Open Menu
Open Menu
 ::

Caterham Seven 165: Im siebten Himmel

Published in motosound.de

Die nackte Kanone: Der Caterham besteht aus nicht viel mehr als Rädern und Motor.

Vier Räder, zwei Sitze, ein Motor und ein paar Alu-Bleche – mehr Auto braucht kein Mensch. Zumindest nicht, wenn er damit sportlich und schnell um die Kurven fliegen will. Keiner hat das besser verstanden als Colin Chapman, der Gründer von Lotus. Lange bevor seine Ingenieure den Sportwagen Elise auf die Räder stellten, entwickelte er bereits 1957 nach diesem Prinzip das Modell Super Seven – eine rasende Zigarre für Straße und Rennstrecke, die es mit Blick auf ein paar Schlupflöcher in der britischen Steuergesetzgebung auch als Bausatz zu kaufen gab. Zwar verlor Chapman schon bald die Lust an diesem Auto, und bei Lotus wurde die Produktion in den siebziger Jahren eingestellt, doch Firmen wie Caterham sei dank, lebt die Legende weiter. Obwohl das Auto aussieht wie von gestern und sich – abgesehen von den stetig modernisierten Motoren – an der Grundkonstruktion nur wenig geändert hat, fährt man im Seven nach wie vor mit Vollgas in den siebten Himmel.

Dafür braucht es in dem offenen Zweisitzer gar nicht viel. Das aktuelle Einstiegsmodell Seven 165 kostet 23.795 Euro und leistet fast schon lächerliche 80 PS – dennoch stiehlt man damit jedem Porsche die Schau. Nicht nur, weil einem alle Blicke sicher sind. Sondern auch, weil sich kaum ein anderes Auto so direkt, so unmittelbar, so sportlich anfühlt wie der spartanische Feger aus England. Kein Wunder, bei einem rekordverdächtigen Leergewicht von 490 Kilo.

Klein aber gemein: Drei Zylinder und 660 Kubik reichen völlig, wenn das Auto nur 490 Kilo wiegt.

Das geringe Gewicht erreichen die Briten übrigens nicht durch Karbon oder andere Hightech-Materialien, sondern durch eine Karosserie aus Aluminium und Kunststoff über einem Rahmen aus Gitterrohren und vor allem eine ganz alte Tugend: Verzicht. Denn jedweden Luxus hat sich Caterham einfach gespart. Das beginnt bei Dingen wie Radio oder Airbags und reicht bis weit unter die Motorhabe – schließlich fährt der nach seinem Leistungsgewicht in „PS pro Tonne“ benannte Seven 165 mit einem vergleichsweise mickrigen Dreizylindermotor, der samt Hinterachse und Fünfganggetriebe von Suzuki stammt. Doch in einem Auto wie diesem fühlen sich selbst ein Bonsai-Motor mit 660 Kubikzentimeter, 80 PS und 107 Nm Drehmoment an wie eine Rennmaschine. Wer in 6,9 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigt, fühlt sich wie am Steuer eines Supersportwagens und die 161 km/h Spitze kommen einem vor, als müsse man gleich durch die Schallmauer knallen.

Aber so schnell will man ohnehin nicht fahren, und das hat natürlich nichts mit dem Verbrauch zu tun. Der liegt auf dem Prüfstand bei 4,9 Litern und lässt sich in der Praxis selbst bei mutwilliger Raserei nicht in zweistellige Bereiche treiben. Auf Tempoeskapaden verzichtet man in diesem Auto, weil alles über 100 Sachen mangels jeglicher Elektronik und einer praktisch nicht vorhandenen Knautschzone einer unnötigen Mutprobe gleicht. Außerdem gehe es bei diesem Auto nicht um die Höchstgeschwindigkeit, sagt der Hersteller, sondern um das Gefühl für die Fahrbahn, den Spaß in den Kurven und die Verbindung zwischen Fahrer und Fahrzeug, die enger kaum sein könnte – kein Wunder, bei diesem Format.

Grüße von gestern: Der Seven sieht aus wie ein Oldtimer, ist aber fabrikneu.

Es braucht deshalb schon ein bisschen Mut und mehr noch Geschick für den Umgang mit dem Seven. Das beginnt schon beim Einsteigen: Über die niedrigen Seitenschweller läuft man einfach drüber, aber in die Sitze hilft einem bei diesem Einbaum auf Rädern nur die Schwerkraft. Der Weg zu den Pedalen erinnert an den Versuch, mit beiden Füßen gleichzeitig durch ein Hosenbein zu steigen. Und sitzt man endlich im Auto, ist man dem Wind und den Blicken der anderen Verkehrsteilnehmer fast schutzlos ausgeliefert.

Vor allem im Stadtverkehr ist es ein ungewohntes Gefühl, wenn man wie in einer Badewanne ohne Wasser im Autostrom mitschwimmt und sich geradezu nackt und schutzlos vorkommt. Doch sobald die Verkehrsdichte nachlässt, kann der Genuss beginnen: Dann lässt der Seven Mensch und Maschine eins werden und macht jede Landstraße zur Lustmeile. Als hätten die Reifen magnetische Kräfte, klebt der Caterham in der Kurve und erlaubt Geschwindigkeiten, von denen man diesseits des Motorrades nur träumen kann. Aber selbst wenn der Fahrtwind die Mundwinkel noch so weit nach hinten zerrt und die Endorphine bei Vollgas Rumba tanzen, sollte man sich ein bisschen zusammenreißen. Erstens sieht ein glückseliges Dauergrinsen einfach dämlich aus, und zweitens bekommt man auf diese Art vor allem an lauen Sommerabenden reichlich Fliegen zwischen die Zähne.

Original: Blog | MOTOSOUND

Related Items from Catalogue Show Related