Ferrari California: Beachboy beim Bodybuilding
Was das VW Golf Cabrio für die Zahnarztfrau, das ist der Ferrari California für die Millionärsgattin – zumindest in den Augen der Kritiker. Denn bei aller Leistung und Leidenschaft, die jedem Auto aus Maranello innewohnt, war den Spöttern das Cabrio mit den beiden Notsitzen im Fond und dem Klappdach über dem Haupt immer eine Spur zu barock, zu brav und zu behäbig. Aber damit ist jetzt Schluss. Denn nach drei Jahren haben die Italiener den sonnigen Beachboy zum Bodybuilding geschickt und den Wagen mit einem strammen Trainingsprogramm ordentlich nachgeschärft. Schon das Standardmodell, das in diesen Wochen zu nur marginal veränderten Preisen ab 180.600 Euro in den Handel kommt, bringt jetzt 30 Kilo weniger auf die Waage und punktet dafür mit 30 PS mehr Leistung. Und wem das noch immer nicht genug ist, dem verkauft die Scuderia für gut 5000 Euro extra noch ein so genanntes „Handling-Speciale“-Paket, das mit der strammeren Abstimmung wie eine extra Trainingseinheit wirkt.
Zwar wirkt der fast schon lasziv gezeichnete Luxusliner noch immer ein wenig speckig, wenn er sich mit 1,7 Tonnen mühsam an die Ideallinie klammert und die Reifen quietschend vom Kampf mit dem Reibungsverlust künden. Doch jetzt, wo die Elektronik der Dämpfer doppelt so schnell reagiert wie früher, alle Aufbaubewegungen der Karosserie weitgehend ausgeglichen werden und die Lenkung den Wagen schon mit dem kleinsten Einschlag in die Kurve zwingt, wirkt selbst die Luxusyacht auf einer kurvigen Landstraße so sportlich, wie man es von einem Ferrari erwartet.
Auf der Geraden war an der Performance des California schon bislang nichts auszusetzen, und nach der Modellpflege ist die Längsdynamik nur noch besser geworden. Dank eines neuen Abgaskrümmers und einer geänderten Elektronik hat der 4,3 Liter große V8 jetzt 490 statt 460 PS und auf einem noch breiteren Band noch mehr Drehmoment: Erst bei 505 Nm gipfelt die Kurve, die nicht spitz ist wie das Matterhorn sondern hoch und breit wie der Kilimandscharo.
Sobald man den Direkteinspritzer mit dem feuerroten Startknopf auf dem Lenkrad zum Leben erweckt und mit den Wippen dahinter den ersten von sieben Gängen des Doppelkupplungsgetriebes einlegt, kennt der California kein Halten mehr. In nur 3,8 Sekunden schnellt der Wagen auf Tempo 100. Und wer danach den Gasfuß tapfer stehen lässt, merkt an der zunehmen zerzausten Haarpracht, wie der laue Sommerwind zu einem Orkansturm auffrischt. Denn ein Ende findet der Rausch des Rasens erst bei 312 km/h. Dosiert wird das Adrenalin dabei fast wie im Formel-1-Rennwagen mit dem beinahe legendären Manettino. Jener kleine Drehschalter am Lenkrad regelt den Charakter des Getriebes und den Spielraum der elektronischen Stabilitätskontrolle und macht den California so per kleinem Dreh vom Gleiter zum Fighter.
Mindestens so beeindruckend wie die Beschleunigung ist die Klangkulisse des Achtzylindermotors. Wie der Dirigent mit dem Taktstock dirigiert der Fahrer mit dem Gasfuß ein Orchester von vier Endrohren, acht Zylindern und 32 Ventilen, das mal kehlig schnorchelt, mal heißer rasselt und dann plötzlich wieder laut kreischt oder wütend brüllt – und damit selbst die kürzeste Ausfahrt zum Ohrenschmaus macht.
Während man einen solch scharfen Ritt sonst meist nur im technokratischen Ambiente eines automobilen Sportstudios genießen kann, in dem das Auge über dunkles Wildleder, blankes Aluminium und schwarz glänzendes Karbon gleitet, verwöhnt Ferrari die Genießer unter den Schnellfahrern in einer Luxuslounge. Wie in einer Nobellimousine sitzt man auf bequemen Sesseln, die trotzdem ein bisschen mehr Seitenhalt bieten, streicht mit den Fingerkuppen sanft über weiche Tierhäute und kühlt schweißnasse Hände am massiven Raumteiler aus Aluminium.
Doch bei aller Liebe zum Luxus gibt es ein paar Details, die den Italienern offenbar durchgegangen sind. Aber wen juckt das schon? Dass man im Fond beim besten Willen nicht sitzen kann, das darf man dem California nicht vorwerfen, weil das beim BMW M6 oder beim Porsche 911 auch nicht anders ist. Dass das Verdeck nur quälend langsam und vor allem nur im Stand funktioniert, ist auch nicht weiter schlimm. Denn wer einen Ferrari fährt, der ist längst auf der Sonnenseite des Lebens angekommen und muss sich über Regenwolken keine Gedanken mehr machen. Und selbst schlampig vernähtes Leder im Fond, das Knistern im Gebälk der Kunststoffhaube und die paar Schalter aus der Grabbelkiste von Fiat stören nicht wirklich. Denn letzten Endes zeugen all diese Dinge von jenem Schlendrian, der uns die Autos aus Italien im Grunde so sympathisch macht.
Original: Blog | MOTOSOUND