Mercedes G 65 AMG: Ölscheich für einen Tag
Man wird ja wohl noch träumen dürfen. Zum Beispiel von unermesslichem Reichtum, einer Wüste vor der Haustüre und einer eigenen Ölquelle im Garten. Viel weniger wird kaum reichen, wenn in diesem Traum auch der neue Mercedes G 65 AMG eine Rolle spielen soll. Denn man muss schon Ölscheich oder russischer Oligarch sein, um überhaupt einen Gedanken an das erste Zwölfzylindermodell in der Geschichte der G-Klasse zu verschwenden.
Nicht nur, dass G 65 AMG im Vergleich zum auch nicht gerade billigen G 63 fast doppelt so viel kostet, nämlich 264.180 Euro. Damit wird die Fuhre mit Abstand zum teuersten Modell in der Mercedes-Preisliste. Sondern wenn schon beim Anlassen so viel Sprit in die Zylinder rauscht, wie ein Smart auf den ersten 100 Kilometer benötigt, und bereits der Normverbrauch bei 17 Litern liegt, kann eine Direktleitung zur nächsten Raffinerie nicht schaden.
Wenn dieser Traum jedoch nur für ein paar Stunden wahr wird, erlebt man am Steuer des G 65 eine Art der Fortbewegung, die mit Mechanik und Mathematik allein kaum mehr zu erklären ist: Obwohl der Dinosaurier in steter Ignoranz des Luftwiderstands gestaltet wurde und schon unbeladen gut 2,5 Tonnen wiegt, lässt er sich so leichtfüßig bewegen wie ein übermotorisierter Kleinwagen. Wenn zwölf Zylinder stampfen, 612 Pferde traben und 1000 Nm Drehmoment am Asphalt reißen, macht sich selbst so ein Riese scheinbar ganz, ganz klein.
Schon eine leichte Berührung des Gaspedals reicht aus, damit der Jumbo unter den Geländewagen davon schießt wie ein Jet: Nur kurz scharren die Reifen am Asphalt, durch die Karosserie geht ein leises Zittern – dann bricht sich der G seine Bahn: In nur 5,3 Sekunden katapultiert sich der Koloss auf Tempo 100. Natürlich ist jeder echte Sportwagen schneller, und selbst einem ML 63 schaut man beim Ampelspurt nur hinterher. Doch auf dem blechernen Hochsitz des G-Modells fühlt sich eine derartige Beschleunigung an wie Warp-Geschwindigkeit, von Vollgas ganz zu schweigen.
Wer nicht spätestens jetzt den Gasfuß lupft, bringt Gewissen und Führerschein in ernsthafte Gefahr. Es presst einen in den Sitz wie einen Jetpilot beim Start. Das gelassene Brabbeln des V12 schwillt an zu einem wütenden Schrei nach Schnelligkeit, Und der G jagt voran, als würden seine Kräfte nie versiegen. Erst bei 230 km/h haben die Ingenieure einen Riegel vorgeschoben, weil sie selbst dem verstärkten Fahrwerk, den größeren Bremsen und vor allem den 275er Walzen auf den 20-Zoll-Felgen nicht mehr zumuten wollen. Außerdem tobt der Fahrtwind dann so heftig um die metallene Hütte, dass man sein eigenes Wort kaum noch versteht. Aber egal wie wild der Sturm auch ist: Zumindest das innere Ohr hört stets das Rauschen des Sprits, der mit dem Getöse der Niagarafälle in die Brennkammern flutet.
Zwar feiert Mercedes den Geländewagen als den Gipfel unter den G-Modellen und rühmt ihn als leistungsstärkstes SUV unter der Sonne. Doch wie in 1001 Nacht nehmen es die Schwaben da mit der Wahrheit nicht ganz so genau. Denn eigentlich gebührt diese Ehre dem Brabus-Chef Bodo Buschmann, der mit seiner Tuningfirma bereits vor ein paar Jahren einen V12-Motor in den kantigen Bug des Klassikers klemmte und es natürlich nicht bei den Eckdaten des Werksmotors beließ. Der Hubraum dieses Brabus G V12 S wurde auf 6,3 Liter aufgebohrt. Deshalb kommt Bodos Ballermann auf eine Leistung von 700 PS, das maximale Drehmoment läge bei 1320 Nm, wird jedoch bei 1100 Nm abgeregelt und bei Vollgas rennt der Koloß 240 km/h.Vor allem ist der Wagen mit einem Preis von knapp 500.00 Euro so teuer, dass selbst der G 65 AMG dagegen wie ein Schnäppchen wirkt. Zumindest bis der Wecker klingelt und der Traum vom Ölscheich ein jähes Ende findet.
Original: Blog | MOTOSOUND