Mercedes A-Klasse: A wie Anders
Schluss, Aus, Ende, vorbei: Mercedes mottet das Hochdachkonzept in der Kompaktklasse ein und fängt noch mal von vorne an. Auf dem sprichwörtlich weißen Blatt haben die Schaben deshalb die neue Generation der A-Klasse gezeichnet und dem ersten Buchstaben im Alphabet eine neue Bedeutung gegeben. „A wie Angriff“, sagt Firmenchef Dieter Zetsche gerne, weil er endlich mit Audi A3 und BMW Einser gleichziehen möchte. Aber man könnte auch A wie anders sagen. Denn mit dem Vorgänger hat die A-Klasse nur noch so wenig gemein, dass die Schwaben sogar lange über einen neuen Namen nachgedacht haben. Der ist zwar am Ende geblieben. Doch was da Mitte September zu Preisen knapp unter 24 000 Euro zu den Händlern rollt, ist keine biedere Blechbüchse für praktisch veranlagte Besserverdiener oder für rüstige Rentner mehr. Sondern aus dem Golf Plus mit Stern ist ein jugendlicher Verführer geworden, mit dem man bei entsprechender Motorisierung uns Ausstattung tatsächlich so sportlich fahren kann, wie das Auto aussieht.
Die A-Klasse ist 16 Zentimeter flacher geworden und will aus jeder Blickrichtung gefallen. Klar wirkt sie bisweilen ein bisschen überdreht, und die Flut der Ausstattungslinien und Pakete hat nur noch wenig von der Ruhe und Stilsicherheit, die man bislang von Mercedes kannte. Aber das Auto fällt auf und fängt die Blicke, als wäre es eine Messestudie, freut sich Designchef Gorden Wagener. Außer dem SLS gibt es derzeit kaum einen Mercedes, mit dem man so viel Staat machen kann. „Dabei reden wir hier über ein Modell aus der Kompaktklasse, und keinen Supersportwagen.“
Wer seinen Blick von der A-Klasse fangen lässt, der sieht ein schnittiges Steilheck, das seine Nase weit in den Wind reckt und vor allem mit dem eigenwilligen Grill des AMG-Stylingpakets ungewohnte Akzente setzt. Man sieht muskulöse Flanken mit einer ausgeprägten Schulter und ein Heck, das so breit und satt auf der Straße steht, wie man es sonst vielleicht beim Porsche Cayenne erwartet hätte. Gleichzeitig geht das Auto deutlich in die Länge: War bislang knapp unter vier Metern Schluss, stehen jetzt 4,29 Meter im Fahrzeugschein. War bislang knapp unter vier Metern Schluss, stehen jetzt 4,29 Meter im Fahrzeugschein.
Weil der Sandwich-Boden gestrichen wurde, ist das Auto nicht nur flacher und hat einen niedrigeren Schwerpunkt. Sondern man sitzt vor allem deutlich tiefer und bekommt damit endlich wieder ein besseres Gefühl fürs Auto. Man sitzt nicht mehr auf, sondern im Sessel, was Mercedes mit einem Integralsitz noch unterstreicht, blickt wieder gerade auf die Straße und freut sich schon auf den ersten Gasstoss. Den Preis für die schmucke Form zahlen allerdings die Hinterbänkler: Zwar sind Knie- und Kopffreiheit in Ordnung. Aber beim Einstiegen muss man sich jetzt schon ziemlich klein machen, weil die Türen stark angeschnitten sind. Wem das zu unbequem und der Kofferraum mit 341 Litern zu klein ist, dem gibt Designchef Wagener eine einfache Empfehlung: „Kaufen Sie doch eine B-Klasse“. Die fährt zwar mittlerweile auch auf der neuen Plattform, ist aber trotz neuem Design und noblerem Ambiente im Grunde ganz die Alte. Nur dummerweise ist sie halt auch 2 000 Euro teurer.
Auch die A-Klasse ist teurer geworden. Und wer nur genügend Kreuzchen auf der Ausstattungsliste macht, kommt schnell in die Preisregionen der E-Klasse. Doch dafür bietet sie auch fast alle Assistenzsysteme aus der Oberklasse, ihr Interieur ist liebevoller gestaltet und nobler ausgeschlagen als in der aktuellen C-Klasse und das Infotainment-System macht sie zum iPhone auf Rädern: Man kann nicht nur mit Google Navigieren und im Internet surfen, sondern auch ein ganze Reihe von Apps nutzen und seine sozialen Netzwerke pflegen.
Unter der Haube beginnt ebenfalls eine neue Zeit: Jetzt, wo die Motoren nicht mehr zur Hälfte im Sandwichboden verschwinden, gibt es eine komplett neue Motorenfamilie, die ihren Weg auch in andere Baureihen finden wird. Die zunächst drei Benziner und zwei Diesel sind nicht nur bis zu 26 Prozent sparsamer als früher. Immerhin ist der kleinste Diesel nun mit 3,8 Litern zufrieden. Sondern vor allem wird die A-Klasse stärker Denn wo bislang schon bei 136 PS Schluss war, reicht die Palette nun vom A 180 CDI mit 109 PS bis zum A 250, der mit stolzen 211 PS und einem Spitzentempo von 240 km/h in der Liste steht. Und da ist der gerade avisierte A 45 AMG mit rund 340 PS noch gar nicht mitgezählt.
Die A-Klasse sieht nicht nur frischer aus, sie fährt auch so. Mit der niedrigeren Sitzposition, dem tieferen Schwerpunkt und einem sportlicheren Fahrwerk eifert sie redlich der Konkurrenz aus Bayern nach. Klar tut sich ein Fronttriebler schwer, dem an der Hinterachse angetriebenen Einser BMW die Schau zu stehlen. Doch war die letzte A-Klasse vor allem auf der Landstraße bestenfalls ein Blutdrucksenker, taugt die neue mit Sportfahrwerk und Doppelkupplung durchaus als Pulsbeschleuniger. Vielleicht fast sogar zur stramm abgestimmt, schneidet sie willig durch die Kurven, vermittelt ein gutes Gefühl für die Fahrbahn und verlockt zu einer flotteren Fahrweise, als es Verbrauch uns Verkehrsmoral zuträglich ist.
Doch bei allem Respekt vor dem großen Sprung, den Mercedes bei der Fahrt durch den Jungenbrunnen gemacht hat, waren die Schwaben am Ende nicht einmal konsequent genug: Denn im Vergleich zur Konkurrenz fehlt zum Beispiel eine verstellbare Dämpfung oder eine schaltbare Lenkunterstützung. Und wenn es schon die praktische B-Klasse gibt? Warum braucht die A-Klasse dann überhaupt noch zwei Türen zum Fond?
Dennoch ist Mercedes ein guter Wurf gelungen. Und wenn der vielleicht nicht an Audi und BMW vorbei führt, fahren die drei deutschen Nobelhersteller jetzt zumindest wieder auf Augenhöhe. Und zum ersten Mal hat Mercedes in diesem Segment ein Auto, das auch Menschen mit einem moderneren Geschmack anspricht. Einer davon ist Designchef Gorden Wagener selbst, der als einer der ersten Kunden einen A 250 als neuen Dienstwagen bestellt hat. Für den Nachweis der Jugendlichkeit reicht das allerdings noch nicht. Zwar hat Stilführer dafür sogar seinen SLK 55 AMG eingetauscht. Doch gehört er eigentlich schon nicht mehr so recht zur Zielgruppe. Denn auch der jüngste Designchef unter den deutschen Herstellern ist bereits Mitte 40.
Original: Blog | MOTOSOUND