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Old Shatterhand trifft Captain Future: So modernisiert Nissan den Pick-Up

Published in motosound.de

Schluss, aus, vorbei! Wenn man Jamie Maclean mit dem Vorwurf vom Pick-Up als dem ewigen Dinosaurier unter den Autos kommt, dann reagiert der sonst so zurückhaltenden Engländer ziemlich aufbrausend. Denn Maclean ist als Produktplaner bei Nissan mitverantwortlich für die Entwicklung des neuen Navara und angetreten, den Ruf des Raubeins gründlich zu reparieren. Er hält den Pick-Up zwar nach wie vor für das Schweizer Messer unter den Autos, weil keine andere Fahrzeuggattung so viele Bedürfnisse befriedigen muss. „Doch die Zeit der Kompromisse ist vorbei“, sagt der Entwickler mit Blick auf die jüngste Generation des Pritschenwagens, die im Januar zu Preisen ab 26 795 Euro in den Handel kommt: Nur weil der Navara so viel schleppt wie ein Transporter und sich so tapfer durch den Schlamm wühlt, wie ein Geländewagen, muss man deshalb künftig nicht mehr auf Glanz und Gloria und vor allem nicht auf ein bisschen Komfort verzichten, verspricht der Stratege.

Dafür haben die Japaner ihre 80 Jahre lange Erfahrung von 14 Millionen-Pick-Ups mit dem Know-how als europäischer Marktführer bei den modernen Cross-Over kombiniert und das „beste aus zwei Welten“ zusammen geführt: Als würden Old Shatterhand und Captain Future geneinsame Sache machen, ist der Navara über dem nach wie vor schier unverwüstlichen Leiterrahmen deshalb nicht viel mehr als ein etwas zu groß geratener Qashqai, bei dem die Kofferraumklappe vergessen wurde. Das erkennt man nicht nur am stark konturierten Karosseriedesign und dem üppigen Chromschmuck im Grill, sondern auch am relativ vornehmen Ambiente und vor allem der Ausstattung. Nicht umsonst ist der Navara der erste Pick-Up mit LED-Signatur, schlüssellosem Zugangssystem und einem Round-View-Monitor, der das Auto beim Rangieren aus der Vogelperspektive zeigt und selbst ein Dickschiff von fünf Metern im Parkhaus halbwegs handlich macht. Sogar die elektronische Notbremse haben die Japaner aus ihre zivilen Geländewagen übernommen.

Aber am deutlichsten wird der Kuschelkurs für die Cowboys der Neuzeit beim Fahren: Wo andere Pick-Ups bisweilen bockig sind wie Wildpferde, die noch niemand so richtig eingeritten hat, pflegt der Navara eine betont kultivierte Gangart. Nicht umsonst hat ihm Macleans Truppe eine neue Hinterachse mit mehrlenker-Aufhängung und Schraubfedern spendiert, die dem bisherigen Hoppelkurs ein wirkungsvolles Ende bereitet. Selbst unbeladen bügelt der Navara sauber über Bodenwellen, stuckert nicht mehr und erspart einem so machen Termin beim Physiotherapeuten. Dazu noch die bessere Geräuschisolierung und der neue 2,3-Liter-Diesel – schon hat man vergessen, dass man überhaupt in einem Pick-Up sitzt und entdeckt den Navara als würdigen Nachfolger des Patrol, der bei uns nicht mehr angeboten wird.

Auch unter der wuchtigen Haube feiert Nissan eine Hightech-Premiere und montiert dort einen Diesel, den es erstmals im Segment auch als Doppelturbo gibt. Angeboten mit 160 oder 190 PS, braucht der Motor bis zu 24 Prozent weniger als der Vorgänger und kommt im besten Fall mit 7,0 Litern aus: „Als wir vor fünf Jahren den kleinen Juke gebracht haben, hat der kaum weniger verbraucht“, rückt Maclean diesen Wert ins rechte Licht. Und dabei fühlt man sich im Navara nicht untermotorisiert. Zumindest nicht, so lange die Pritsche leer und nicht mit der maximalen Zuladung von einer Tonne bepackt ist. Dann entfalten die 450 Nm eine ziemlich imposante Wirkung und wuchten das Dickschiff in gut zehn Sekunden Sekunden von 0 auf 100 km/h. Und wer nur lange genug auf dem Gas bleibt, schafft bis zu 184 Sachen – auch da ist der Navara näher am Lifestyle-SUV als am Lastkraftwagen.

So fortschrittlich sich der Navara bei Ausstattung und Antrieb gibt, so wenig Kompromisse machen die Japaner bei der Arbeitsleistung des Pick-Ups. Im Gegenteil. Nach wie vor auf einem schier unverwüstlichen Leiterrahmen aufgebaut, schleppt der Pritschenwagen auch künftig rund eine Tonne und kann je nach Aufbau mit Einzel- oder Doppelkabine jetzt sogar bis zu 3,5 Tonnen an den Haken nehmen. Und falls das Terrain mal etwas schwieriger wird, gibt es selbstredend wieder einen zuschaltbaren Allradantrieb.

Für Jamie Maclean markiert der Navara den nächsten Schritt zur Adelung des Pick-Ups als Alltagsauto – und einen wichtigen Ritterschlag hat er dabei bereits bekommen. Denn Nissan verkauft den Pick-Up nicht nur selbst und ab 2017  erstmals auch über die Konzernschwester Renault. Sondern sogar Mercedes interessiert sich für die Plattform und baut darauf zum Ende des Jahrzehnts den ersten eigenen Pritschenwagen im Premium-Segment.