Open Menu
Open Menu
 ::

Rolls-Royce Phantom Series II: Der Grandseigneur aus Goodwood

Published in motosound.de

Palast auf Rädern: Schon der wuchtige Pantheon-Kühlergrill flößt Respekt ein - und dann geht es fast sechs Meter so weiter.

Rund 7000 Exemplare in neun Jahren – viel mehr als die Verkaufszahlen des Phantoms braucht es nicht, um die erfolgreiche Renaissance von Rolls-Royce zu belegen. Während das Comeback von Maybach kläglich scheiterte und die alte Schwester Bentley noch immer rote Zahlen schreibt, ist Rolls-Royce unter der Regie von BMW längst wieder dort angekommen, wo die Mutter aller Luxusmarken nach eigenem Verständnis auch hingehört – nämlich ganz oben.

Zwar verkauft die Marke heute schon dreimal so viel Autos vom Typ Ghost, doch zu verdanken haben die Briten die imposante Rückkehr dem Phantom, der 2003 als erstes Modell unter bayerischer Flagge aufgelegt wurde und von Rolls-Royce ohne jede Spur von Arroganz als „bestes Auto der Welt“ gefeiert wird. Kein Wunder, dass sich die von Crewe nach Goodwood umgezogene Manufaktur Zeit gelassen hat mit der Modellpflege. Erst nach neun Jahren, einem Alter, in dem bürgerliche Autos längst zum alten Eisen zählen, haben die Briten das Flaggschiff jetzt etwas aufgefrischt und sind dabei so behutsam vorgegangen, dass man die Unterschiede eigentlich nur an den jetzt serienmäßigen LED-Scheinwerfern und im Innenraum am neuen Navigationsmonitor erkennt. Die neue  Achtgang-Automatik zum Beispiel spürt man nicht, weil schon das alte Sechsstufengetriebe so dezent die Gänge wechselte. Und dass der Wagen jetzt rund zehn Prozent mehr Sprit verbraucht? Wer mehr als 400.000 Euro für ein Auto ausgibt und das Tanken ohnehin meist dem Personal überlässt, der hat wahrscheinlich noch nie auf den Verbrauchsrechner geschaut.

Luxus in Lack und Leder: Schöner und gediegener als hier kann man kaum in einem Auto sitzen.

7000 Exemplare in neun Jahren – das ist zwar kein schlechtes Ergebnis. Aber auf unseren Straßen bleibt ein Rolls-Royce natürlich dennoch ein absoluter Exot, den man eher im Kino oder im Klatschmagazin als im echten Leben zu Gesicht bekommt. Wer den Wagen allerdings einmal gesehen hat, wird ihn kaum mehr vergessen. Denn schon auf den ersten Blick macht der Brite deutlich, dass Größe durchaus etwas Relatives ist: Mit einer Länge von 5,83 Metern und einer Höhe von 1,63 Metern degradiert er selbst den wuchtigen BMW 7er zum Normalo und ragt aus dem Verkehr heraus wie der Buckingham Palace aus der Londoner Stadtansicht.

Ob man im Phantom am besten vorne links oder hinten rechts sitzt, ist vor allem eine Frage des persönlichen Geschmacks. Denn der Wagen ist für den Fahrer wie für die Passagiere gleichermaßen ein Genuss. Vorn thront man hinter einem spindeldürren Lenk- oder besser Steuerrad und ist Herr über einen flüsterleisen Zwölfzylinder mit 6,75 Litern Hubraum, 460 PS und soliden 720 Nm Drehmoment. Das sind Kräfte, die man früher zurecht als „ausreichend“ gelobt hätte, und die einem auch heute noch beeindrucken. Trotz Alukarosse wiegt der Wagen rund 2,5 Tonnen, dennoch reichen weniger als sechs Sekunden für den Spurt auf Tempo 100. Und dass der mit Luft gefederte  Luxusliner bei 240 km/h die Höchstgeschwindigkeit erreicht, ist auch kein Schaden.

Maschinenraum: Den Platz für den V12 nur "Motorraum" zu nennen, wäre fast schon ein Frevel.

Wer das Steuer aus der Hand gibt und durch die gegenläufig angeschlagenen Türen fast aufrecht in den Fond tritt, wird für den Verzicht auf die Führungsrolle mit einem wahrhaft königlichen Salon belohnt, dessen wahre Größe sich erst in den vielen Kleinigkeiten zeigt: So wird das Holz im ganzen Fahrzeug so verarbeitet, dass die Maserung spiegelbildlich zu sehen ist. Die Gitter der Lüftung sind aus dem vollen Metallblock gefräst. Hinter den Leuchten schimmert der Kunststoff wie geeistes Kristallglas. Für die Polster mussten 16 Rinder ihre Haut zu Markte tragen. Die Klimaanlage wird auch heute mit Schaltern, die denen von Orgelzügen ähneln, bedient. Und für den Londoner Nieselregen sind in den Türen Schirme mit versilberten Griffen verborgen.

Und: im Fond reisen die Passagiere nicht auf Sesseln, sondern auf einer Chaiselounge, die weit um die Schultern herum gezogen ist, und die Insassen zu einer untadelig aufrechten, ja majestätischen Sitzposition erzieht. Lümmeln soll man gefälligst in anderen Autos, obwohl es an Beinfreiheit im Phantom nun wirklich nicht mangelt. Kritisieren könnte man vielleicht die vergleichsweise kleinen Seitenfenster, doch andererseits dient das – neben den elektrisch bedienbaren Vorhängen – der Privatsphäre.

Schlanker Schluss: Gemessen an der üppigen Front wirkt der Phantom von hinten fast zierlich.

BMW hat die Zeit mit Rolls-Royce nicht nur genutzt, um die Marke zurück an die Spitze zu führen und mit dem Phantom den Maßstab für automobilen Luxus neu zu definieren. Sondern Bayern und Briten haben aus dem Monolithen mittlerweile eine feine Familie gemacht. Neben der normalen und der verlängerten Limousine gibt es auch noch ein famoses Coupé und als Luxusyacht auf Rädern auch ein Cabriolet. Technisch sind die Fahrzeuge identisch, charakterlich allerdings grundverschieden. Für welchen aus dem Quartett sollen sich die Kunden entscheiden? Vor dieser Frage stehen die Rolls-Royce-Kunden jedoch gar nicht. Firmenchef Torsten Müller-Ötvös sagt: „Wer sich nicht entscheiden kann, der kauft einfach mehrere Autos.“

Original: Blog | MOTOSOUND

Related Items from Catalogue Show Related