Open Menu
Open Menu
 ::

Tiger aus dem Trainingslager: So will der neue Kia Sportage dem nächsten VW Tiguan den Start verderben

Published in motosound.de

Er ist das erfolgreichste Modell und startet im wichtigsten Segment – kein Wunder, dass die Koreaner am ganz großen Rad drehen, wenn sie Ende Januar zu Preisen ab 19 990 Euro die vierte Generation des Sportage auf den Weg bringen. Zumal der 1993 zum ersten Mal eingeführte Geländegänger nicht nur den Absatz beflügelt hat, sondern auch das Image. Denn wie kein anderer Kia steht er für den Wandel vom Billigheimer zur Designermarke, sagt Deutschlandchef Steffen Cost über sein bestes Pferd im Stall.

Weil dieses Erbe auch eine Verpflichtung ist, hat sich die Styling-Mannschaft um Peter Schreyer einmal mehr ins Zeug gelegt und den neuen Sportage zum Bodybuilding geschickt. Eine wuchtiger Bug mit weit nach oben gerückten Scheinwerfern und stark konturierter Motorhaube, das dynamischere Profil und das knackige Heck mit dem durchgehenden Leuchtenband lassen den Sportage jetzt viel Sportlicher aussehen und sind eine wohltuende Abwechslung im dicht besetzten SUV-Segment. Weil aber die schärferen Linien, die stolzere Front und die bulligeren Backen allein offenbar nicht genug sind, legen die Koreaner sogar noch eine sportliche GT-Linie auf, die vor allem an den markanten LED-Brennern des Tagfahrlichts zu erkennen ist. Spätestens damit stiehlt der Sportage dann im Rückspiegel sogar dem Porsche Macan die Schau.

Während das Auto komplett neu ist und deshalb in der Länge um vier und im Radstand um drei Zentimeter zulegt, sind die Motoren mehr oder minder die alten. Zwar dezent optimiert, über die Hürden der Euro6-Norm gehoben und im Detail ein bisschen stärker, sparsamer und schneller, gibt es deshalb wie eh und je die beiden 1,6-Liter-Benziner mit 132 PS als Sauger und 177 PS als Turbo sowie drei Diesel  mit 1,7 und 2,0 Litern Hubraum und 115 bis 185 PS. Die jeweils stärksten Varianten fahren serienmäßig auf allen Vieren, für den mittleren Diesel gibt es den vorausschauenden Allrad gegen Aufpreis und wie bisher kann man einige Motorvarianten auch mit einer mäßigen Automatik oder einer flinken Doppelkupplung bestellen.

Dass sich der Sportage trotzdem ganz anders fährt, liegt an der steiferen Karosserie, der besseren Dämmung, am überarbeiteten Fahrwerk, dem gewachsenen Radstand und einer neuen Lenkung, die sehr viel direkter wirkt. All das zusammen genommen, macht der Sportage nun nicht nur einen deutlich erwachsenere Eindruck, fühlt sich solider und reifer an und schließt damit gar vollends auf zu VW & Co. Sondern vor allem fegt er jetzt flotter ums Eck und zaubert dem Fahrer öfter ein Lächeln auf die Lippen – egal ob man nun den spritzigen Spitzenbenziner nimmt und damit bis auf 202 km/h beschleunigt oder ob man beim starken, leider noch immer ein wenig dröhnenden Diesel auf die Wucht von bis zu 400 Nm setzt und auf dem Papier trotzdem mit 5,9 Litern ans Ziel kommt. Der eigens von der BMW M GmbH abgeworbene Fahrdynamiker Albert Biermann hat dafür eine andere Formulierung parat: „Jetzt fährt der Sportage endlich so sportlich wie er aussieht,“ sagt er über die Tigernase aus dem Trainingslager.

Zwar können ein paar Emotionen nicht schaden in dem mittlerweile am dichtesten besetzten Segment des Marktes. Doch weil kompakte Geländewagen längst die neuen Kombis und Familienkutschen sind, hat Kia auch an den praktischen Tugenden des Sportage gefeilt. Deshalb ist der Sportage innen nicht nur aufgeräumter und vornehmer als bisher, sondern vor allem geräumiger. Auf allen Plätzen hat man spürbar mehr Platz, die Sitze sind vorne bequemer und hinten lässt sich zumindest die Neigung der Lehne verstellen, und der Kofferraum wächst um knapp zehn Prozent. So fasst er mindestens 503 Liter, lässt sich auf bis zu 1 492 Liter erweitern und bietet nun auch ein Staufach im Souterrain.

Eine souveränes Fahrgefühl und ein tadelloser Innenraum mit viel Platz und einem Hauch von Premium – das mag reichen, um im Windschatten des Tiguan zu bestehen. Aber wirklich ärgern kann man den Primus aus Wolfsburg damit nicht. Das wissen auch die Koreaner und legen deshalb bei der Ausstattung ebenfalls noch einmal nach. Deshalb gibt es nicht nur die üblichen Standards von der Online-Navigation bis zur Verkehrszeichenerkennung oder der Heckklappe mit Fußsteuerung, sondern auch ein paar Extras, die bislang kein Konkurrent zu bieten hat, sagt Deutschlandchef Cost. Das beginnt bei der Sitzlüftung oder der induktiven Ladeschale fürs Handy und reicht bis zum Notbremsassistenten, der auch für Fußgänger in die Eisen steigt.

Umso verwunderlicher ist es, dass Kia das Auto zwar gründlich aufgewertet, den Preis dafür aber auf den ersten Blick um 600 Euro gesenkt hat. Allerdings ist das gleich ein doppeltes Täuschungsmanöver. Denn erstens schätzt selbst Cost den Verkaufsanteil des neuen Basismodells für 19 990 Euro auf weniger als ein Prozent und führt den Wagen deshalb nur für die Preiskosmetik. Und zweitens sind viele andere Modellvarianten zum Teil sogar deutlich teuer geworden, so dass man für den Sportage jetzt bald 45 000 Euro ausgeben kann. Ganz so weit hätten es die Koreaner mit ihren Aufstiegsambitionen dann ja vielleicht doch nicht treiben müssen.

Dass Kia die vierte Generation des Sportage gerade jetzt in den Handel bringt, hat vor allem taktische Gründe. Denn so kommt der Imageträger und Umsatzbringer kurz vor der neuen Auflage des VW Tiguan und könnte dem Bestseller aus Wolfsburg damit ordentlich den Start verderben. Für die eigene Absatzpolitur dagegen hätte es den Modellwechsel noch gar nicht gebraucht, sagt Steffen Cost und verweist stolz auf die 12 752 Zulassungen aus 2015 – das beste Ergebnis aller Zeiten.