VW Amarok V8 Passion: Spurten statt schleppen
Um die Kurve wuchten, den Blinker setzen, den Gasfuß ans Bodenblech heften, in den Spiegel schauen und auf eine laaange Lücke warten – es gibt Autos, mit denen machen Autobahnauffahrten mehr Spaß als mit dem VW Amarok. Es sein denn, man sitzt im aktuellen Dienstwagen von Volker Kahle. Zwar steuert auch er einen Pick-Up aus Hannover. Doch wenn der Projektleiter des VW-Umrüsters Dirks auf die A 7 einschwenkt, fährt der Pritschenwagen wie auf Schienen durch die enge Kurve, wenn er aufs Gas steigt, macht der schwarze Laster einen Satz nach vorn, und wenn er den Fuß nicht schnell genug wieder lupft, ist man schon auf der linken Spur und klebt genervt am Kofferraum irgendeiner verschlafenen Luxuslimousine, die mit 220 Sachen den Verkehr aufhält. Denn Kahle sitzt nicht in irgendeinem Pick-Up. Sondern 410 PS und 930 Nm machen sein schwarzes Monster zum wahrscheinlich stärksten Amarok der Welt. Bislang noch ein Einzelstück auf der letzten Abstimmungsfahrt, will er damit zum Jahresende all jene solventen Großstadt-Cowboys beglücken, die bei einem Pick-Up an Lust statt Last denken und lieber spurten als schleppen wollen. Davon gibt es offenbar mehr als gedacht: Seit das Trumm seine Weltpremiere auf dem Genfer Salon hatte, steht Kahles Telefon nicht mehr still. Und mittlerweile hat er aus den vielen Fans schon 30 ernsthafte Interessenten herausgefiltert, die auf eines von maximal zwölf Autos im Jahr warten wollen – selbst wenn der „V8 Passion“ zwischen 180 000 und 200 000 Euro kosten soll.
„Wir sind auf der Suche nach anderen Geschäftsfelder und wollen uns mal ein bisschen beim Tuning umschauen,“ erklärt Kahle die Idee hinter dem Lustkraftwagen. Denn normalerweise rüstet die Dirks-Gruppe als Subunternehmer von VW Behördenfahrzeuge um, baut Streifen- oder Krankenwagen und kämpft: „Es sollte ein Auto sein, an das sich bislang noch kein anderer Tuner heran getraut hat.“ Zwar verkauft VW selbst für den Pritschenwagen mehr Extras als für die meisten anderen Modelle, weil der Lastwagen mittlerweile bei der Lifestyle-Fraktion angekommen ist. Doch mehr als ein 180 PS-Diesel war bei den Niedersachsen nicht zu bekommen. Und mit dem kann bei aller Liebe von Fahrspaß so recht keine Rede sein.
Bei Kahles Dienstwagen sieht das ein bisschen anders aus. Schon beim Anlassen drehen die Passanten die Köpfe, wenn aus den von der Hitze angelaufenen Sidepipes ein tiefes Grollen ertönt, als rolle gerade ein Gewitter heran. Beim Ampelspurt beißen Tiguan-Fahrer vor Zorn ins Lenkrad ihrer Luxusschleuder, weil sie hilflos zusehen müssen, wie das Dickschiff in 6,0 Sekunden von 0 auf 100 schießt. Und auf der Autobahn blickt man im Rückspiegel des Vordermanns immer wieder in erschrockene Gesichter, weil so ein Laster auf der linken Spur eigentlich nichts zu suchen hat – erst recht nicht mit 240 km/h.
Möglich werden diese spektakulären Fahrleistungen durch eine ziemlich abgedrehte Organspende vom anderen Ende der Modellpallette: Wo in der Serie ein magerer Zweiliter-Vierzylinder dieselt, dröhnt jetzt der 4,2 Liter große V8-TDI aus dem Touareg, der beim Kooperationspartner MTM in der Nähe von Ingolstadt noch beim Bodybuiling war. Statt 340 PS und 800 Nm stehen deshalb jetzt nämliche 410 PS und 930 Nm im Datenblatt und machen den Amarok zum Super-SUV mit erweitertem Einsatzgebiet.
Aber Dirks und MTM haben es nicht beim Motortuning, dem entsprechenden Update für die Achtgang-Automatik und neuen Bremsen im Format Familienpizza belassen. Sondern sie haben auch das Fahrwerk überarbeitet und die Blattfedern an der Hinterachse gegen eine Luftfeder ausgetauscht und den Amarok so zu einem überraschend komfortablen Reisewagen gemacht. Wo das Original den rustikalen Raufbold gibt, der sich für keine Last zu schade ist und dafür unbeladen gerne mal ein bisschen polterig wirkt, gleitet der „V8 Passion“ jetzt fast so locker und lässig über die linke Spur wie ein Touareg. Warum aussteigen? Ist doch schon gemütlich hier – und es müssen ja nicht immer 240 sein.
Dass man diesen Lastwagen als pure Lust empfindet, liegt aber nicht allein an der verschwenderischen Motorleistung. Sondern auch sonst haben die Umrüster an nichts gespart: Die Sitze sind mit feinem Alcantara bezogen und mit bunten Nähten dekoriert, im Cockpit funkeln die Lüsterdüsen aus dem Audi A3, die Haltegriffe sind Silikongedämpft wie im Audi A8 und vom schwarzen Lederhimmel strahlen die Leselampen aus dem Skoda Superb. Nur vom Armaturenbrett selbst schaut einem noch das dröge Hartplastik des Serienmodells entgegen. Aber auch das will Kahle bis zum Produktionsanlauf noch ändern. Und zwar zum Nulltarif. „So viel Service muss schon drin sein“, sagt der Projektleiter. „Erst recht bei einem 200 000 Euro-Auto.“
Original: Blog | MOTOSOUND