30 Jahre Mercedes W126 MOPF – eine Zeitreise zur IAA im Jahr 1985
Unglaublich, aber jetzt ist der Moment wirklich gekommen – die ersten Modelle der so genannten 2.Serie der BR 126, auch gerne als MOPF bezeichnet (Modell-Pflege steht bei Daimler traditionell für Facelift), werden dieser Tage 30 Jahre alt.
Grund genug heute mal ein Experiment zu versuchen und uns in folgende Situation zu versetzen – wir bekommen das übliche Pressematerial, einen Text und ein paar Fotos vorab und versuchen daraus einen Artikel zu schreiben. Ganz so wie es vor einer guten Woche beim neuen S-Klasse Cabriolet (A217) der Fall gewesen ist. Also als wären wir Blogger bereits im Jahr 1985 in der Lage gewesen für euch von solch einem Ereignis zu berichten.
Fangen wir an…
Großes passiert derzeit bei Daimler-Benz, man hat es in den vergangenen Monaten schon häufiger in der Fachpresse lesen können und vereinzelt gab es auch bereits Skizzen oder Erlkönigfotos von den neuen großen Wagen aus Stuttgart.
Nun auf der 51. IAA in Frankfurt am Main wird es soweit sein, man schaltet den Spot an und im Rampenlicht stehen die großen Reiselimousinen und Luxuscoupés der S-Klasse (ehemals von Sonderklasse abgeleitet) in einer neuen, modifizierten Aufmachung und werden erstmals der Weltöffentlichkeit präsentiert.Die auffälligsten Änderungen der äußeren Erscheinung kann man an den weiter herunter gezogenen Stoßfängern, der nun glattflächigen Seitenbeplankung und an den aerodynamisch-schlichten Radzierdeckeln bzw. Schmiede-Leichtmetallrädern ausmachen.
Letztere übernehmen nun das Design der Felgen des erfolgreichen Nardò Sport-Mercedes – ihr Erscheinungsbild ist durch die Funktion geprägt – eine so genannte Turbolüftung ermöglicht einen kühlenden Luftstrom für die Bremsanlage an der Vorderachse.Manch Stimme aus dem Konzern lässt vermuten, dass Chef-Stilist Bruno Sacco ein eben solches Erscheinungsbild für die S-Klasse bereits gerne bei ihrer Präsentation im Jahr 1979 gesehen hätte. Doch seinerzeit setzte sich Mercedes-Chef Werner Breitschwerdt durch, er mochte es eher etwas klassischer und so wurden die neuen 126 künstlich gealtert und mehr an ihren Vorgänger W116 angepasst.
Fraglich wäre nun allerdings, wenn das Design von vornherein so schlicht und zeitlos elegant gewesen wäre, was hätte man dann heute auf der IAA präsentieren wollen?Unter dem Blechkleid gibt es genug Veränderungen, viel mehr als man auf den ersten Blick erkennen kann. So wurde z.B. die vordere Bremsanlage modifiziert, sämtliche Motorisierungen verfügen nun über einen 2-Kolben Festsattel mit 300mm innenbelüfteten Scheiben an der Vorderachse. Das dürfte für ausreichend gute Verzögerungswerte sorgen – die V8 Motorisierungen sind sogar serienmäßig mit dem bekannten Antiblockiersystem ausgestattet (für die Sechszylinder erhält man es gegen Aufpreis).An der Hinterachse haben die Ingenieure die Lager des Fahrschemels vergrößert und die Aufhängung des Hinterachsmittelstücks elastisch ausgeführt – beide Maßnahmen reduzieren Schwingungen und Fahrgeräusche die an die Insassen im Fahrgastraum übertragen werden könnten.
Kommen wir auch schon zum wichtigsten Bauteil eines jeden Automobils, dem Motor. Hier hat sich Daimler-Benz nicht lumpen lassen, sämtliche Aggregate sind brandneu oder erst seit kurzer Zeit auf dem Markt.
Erstmals seit Produktionsende der Vorgängerbaureihe 116 gibt es wieder einen Spitzen-Mercedes, ein Flaggschiff aus Stuttgart, einen echten Nachfolger der legendären Typen 450 SEL 6.9 und 300 SEL 6.3 (BR 109).Der neue Spitzentyp des Mercedes-Benz PKW-Programms nennt sich schlicht „560 SEL“ (Lang-Limousine) oder „560 SEC“ (Luxuscoupé).
