Mercedes Ener-G-Force: Science Fiction statt Steinzeit
Totgesagte leben länger. Viel länger sogar. Denn obwohl mancher Kritiker der Mercedes G-Klasse schon vor zehn Jahren keine Zukunft mehr attestierte, gibt es den Klassiker unter den deutschen Offroadern noch immer – und zwar schon seit 1979. In dieser Zeit hat sich der Urvater der Stuttgarter Geländewagen so fest in die Erinnerung der PS-Gemeinde eingegraben, dass die eckige Form mittlerweile als unantastbar gilt und jeder Mercedes-Designer in den letzten 30 Jahren einen Bogen um den kantigen Koloss machte. Doch jetzt reißen die Schwaben den SUV-Saurier aus der Steinzeit und zeigen zum ersten Mal, wie sie sich die Zukunft der G-Klasse vorstellen.
Für die LA Design Challenge, einen Kreativwettbewerb im Umfeld der Los Angeles Motorshow, haben die Designer die Studie Ener-G-Force auf die Räder gestellt. Dafür wird die G-Klasse zu einem monströsen Big-Foot, der als Superjeep mit Ballonreifen und imposanter Bodenfreiheit wohl auch die wildesten Abenteuer in Wüste, Dschungel oder Arktis bestehen würde. Von Ecken und Kanten müssen sich die Fans des Klassikers allerdings verabschieden, denn die G-Klasse der Zukunft hat stark konturierte Bleche und erlaubt sich sogar ein paar muskulöse Rundungen. Und wo sie heute noch ein hoch aufragendes Passagierabteil hat, ist das so genannte Greenhouse der Studie flach wie bei einem gechoppten Tuning-Modell.
Doch Erkennungsmerkmale wie der beinahe rechteckige Kühlergrill, die Positionsleuchten oben auf den Kotflügeln, das gerade Dach, die eckigen Radkästen und die strenge Fenstergrafik bleiben ebenso erhalten wie das außen angeschlagene Ersatzrad – selbst wenn daraus jetzt eine ausziehbare Toolbox für das Expeditionswerkzeug wird.
Weil die Juroren der Design-Challenge eigentlich einen Streifenwagen für das Jahr 2015 gefordert haben und die zivile Variante der G-Klasse-Studie erst später ins Spiel gebracht wurde, hat der modernisierte Saurier jede Menge Science-Fiction-Technik an Bord: Terra-Scan zum Beispiel. So nennen die Entwickler jenes Radar- und Videosystem, das vom Dach aus das Terrain sondiert und den Dienstwagen von Captain Future mit individuellen Anpassungen an Fahrwerk und Federung sicher über Stock und Stein führt. Oder den Hydro-Tech-Converter. Er produziert Wasserstoff aus Brauchwasser, mit dem Mercedes eine Brennstoffzelle betreibt und so an Bord den Strom für die vier elektrischen Radnabenmotoren generiert, mit denen der Ener-G-Force bis zu 800 Kilometer ohne Schadstoffausstoß fahren kann.
Natürlich ist der Ener-G-Force nur eine Fingerübung. Und Designchef Gordon Wagener findet die Studie so überzeichnet, dass niemand ernsthaft mit einer Umsetzung rechnen dürfte. Andererseits sagt er aber auch, dass aus dem Showcar sehr wohl mal ein richtiges Auto werden könne und die Form als Vorbild für kommende Geländewagen von Mercedes dienen solle. Denn neben betont modischen und eher sportlichen Allradlern, sieht er auch eine Flotte von 4×4-Modellen, die durchaus wieder etwas kerniger, rustikaler und verwegener aussehen dürfe. Und dann sagt er noch etwas, was vielleicht die wichtigste Botschaft für die Fans des G-Modells ist. „Die Studie zeigt, dass der Klassiker eine Zukunft hat und wir den Faden weiterspinnen werden.“ Die Angst um das Aussterben des Dinosauriers ist also unbegründet. Denn Totgesagte leben länger.
Original: Blog | MOTOSOUND