Ferrari California T: Maranello setzt wieder auf Turbo-Power
Ferrari biete den Kunden – nach mehr als zwanzig Jahren Turboabstinenz – jetzt wieder ein Auto mit Lader an. Es ist geradezu ein Tabubruch, denn nachdem die Marke gut zwei Jahrzehnte lang die Vorteile von Saugmotor und Hochdrehzahlkonzept predigte, schert sie nun ein in den allgemeinen Downsizing-Trend und stellt den überarbeiteten Ferrari California künftig mit Turbomotor auf die Räder. „Wir müssen mit der Zeit gehen und können nicht mehr die Augen verschließen vor den CO2-Grenzwerten “, sagt Marketing-Chef Nicola Boari.
Was nach Bescheidenheit klingt, ist im Grunde das genaue Gegenteil. Zwar schrumpft der Hubraum des V8-Benzindirekteinspritzers von vormals 4,3 auf nun 3,9 Liter, doch zugleich klettertdie Leistung von 490 auf 560 PS und das maximale Drehmoment macht einen riesigen Sprung von 505 auf 755 Nm. Im Gegenzug sinkt der Durchschnittsverbrauch um 15 Prozent auf 10,5 Liter je 100 Kilometer. Soweit die Theorie, jedoch auch in der Praxis liegen Welten zwischen den beiden Aggregaten: Der Turbo spricht ähnlich spontan an wie der Sauger, prügelt den immerhin knapp 1,8 Tonnen schweren Zweisitzer jetzt aber mit einer Vehemenz nach vorn, wie man sie eher von einem Supersportwagen erwartet hätte.
Ja, man kann mit dem California auch weiterhin entspannt über eine sanft geschwungene Küstenstraße cruisen und hat dabei dank einer neuen, längeren Übersetzung des siebten Gangs dabei mehr Ruhe und obendrein eine größere Reichweite. Und nein, man wird dem Sportmodell 458 Italia auch künftig nicht folgen können, weil dieses Auto – besonders in der verschärften Variante Speciale -einfach noch stärker, leichter und handlicher ist. Doch an Rasanz mangelt es dem Turbo-California deshalb nicht: Von 0 auf 100 geht in 3,6 Sekunden (bislang 3,8 Sekunden), 11,2 Sekunden vergehen bis Tempo 200 danach lässt sich immer weiter rasen bis zur Höchstgeschwindigkeit von 316 km/h. Garniert wird das mit rasend schnellen Gangwechseln. Und einem exzellenten Fahrverhalten, das durch den tieferen Schwerpunkt aufgrund des etwas tiefer positionierten Motors nun noch präziser ist.
Von einem Turboloch ist nichts zu spüren. Und auch auf die Ferrari-typische, faszinierende Klangkulisse muss man nicht verzichten. Die ganz hohen, kreischenden Töne hat der California zwar nicht mehr im Repertoire, dafür jedoch tiefere Bässe. Nach wie vor reichen also ein Kavalierstart, zwei, drei Gangwechsel, ein Zwischenspurt und 500 Meter auf einer gewundenen Landstraße, dann schaltet man die Musikanlage ab und lauscht lieber der große italienischen Oper aus den vier Endrohren. „Nicht zuletzt der Sound macht einen Ferrari aus“, sagt Motorenentwickler Vittorio Dini.
Die Kunden wird es freuen. Und sie können die Arbeit des Laders sogar auf einem neuen Display zwischen den Lüftungsdüsen verfolgen, das man wie eine Outdoor-Uhr per Fingertipp auf den Chromkranz steuert. Die Controller hingegen werden Signore Dini und sein Team öfter mal verflucht haben. „Wir waren selbst überrascht wie kompliziert und teuer es war, einen Turbo zu entwickeln, der einem Ferrari gerecht wird“, sagt der Ingenieur mit Blick auf den extrem aufwändig konstruierten Lader, der unter anderem einen aus drei Teilen gefertigten Krümmer mit identisch langen Abgaskanälen erfordert. Vor diesem Hintergrund ist es fast schon bescheiden, dass der Preis des California T im Vergleich zum Vorgängermodell um lediglich 3000 Euro klettert und künftig bei 183.499 Euro beginnt.
Dafür erhält man ein rundum modernisiertes Auto, bei dem zum Beispiel sämtliche Karosserieteile bis auf das versenkbare Hardtop modifiziert und neu modelliert wurden, so dass der California T ein wenig schlanker wirkt und sich noch straffer auf die Straße duckt. Und neue eine Software für Fahrwerk, Lenkung, Getriebe und die Regelsysteme gibt es auch. Das Navigationssysteme allerdings ist auch nach dem Wechsel des Lieferanten allenfalls mäßig, das Verdeck zwingt den Ferrari-Fahrer auch künftig für fast 20 Sekunden in den Stillstand wenn es geöffnet oder geschlossen werden soll, und die Liste der Assistenzsysteme ist sehr kurz für ein Auto, das mit Typen wie einem BMW M6 Cabrio, einem Mercedes SL 63 AMG oder einem Porsche 911 Turbo konkurriert.
Dass die Turbotechnik von der Ferrari-Kundschaft goutiert wird, dürfte klar sein. Der California ist bislang mit mehr als 10.000 Zulassungen in den vergangenen fünf Jahren das mit Abstand erfolgreichste Einzelmodell der Marke; zugleich hat es die wohl tolerantesten Kunden des Hauses. Motorenentwickler Dini begründet das so: „70 Prozent der California-Käufer kommen schließlich von anderen Marken und haben vorher nie einen Ferrari besessen.“
Original: Blog | MOTOSOUND