Vorbei sind also die Zeiten in denen rechts auf dem Heckdeckel prestigeträchtig die Hubraumziffer prangte. Ich bin mir nicht wirklich sicher, glaube aber, dass eine Bezeichnung als Typ 500 SEL 5.6 mehr Eindruck gemacht hätte als 560 SEL.Zumindest angedacht war es zunächst wohl intern, wie dieses uns zugespielte Foto aus der internen Verkäufermappe zeigt. Deutlich erkennt man rechts die Löcher für das Schild der Hubraumkennziffer.Doch neben den neuen starken V8-Typen 420 SE/SEL, 500 SE/SEL und 560 SEL gibt es auch die bereits aus der neuen mittleren Baureihe 124 bekannten Reihensechszylindertypen 260 und 300, jeweils als Einspritzer. Die Zeiten einer Vergaser-Variante als Einstieg in die Sonderklasse sind von nun an ebenfalls vorbei.Dafür gibt es wieder einen klangvollen Typen „300 SE“, das war zuletzt im Jahr 1965 der Fall und wie jeder weiß, ist gerade die Bezeichnung „300“ seit den 1950er Jahren eine ganz besondere für Daimler-Benz.
Ab sofort zieht die Elektronik vermehrt in die Mercedes-Fahrzeuge ein, zum einen wäre hier die neue Bosch KE-Jetronic Einspritzanlage zu nennen. Sie kombiniert die Vorzüge (und Sicherheit) einer mechanischen Anlage mit denen der modernen Elektronik. Gesteuert von einem Micro-Prozessor besteht hier die Möglichkeit einen geregelten Katalysator zur Abgasentgiftung einzusetzen und so die Motoren und Fahrzeuge an sich zukunftssicher zu gestalten – eine generelle Pflicht solcher Anlagen für Neufahrzeuge wird von der Politik seit kurzem nicht mehr ausgeschlossen.
Die Motoren sind allesamt auf den Betrieb mit bleifreien Kraftstoff Super mit 95 Oktan ausgelegt – doch dessen Verfügbarkeit ist auf absehbare Zeit für die Bundesrepublik noch nicht garantiert.Genauso spannend ist der Zuwachs an Elektronik im Innenraum, es gibt viele neue Sensoren die den Fahrer mittels kleiner Warnlichter über eine Unzulänglichkeit informieren. Wie z.B. ein zu geringer Scheibenwaschwasserstand. Auf identische Art und Weise wird sowohl der Kühlmittelstand als auch der Motorölstand überwacht.Der erst vor gut einem Jahr eingeführte vollelektronische Bord-Computer „Reiserechner“ ist auch für die neuen Modelle gegen Aufpreis lieferbar und erleichtert so manchem Geschäftsmann seine Fahrt. Nach Eingabe von der Streckendistanz die es zurückzulegen gilt, zeigt diese Hilfseinrichtung zuverlässig an zu welcher Zeit man den Ort aller Voraussicht nach erreichen wird, lästiges Kopfrechnen entfällt. In einer immer hektischer werdenden Zeit eine große Erleichterung.
Weiter kann sich der Fahrer den aktuell verbrauchten Kraftstoff anzeigen lassen, als Moment- oder Durchschnittsangabe. Praktisch ist darüber hinaus auch die Möglichkeit der Anzeige der Reichweite des aktuellen Tankfüllstands in verbleibenden Kilometern – dies nimmt so manchem Fahrer den Schrecken wenn die Reserveleuchte beginnt zu leuchten und man mit Gewissheit angezeigt bekommt, dass z.B. noch 70 Kilometer verbleiben.
Überhaupt zeigt sich die neue S-Klasse so modern wie noch nie. Der Komfort wurde durch weitere Geräuschdämmmaßnahmen gesteigert, das Fahrverhalten weiter optimiert. Gerade im Bereich der Aerodynamik gab es weiteren Feinschliff, der dazu beiträgt, dass die großen Reisewagen auch bei hohem Autobahntempo eines nie verlieren, die Bodenhaftung.Man gewinnt den Eindruck, dass Mercedes noch länger an diesen Typen festhalten möchte, zukunftssicher für die 1990er Jahre dürften diese Wagen sein. Und dies alles, obwohl man immer wieder Stimmen hört die davon sprechen, dass die Nachfolgetypen der Baureihe 140 im Herbst 1989 debütieren sollen, wieder auf der IAA.
Wir sind gespannt!