Audi RS6 Avant: Brachial-Bayer im Familienformat
Ein Kombi ist das ideale Auto für Familienväter und Vertreter. Und bisweilen auch für extrem ambitionierte und ebenso wohlhabende Schnellfahrer. Jedenfalls wenn es sich um einen Audi Avant aus der Quattro GmbH handelt. Denn die sportliche Audi-Tochtermarke macht aus den Steilheckautos wahre Renntransporter und bringt jetzt das stärkstes Stück dieser Machart auf den Weg. Ab Mai bieten die Bayern den A6 Avant nämlich in dritter Generation als RS6 an. Der Wagen fährt mit 560 PS sogleich auf die Pole-Position vor der Laderampe. Mit dieser Leistung sticht Audi nämlich die Standardversion des Mercedes E 63 AMG aus. Und BMW hat ohne M5 Touring in dieser Liga ohnehin nichts zu melden.
Die Kraft dieses Autos mit einem maximalen Ladevolumen von beachtlichen 1680 Liter (bei umgeklappter Rücksitzlehne) entspringt einem V8-Benziner mit vier Litern Hubraum und Doppelturbo. Das Vorgängermodell war zwar mit einem V10-Aggregat ausgerüstet, der mit 5,2 Liter Hubraum und gar 580 PS ins Rennen ging. „Aber bei allen wirklich wichtigen Werten liegt der neue Motor deutlich vorn“, sagt Projektleiter Thomas Zimmermann.
Das maximale Drehmoment zum Beispiel ist mit 700 Nm fast zehn Prozent höher als beim Vorgängermodell, den Sprint auf Tempo 100 schafft der Kombi nun in 3,9 Sekunden, und dass die 250 km/h nur eine Formalität sind, entdeckt man spätestens in der Aufpreisliste. Dort stehen für 4900 Euro ein “Dynamic-Paket” mit einer Freigabe bis 280 km/h und für gewaltige 12.900 Euro ein “Dynamikpaket plus”, das sogar 305 km/h erlaubt und nebenbei noch einen Satz Keramikbremsen enthält.
Das neue V8-Triebwerk ist auch in Sachen Effizienz dem bisherigen Motor überlegen. Dank Zylinderabschaltung, der um knapp 100 Kilo leichteren Karosserie und einer Start-Stopp-Automatik verbraucht er mit 9,8 Litern im Schnitt gut 20 Prozent weniger als der Vorgänger.
Der Motor ist aber bei einem RS-Modell nur die halbe Miete. Damit die Kraft auch sicher auf die Straße gelangt, gibt es einen etwas hecklastig ausgelegten Allradantrieb, standfestere Bremsen, eine schärfer gestellte Lenkung und ein strammeres Fahrwerk. Zum ersten Mal arbeitet die Quattro GmbH dabei mit einer Luftfederung, die so programmiert ist, dass sich der Kombi zwei Zentimeter tiefer auf die Straße duckt. Wem das nicht reicht, der bekommt gegen Aufpreis aber auch ein Stahlfahrwerk mit Schraubenfedern mit adaptiven Dämpfern.
Dieses Fahrwerk macht einen ausgesprochen guten Job. Bei der flotten Landpartie über gewundene Nebenstraßen lastet der große Achtzylinder zwar schwer auf der Vorderachse und bringt die Federung ordentlich ins Schwitzen. Doch wirkt der RS6 spürbar agiler und handlicher als das Vorgängermodell, schneidet sicher durch die Kurven, hält stur die Ideallinie und lässt sich auch dann noch mit dem kleinen Finger führen, wenn die Polizei das flotte Treiben schon längst abwinken würde.
Überraschend ist dabei weniger der Dynamic-Modus, in dem der Motor lauter bollert, die Zwischengas-Fanfaren noch mehr knallen und die Achtgang-Automatik die Gänge noch schneller wechselt. Sondern staunen kann man über den Komfort-Betrieb, in dem sich der Rennwagen geradezu familiär kommod gibt. Beim Rangieren auf dem Parkplatz empfiehlt sich angesichts der Leistung zwar trotzdem ein betont sanfter Umgang mit dem Gaspedal, doch auf der Autobahn ist der RS6 dann so gelassen und gemütlich, dass der Sprinter auch als Dauerläufer taugt.
Dazu gibt es ein Design, mit dem der Avant wirkt wie nach einem Anabolika-Cocktail: Die Front ist weit aufgerissen, hat riesige Nüstern und mit den aufpreispflichtigen Designpaketen einen markanten Quattro-Schriftzug im Lufteinlass, die Motorhaube wölbt sich stärker, die Kotflügel spannen sich straff über die wuchtigen 21-Zöller und das Heck ist beinahe furchteinflößend breit und tief.
Mehr Dynamik als je zuvor, ein neues Fahrwerk, ein Design mit Wow-Faktor und ein Innenleben wie im Fitness-Studio – das alles gibt es natürlich nicht zum Nulltarif. Sondern mit einem Grundpreis von 107 900 Euro und einer Aufpreisliste vom Format einer Illustrierten ist der RS6 Avant schnell teurer als der R8. Aber er hat ja auch zwei drei Sitze mehr und bietet den größeren Kofferraum.
Der stattliche Preis ist für den Erfolg des Kraftmeiers offenbar kein Hindernis. Vom Vorgänger jedenfalls hat Audi rund 5 500 Exemplare verkauft – und die meisten davon waren Kombis. Daraus ziehen die Bayern jetzt die Konsequenz und nehmen die RS6-Limousine aus dem Programm. Doch deshalb schließen sie Amerikaner und Chinesen noch lange nicht aus. Im Gegenteil: Vor allem für sie gibt es als elegante Alternative zum Renntransporter in ein paar Wochen die gleiche Technik im RS7.
Original: Blog | MOTOSOUND