Sonderklasse, Smart-Klasse, Smørrebrød-Klasse*?
Ein Gast-Plädoyer für das bessere Zweitfahrzeug
Fuenfkommasechs.de-Groupie und Kraftfahrzeug-Gourmet Martin “Aero” Rudolph schrieb uns gerade folgendes ins Gästebuch und ins Gewissen, bezogen auf den Verkauf meines kleinen “Beiboots” zu Gunsten einer W211-E-Klasse:
Herr Schlörb, lassense das mal bleiben! So etwas verkauft man nicht. E-Klassen mögen zwar ineressante Autos sein, aber ob sie mehr Spaß machen als der Kleine? Und falls aus welchen Gründen auch immer (beliebt sind hier regelmäßig gewachsene Transportanforderungen familiärer Natur) etwas viersitziges mit angemessenem Gepäckabteil gefordert sein sollte: dann hätte ich auch eine Idee. Wie hört sich zum Beispiel das an: Hochmoderner 2,3 Liter Turbo mit 225 bis (je nach Software) 265 PS und eindrucksvollem, eimem großen V8 ähnlichem Drehmomentverlauf, jedoch ohne dessen Durst: auf der Langstrecke bei Richtgeschwindigkeit mit 7,5 Litern fahrbar. Außerst bequeme, langstreckentaugliche Ledersportsitze, Einzelsitze hinten, Tempomat, Klima, Sitzheizung, je nach Ausstattung Kopfhörerbuchsen in der Rückbank, so daß man vorne Verkehrsfunk und hinten Benjamin Blümchen hören kann; überaus reichlich vorhandene (wen auch nicht so üppige wie im SEL) Beinfreiheit. Tadellos auch die Verarbeitungsqualität: Auf einem Niveau mit der schwäbischen oder bayrischen Konkurrenz - unbestätigten Gerüchte zufolge stammen die verkleidungen aus dem Airbuswerk Laupheim. Abegrundet mit einem riesigen, praktisch geschnittenen und durch niedrige Ladekante und Heckklappe einfach zu beladenen und auch für sperrige Güter wie Waschmaschinen, Sofas oder Kinderwagen geeigneten Kofferraum, der sich durch Umlegen der Rückbank auf über 1500 Liter erweitern läßt. In Sachen Sicherheit auch keine Kompromisse: Der Wagen galt lange als sicherstes Auto seiner Klasse. Skandinavischen und nordamerikanische Versicherungsstatistiken, die tatsächliche Schadensverläufe abbilden, brachten ihm den Ruf des sichersten Autos auf der Straße. Verpackt in unkonventionellem, aber typisch skandinavischem Design in bester Tradition des form-follows-function, oder anders: es sieht gut aus, weil es Sinn hat. Weit ab von z.B. Volvos Legosteinfetischismus überzeugt der Wagen mit der Aesthetik der reduzierten Linie, mit zurückhaltender Eleganz, die aus bewußter Abkehr der Konventionen gespeist wird. Herr Schlörb, ich präsentiere das am weitestens unterbewerte Fahrzeug des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts: den Saab 9000 aero. Eine Kombination aus Design, Nutzwerk und Sportlichkeit, die auch über 10 Jahre nach Produktionsende noch ihresgleichen sucht. Mal ganz im Ernst: mit etwas Suche findet sich für 4- bis 5k€ ein sehr gut erhaltenes Exemplar aus den letzten Baujahren. Rechnet man die auch hier gelegentlich erforderliche gebrauchtwagentypische Reparaturreserve hinein, so ist man dennoch noch weit unter dem Kaufpreis eines jeden Neu- oder jungen Gebrauchtwagens, bei nahezu identischem oder sogar höherem Nutzwert. Und schließlich: es ist kein Massenfahrzeug. Ein Auto ist immer auch (wenn auch zumeist unbewußte) Kommunikation: die Wahl des Fahrzeuges sagt meistens mehr über den Fahrer aus als dieser selbst. Nach Deinem bisherigen Autogeschmack würdest Du erstens mit einem Massengefährt nicht glücklich - und zweitens würde es auch nicht so recht zu Dir passsen. Unabhängigkeit, Freiheit, Eigensinn, Verantwortung. Entdecke den Norden. Entdecke Saab.
Und nachträglich per eMail:
In der Hoffnung, mit diesem kleinen Denkanstoß einen Beitrag zum Erhalt des Beibootes geleistet zu haben verbleibe ich mit freundlichem Sternengruß,
Martin
*Anm. des Webmasters zur gewählten Überschrift: ja doch, Smørrebrød ist dänisch, nicht schwedisch wie Saab, und das “ø” gibt es im Schwedischen erst recht nicht, aber: Alliteration geht hier vor Allgemeinbildung!
** Martins eigenes Sternenschiff der Größe 560 in 904 dunkelblau. War der nicht auch schon mal jüngst kurz vorm Verkauf, Martin?
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