Kia mit Elektroantrieb: Soul mit reiner Seele
Korea gibt sich grün: Weil es für den Weg an die automobile Weltspitze auch ein ökologisch akzeptables Image braucht, investieren Hyundai und Kia mit Nachdruck in ihre Öko-Flotte. „Wir sind schon heute ein wichtiger Spieler auf dem automobilen Weltmarkt“, sagt Kia-Manager Thomas Oh nicht ohne Stolz. „Und jetzt wollen wir auch bei den umweltfreundlichen Autos an die Spitze.“ Während die Schwestermarke Hyundai dabei auf die Brennstoffzelle setzt und die Konkurrenz im vergangenen Sommer mit dem Serienstart eines Brennstoffzellen-SUVs düpierte, baut Kia auf Akku-Autos und schickt als erstes E-Mobil aus Korea im kommenden Sommer einen elektrisch angetriebenen Soul ins Rennen.
Der Kleinwagen ist zwar auf den ersten Blick ein Nachzügler und unterscheidet sich vom Soul mit herkömmlichen Antrieb außerlich lediglich durch eine dezent geglätteten Frontpartie, den blaue Zierelemente und aerodynamisch optimierte Felgen. Eine aufwändige Karbon-Konstruktion a là BMW i3 gibt es ebenso wenig wie ein eigenständig entwickeltes Auto. Kia will dagegen mit dem ersten E-Auto der Marke mit einem praktischen Wert punkten. Die Entwickler versprechen eine in dieser Klasse bislang noch nicht dagewesene Reichweite: „Mehr als 200 Kilometer mit einer Akkuladung“, stellt Projektleiter Chi Hgeon Hwang in Aussicht.
Möglich macht das eine Lithium-Ionen-Polymer-Zelle im Wagenboden, die 27 kWh Speicherkapazität aufweist – deutlich mehr als jene von Konkurrenzmodellen. Zwar wiegt die von einem koreanischen Zulieferer hergestellte Batterie 282 Kilo und treibt das Fahrzeuggewicht auf mehr als 1,5 Tonnen, doch sei ihre Energiedichte viel höher, lobt Hwang: „Gegenüber unserem wichtigsten Konkurrenten Nissan Leaf haben wir einen Vorteil von 40 Prozent mehr Energie pro Kilo Akku.“ Außerdem haben die Ingenieure an vielen weiteren Stellschrauben gedreht, um ein paar Kilometer zu gewinnen: Die Klimaanlage zum Beispiel nutzt eine Wärmepumpe, der Akku wird stets optimal temperiert und die Lüftung im Wagen lässt sich so einstellen, dass nur besetzte Plätze auch vom Luftzug umweht werden.
Mit der Größe der Batterie wachsen üblicherweise auch die Einschränkungen und es steigt der Preis. Zu letzterem schweigt Kia noch beharrlich aus. Doch Kompromisse wegen des großen Akkus sind praktisch keine nötig. Weil der Stromspeicher im Wagenboden platziert ist, schmälert er weder den Innen- noch den Kofferraum. Durch eine intelligente Ladetechnik sollen zudem die Standzeiten an der Steckdose schrumpfen. An einem normalen Haushaltsanschluss dauert es rund fünf Stunden, bis der Akku wieder geladen ist. „Zugleich sind wir einer der ganz wenigen Hersteller, die eine 100-kW-Schnellladung zulassen“, sagt Projektleiter Hwang. „Damit sind die Akkus schon nach 25 Minuten zu 80 Prozent gefüllt. So schnell wieder startklar ist kein anderes E-Auto.“
Die angekündigte Reichweite ist konkurrenzlos und bei der Ausfahrt wirkt der Soul wie die allermeisten Elektro-Autos: Giftig in der Stadt und gemütlich über Land. Denn in Fahrt bringt den Seoul ein vergleichsweise magerer E-Motor mit 81 kW und 285 Nm. Der hat zwar beim Ampelstart ordentlich Biss, wird aber spätestens hinter dem Ortsschild ein bisschen kurzatmig und braucht bis Tempo 100 etwa zwölf Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit liegt, auch das eine Maßnahme, um die Reichweite möglichst groß zu machen, bei 145 km/h.
Auch der Fahrer kann Einfluss auf den Aktionsradius nehmen. Durch die Wahl des Eco-Modus mit einem weniger empfindlichen Fahrpedal und einer gedrosselten Klimaanlage oder durch eine besonders starke Rekuperationsstufe für die Energierückgewinnung beim Bremsen. Beides ist – zumindest beim Prototypen – allerdings noch so nah an der Standardstellung, dass die Unterschiede marginal sind und sich die Reichweite kaum ändert. Da müssen die Entwickler bis zum Serienstart im nächsten Jahr wohl noch einmal ran. Und wenn sie gerade dabei sind, dann sollten sie auch den Soundsymposer wieder ausbauen. Denn das Raumschiff-Summen, das zum Schutz von Fußgängern ertönt, klingt nicht futuristisch, sondern einfach nur furchtbar.
Zwar feiert Kia den elektrischen Soul als große Errungenschaft. Doch eigentlich ist der Wagen bereits der zweite Stromer aus Seoul. Denn für den elektrisch bislang noch ziemlich unterentwickelten Heimatmarkt hat Kia bereits vor zwei Jahren den kastigen Kleinwagen Ray zum Batterie-Mobil mit 130 km/h Spitzentempo und 140 Kilometern Reichweite umgebaut. Wurden diese insgesamt 700 Fahrzeuge quasi einzeln an Behörden und Regierungsstellen verteilt, zielt der Soul auf den Massenmarkt rund um den Globus. Immerhin rechnet Kia bis 2018 mit weltweit insgesamt 600.000 Elektroauto-Verkäufen – und will sich von diesem Kuchen ein möglichst großes Stück abschneiden.
Bevor das gelingt, muss allerdings erst einmal der Preis für den Soul ausgetüftelt werden. „Damit tun wir uns ein Jahr vor der Markteinführung in Europa noch ziemlich schwer“, räumt Hwang ein. Die Erfahrungen mit dem Ray sind übrigens keine Hilfe. Denn in Korea kostet der Kleinwagen mit Elektromaschine etwa dreimal so viel wie der Verbrenner. Übertragen auf den Soul wären das statt knapp 15.000 Euro mal eben 45.000 Euro – und das wäre das Ende der Karriere, noch bevor der Stromer mit der reinen Seele überhaupt am Start ist.
Original: Blog | MOTOSOUND