrten Parkplatz machen deutlich, dass der Bolt keine Spaßbremse ist, die zäh wie Kaugummi fährt und der jenseits des Ortschilds die Luft ausgeht. Kein Wunder: Die E-Maschine leistet schließlich 200 PS, zerrt mit bis zu 360 Nm an den Vorderrädern und hat selbst mit den stattlichen 1,6 Tonnen leichtes Spiel. Und dass mit dem flachen Akkupaket im Wagenboden der Schwerpunkt sinkt, ist auch kein Schaden. Genauso wenig die wie 25 Prozent mehr Steifigkeit, die mit der neuen E-Plattform einher gehen: Obwohl die Prototypen erst zu 80 Prozent Serienstand haben, wirkt der Bolt deshalb bereits sehr reif und steif.

Wie ernst es den Amerikanern mit der Fahrfreude ist, zeigt eine für Elektroautos eher ungewöhnliche Taste im ansonsten ziemlich cleanen Cockpit: „Sport“ steht darauf, und wer sie drückt, kann tatsächlich was erleben. Dann startet der Bolt mit quietschenden Reifen, sprintet mit dem Temperament eines GTI davon, hat nach sieben Sekunden 100 Sachen auf dem digitalen Tacho und wird so schnell, dass der Ingenieur auf dem Beifahrersitz zur Zurückhaltung mahnt. Würde ihn die Elektronik nicht bei 145 km/h einbremsen, könnte der Bolt durchaus auch notorische Schnellfahrer elektrisieren.

Aber Chevrolet will beim Bolt nicht nur mit Preis und Performance Maßstäbe setzen. Auch die Connectivity erreicht ein neues Niveau, verspricht Barra mit Blick auf den mehr als zehn Inch großen Touchscreen, der in der ansonsten sehr aufgeräumten Mittelkonsole thront. So biete der Bolt die neueste App-Technologie für kommende Carsharing-Projekte, berechne unterschiedliche Routen je nach Akkukapazität und Nutzerprofil, könne mit dem Smartphone nahezu ferngesteuert werden und sei dafür vorbereitet, dass die Fahrer ihr Öko-Ranking über soziale Netzwerke vergleichen können. Selbst die Grundlagen für das autonome Fahren seien in der Architektur bereits verankert, so dass neue Assistenzsysteme und Fahrfunktionen jederzeit nachgerüstet werden könnten, sagt Barra.

Zwar haben die Entwickler beim Bolt vor allem nach vorn geschaut. Doch in einem Detail haben sie den Blick auch noch einmal nach hinten gerichtet: Beim Rückspiel. Denn die traditionelle Glasplatte macht Platz für einen Monitor, auf dem jetzt auch im Vorwärtsgang das Bild der Rückfahrkamera läuft.

Nicht so langweilig wie ein elektrischer Golf, nicht so Teuer wie ein Tesla und viel bodenständiger als ein BMW i3 – wenn die Hessen vom Chevrolet Bolt nicht nur die Technik, sondern auch den Preis über den Atlantik retten, dann könnte ihnen damit tatsächlich der elektrische Durchbruch gelingen und der Ampera wird im zweiten Anlauf doch noch zum Erfolgsmodell. Das E dafür trägt er ja jetzt schon mal im Namen.