McLaren 650 S: Some like it hot
Stillstand ist Rückschritt. Niemand weiß das besser als ein Formel-1-Team, das während der Saison jedes Wochenende aufs Neue um Sekundenbruchteile kämpft. Und wenn dieses Team einen Straßensportwagen baut, wird auch an diesem Auto so lange geschraubt, gefeilt und getunt, bis es wieder ein bisschen schneller und stärker ist als zuvor. Deshalb ist es kein Wunder, dass McLaren jetzt ein Update des Modells 12C bringt – zumal der Feger aus England inzwischen drei Jahren auf dem Markt ist und bereits mehr als 3000 Mal verkauft wurde. Mit den technischen Neuerungen wird auch ein neuer Name eingeführt. Statt 12C steht künftig das Kürzel 650 S auf den Flanken der Karosserie. In diesen Tagen rollen die ersten neuen Modell zu den Händlern – zu einem Preis ab 231.500 Euro das Stück – das sind etwa zehn Prozent Aufschlag gegenüber dem Preis des bisherigen 12C.
Der Name des vor allem auf das Konkurrenzmodell Ferrari 458 Speciale zugeschnittenen McLaren-Renners ist Programm: Die Ziffer 650 stehen für die Motorleistung, die der in den Grundzügen bekannte 3,8 Liter große V8-Turbomotor im Heck des Wagens entwickelt. Das sind 25 PS mehr als bisher. Und der Buchstabe S steht ganz einfach für Sport.
Geprägt wird das neue Modell nicht so sehr vom Leistungszuwachs – schon der 12C war extrem stark –, und auch der Drehmomentanstieg von 600 auf 678 Nm ist nicht das wirklich Entscheidende. Sondern die spürbaren Neuerungen sind vor allem die stramme Straßenlage, das kompromisslose Fahrwerk, die buchstäblich richtungsweisende Lenkung und die bissigen Karbonbremsen. An diesen Details wird der Unterschied deutlich. Während man den McLaren bislang auch mit ruhiger Hand und stetem Puls führen konnte, verlangt der 650 S nach kurzen Zügeln und wachen Sinnen. Zu verführerisch gut liegt er auf der Straße, zu lange haftet er auch in der engsten Kurve auf der Ideallinie und zu schnell kommt er im Ernstfall zum Stehen, als dass man nicht versucht wäre, immer näher an den Grenzbereich heranzufahren. Und zwar nicht an den des Autos, sondern jenen der eigenen fahrerischen Fähigkeiten.
Garniert wird das Ringen um Selbstbeherrschung mit Messwerten, die einem auch beim Benzingespräch am Tankstellen-Tresen in den Mittelpunkt rücken: Von 0 auf 100 in 3,0 Sekunden, 200 km/h nach 8,4 Sekunden und ein Spitzentempo von 333 km/h – da wird es auch der Überholspur schon ziemlich einsam. Und selbst in Sachen Umweltverträglichkeit ist der Wagen kein Totalausfall. Den offiziellen Durchschnittsverbrauch von 11,7 Liter je 100 Kilometer kann man zwar vergessen, doch ein bisschen sparsamer als das Vorgängermodell ist auch dieses Auto geworden. Dank Leichtbau, geschmiedeten Felgen und serienmäßigen LED-Scheinwerfern sinkt der CO2-Ausstoß gegenüber dem 12C um 5 Gramm pro Kilometer.
Möglich wird der Ritt auf der Rasierklinge nicht allein durch das Tuning für Motor und Fahrwerk, sondern die McLaren-Ingenieure haben auch an der Aerodynamik gefeilt. Der neue Bug produziert deutlich mehr Abtrieb und der riesige Heckflügel entwickelt jetzt ein segensreiches Eigenleben. Er stellt sich nicht nur – je nach Geschwindigkeit – in unterschiedlichen Winkeln auf, um den Wagen zu stabilisieren. Sondern beim Bremsen oder wenn das Heck auf einer Kuppe zu leicht wird, drückt er sich mit seiner vollen Breite in den Wind und wirkt so wie ein kleiner Bremsfallschirm. Und sobald man auf der Geraden schnell genug aufs Gas tritt, klappt er zusammen, reduziert so den Luftwiderstand und schenkt dem Fahrer jene Hundertstel-Sekunde, die den Extra-Kick ausmacht.
Dabei ist der Lockruf der Leistung nicht zu überhören. Der V8 liebt Drehzahlen und dankt es dem Fahrer mit einem großen Konzert in allen erdenklichen Tonlagen. Er brüllt nicht einfach nur, er faucht und bläst, grollt und gurgelt und macht insgesamt ein Spektakel, dass man nicht eine Sekunde daran denkt, das Radio anzuschalten. Und solange es das Wetter auch nur irgendwie erlaubt, bleiben das Dach oder zumindest die Fenster offen. In der offenen Spider-Variante lässt sich sogar die Heckscheibe separat versenken.
Supersportvarianten bestehender Modelle sind natürlich nichts Neues. Auch McLaren-Hauptkonkurrent Ferrari hat mit dem 458 „Speciale“ erst kürzlich die passende Vorlage geliefert. Doch McLaren rühmt sich, das Spiel noch ein bisschen weiter zu treiben. Denn erstes haben die Briten beim 650 S jedes vierte Bauteil verändert oder ausgetauscht; zweitens haben sie das Design überarbeitet und drittens nutzen sie die Vorzüge der Karbonkarosserie: Weil die um bis zu 25 Prozent steifer ist als ein Alu-Chassis, gibt es für 23.500 Euro Aufschlag das schon erwähnte Spider-Modell. Das bietet kein anderer Wettbewerber in dieser Klasse.
Original: Blog | MOTOSOUND