Friedhof der Land Rover: Darum endet die letzte Fahrt der Offroad-Dinosaurier in den Cameron Highlands
Malaysia ist eine Reise wert. Nicht nur wegen der Teeplantagen und wegen der Tempel – sondern auch wegen seiner Autos. Erst recht, wenn man Land Rover-Fan ist. Denn während daheim im Stammwerk in Solihull diese Woche nach 68 Jahren und exakt 2.016.933 Exemplaren der definitiv letzte Defender vom Band gelaufen ist, ist die Legende des Offroad-Dinosaurier hier so lebendig wie vielleicht nirgends sonst auf der Welt. Wenngleich es eigentlich auch in Malaysia ums Sterben geht. Nicht umsonst sind die Cameron Highlands, jene grünen Hügel drei Stunden nördlich von Kuala Lumpur, die automobile Entsprechung zu jenen mystischen Elefantenfriedhöfen, auf denen die Dickhäuter der Sage nach ihr Leben aushauchen. Wohl nirgends in der Welt gibt es so viele alte englische Geländewagen wie im Hochland von Malaysia, und nirgendwo sonst sind sie in einem derart miserablen Zustand. Der Lack längst abgeblättert, die Bleche verbogen, die Scheiben blind oder ganz ausgeschlagen, die Sitze vermoost und vermodert, rumpeln sie so lange über sattgrünen Hügel, bis der Zahn der Zeit sie völlig zernagt hat und ihre letzte Fahrt ganz einfach am Straßenrand endet. Dort stehen sie dann zu Dutzenden und warten darauf, bis die Natur die Wracks überwuchert und nur noch die blanken Alubleche aus dem Dschungelgrün schauen.
Was melancholisch veranlagte Land Rover-Fans an die mysteriösen Elefantenfriedhöfe in der afrikanischen Savanne erinnert, hat aber nichts mit geheimen Mächten zu tun. Sondern der Grund für die wahrscheinlich größte Land Rover-Dichte der Welt liegt an der speziellen Steuergesetzgebung im Hochland: Um die Bauern der wirtschaftlich schwachen Region zu unterstützen bekommen sie einen satten Steuerbonus und zahlen für ihr Auto nur zehn Prozent Kfz-Steuer. Einzige Bedingung: Es muss landwirtschaftlich genutzt werden und darf die Cameron Highlands nicht verlassen. Auch deshalb haben die Autos dort alle ein handgepinseltes „CH“ auf der Flanke.
„Da kommt für unsereins nur ein Land Rover in Frage“, sagt Bauer Yamin Rong, der mit einem Urahn des aktuellen den Defenders von seiner Farm herunter zum Markt in der Bezirkshauptstadt Tanah Rata gekommen ist. „Den haben uns die Briten zu Tausenden zurück gelassen, so dass man ihn für kleines Geld kaufen kann. Er ist unverwüstlich, kommt überall durch und kann ordentlich was schleppen.“
Wie viel die Land Rover schleppen können, sieht man an den Markttagen an jeder Straßenecke: Zu hunderten kommen die meist als Pick-Ups ausgelieferten Offroad-Dinos von den Hügeln, sind bis übers Dach beladen mit Obst und Gemüse und dominieren das Straßenbild mehr als bei uns der VW Golf – nicht umsonst schätzen die Behörden den Fahrzeugbestand auf rund 7 000 Land Rover.“ Das sind mehr Autos, als Tanah Rata Einwohner hat“, sagt Bauer Rong.
Eine Land Rover-Werkstatt hat er mit seinem Serie II noch nie gesehen. Nicht, weil der Wagen keine Macken hätte. Sondern einfach, weil es in den Cameron Highlands keine offizielle Land Rover-Vertretung gibt. „Die reparieren hier alles selbst“, sagt Land Rover-Experte Dag Rogge, der auch in Malaysia Abenteuertouren mit den Geländewagen organisiert: „Direkt am Straßenrand oder in einer Wellblechhütte machen die Bauern fast jeden Wagen wieder flott.“ Als Ersatzteillager dienen ihnen dabei die Schrottgaufen am Straßenrand – egal von welchem Auto. Motoren von Nissan, Getriebe von Mitsubishi oder Lenkräder von Honda: „Was nicht passt, wird passend gemacht“, sagt Bauer Rong.
Und wenn so ein Dinosaurier irgendwann tatsächlich mal endgültig den Geist aufgibt? Dann stellt er ihn an den Straßenrand und sucht sich einen neuen. Denn irgendwo hat er bislang noch immer eine alte Kolonial-Karre aufgetrieben. Zumal Land Rover wegen der immensen Import- und Luxussteuern in Malaysia eine eigene Fabrik eingerichtet hat und dort eine zeitlang mehrere hundert Defender im Jahr gebaut, erzählt Servicechef Nick Fitt von der lokalen Vertriebsgesellschaft: In England mag die Produktion jetzt zwar endgültig eingestellt sein. Aber in den Cameron Highlands ist der Nachschub deshalb erst einmal gesichert.