Bentley Continental GT Speed: Der neue Rekordhalter
Ein Sportwagen mit einem Gewicht von 2,3 Tonnen? Das ist ungefähr so, als würde ein Sumo-Ringer plötzlich zum 100-Meter-Sprint antreten. Bei Olympia wäre das allenfalls eine Lachnummer. Doch auf der Straße wird den Platzhirschen von Lamborghini oder Ferrari das Lachen bald vergehen, wenn sich ab November im Rückspiegel der neue Bentley Continental GT Speed breit macht. Denn dieses Auto ist ein echter Renner, und austrainiert bis in die Spitzen: Ein sechs Liter großer Zwölfzylindermotor mit 625 PS Leistung und 800 Nm Drehmoment lässt das enorme Gewicht vergessen und den Luxusliner davon stürmen wie einen Leichtathleten nach einem Anabolika-Cocktail. Nicht umsonst ist er mit 330 km/h das schnellste Serienmodell in der Bentley-Geschichte.
Schon der normale Continental GT ist keine Spaßbremse. Aber mit zusätzlich 50 PS und 100 Nm bieten die Briten solventen Gentleman-Racern eine Kombination aus Luxuslimousine mit fast schon barocker Opulenz und Supersportwagen mit Rennstreckensehnsucht, die ziemlich einzigartig ist: Lange Autobahnetappen mit Reisegeschwindigkeiten weit jenseits von 200 km/h nimmt man mit diesem Gran Turismo locker und entspannt auf sich – und kurvigen Landstraßen sieht man mit einem Lächeln entgegen.
Natürlich lässt sich die Physik nicht vollends überlisten. Aber ein hecklastig ausgelegter Allradantrieb, ein tiefer gelegtes Fahrwerk mit Dämpfern, die ihre Leistung in wenigen Sekundenbruchteilen den Gegebenheiten anpassen, Bremsen, bissig wie der Hund von Baskerville und natürlich 625 PS sowie dem zweier Turbos tun ihr Bestes, um das Gesetz von der Trägheit der Masse auszuhebeln. Und das machen sie richtig gut: Nicht wie ein Luxusdampfer in schwerer See, sondern sauber und präzise wie eine Rennyacht beim Admirals Cup schneidet der Bentley durch die Kurven und wirft sich wacker der Fliehkraft entgegen. Klar quietschen dabei mal die fetten Reifen auf den imposanten 21-Zoll-Rädern, und das vornehme Grummeln des Zwölfzylinders weicht im Sportmodus einem wütenden Grollen. Dennoch wirkt der Continental GT Speed beim Ritt durchs Hinterland so distinguiert und kultiviert wie James Bond, der selbst im übelsten Getümmel noch Smoking trägt.
So viel Spaß die Landpartie mit dem Luxusliner auch macht, nichts geht über den Kick beim Kickdown auf einer langen Geraden: Schneller als ein Jumbojet beim Start wirft der Bentley dann seine ganze Masse nach vorn und hat schon nach 4,2 Sekunden Tempo 100 erreicht. Nach neun Sekunden steht die Tachonadel bei 160 und danach geht der Vortrieb immer weiter. Das erfordert erhöhte Aufmerksamkeit im Cockpit – gerade weil das Auto die Schnelligkeit beinahe mühelos aus dem Motorraum schüttelt. Erst jenseits von 300 km/h bewegt sich die Tachonadel wieder so langsam, dass das Auge folgen kann. 310, 315, 320, 330 km/h – wer lang genug die Nerven behält, fährt in diesem Auto selbst Supersportwagen wie dem Ferrari F12 oder dem neuen Aston Martin Vanquish davon. Und wem das an Adrenalin noch nicht reicht, der sollte bei sehr hoher Geschwindigkeit einmal beherzt auf die Bremse treten. Die packt nämlich so fest zu, dass man Mühe hat, nicht gegen die Frontscheibe zu prallen. Es ist der nackte Wahnsinn, wie der Biss in die riesigen Keramikscheiben die Fuhre zum Stehen bringt.
Man kann derartige Erfahrungen auch in einem Mercedes CL 65 AMG oder einem Audi S8 machen, doch für Bentley ist der GT Speed nicht nur eine sportliche Sonderserie. „Beim Vorgänger kam diese Variante auf einen Verkaufsanteil von 50 Prozent. Da kann man kaum mehr von einem Nischenmodell sprechen“, sagt der neue Bentley-Chef Wolfgang Schreiber, und hofft, dass es auch künftig so kommen wird. Nicht nur, weil Bentley mittlerweile der größte Zwölfzylinderhersteller der Welt ist und das auch in Zeiten des Downsizings bleiben möchte. Sondern auch, weil er an jedem Continental GT Speed noch einmal 20.000 Euro mehr verdient als am normalen Modell. Denn der Speed ist nicht nur der schnellste Bentley aller Zeiten, sondern mit 204.561 Euro auch der teuerste Continental in der Geschichte. Aber dafür gibt es ja schließlich auch zwei Autos in einem.
Original: Blog | MOTOSOUND