15. Silvretta Classic_ Rallye Montafon
Einmal im Jahr werden die Bewohner von Schruns und der umliegenden Dörfer im österreichischen Montafon noch vor dem Glockenläuten von röhrenden Motoren geweckt. Die Silvretta Classic kommt nun schon zum 15. Mal in die Region und lockt 166 Teilnehmer in die Berge, um sich den ausgebufften Sonderprüfungen und den Kurven der Traumstrassen zu stellen. Parallel zur Wertung der Oldtimer findet auch die dritte Silvretta E-Auto Rallye statt, die jedoch mit den 29 Fahrzeugen auf verkürzter Strecke fahren. Bei beiden geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern um Präzision. Vorgegebene Teilabschnitte müssen in exakten Zeiten gefahren werden. Ich war mit dem Team von Mercedes-Benz Classic unterwegs und habe auf den 550 km vielen schönen Momente mit der Kamera einfangen.
Eintreffen der Fahrzeuge und Rallye-Tag 1:
Schon am Mittwochnachmittag kamen die Trucks mit den Museumsfahrzeugen an und wurden vor dem Hotel abgeladen, um für die technische Abnahme mit den Startnummern beklebt zu werden. Das Classic Team hat einen blauen 300 SL Roadster von 1959 und einen ebenfalls blauer 300 SE von 1963 gemeldet. Letzterer hat den großen Straßenpreis von Argentinien 1963 und 1964 gewonnen und ist ein wahrhaftiges Rallyeauto. 195 PS und einen unüberhörbaren Sound! Auch Innen hat er nicht mehr viel mit der Luxuslimousine gemein. Hosenträgergurte, Zusatzinstrumente und Schalensitze, die so tief montiert sind, dass man kaum über die Haube schauen kann. Da hilft der Stern beim Peilen. Auch mit dabei ist ein roter 300SL Flügeltürer eines Kunden. Immer wieder kommen Wanderer vorbei und auch eine ältere Dame gesellt sich dazu und freut sich sehr, einen der Mechaniker vom letzten Jahr wiederzuerkennen. Da durfte sie mal in einen SSK reinsitzten und eine Runde mitfahren. Davon träumt sie heute noch.
Auf den heftigen Regen in der Nacht folgt am nächsten Tag die Sonne und so sind alle gut gelaunt und treffen sich beim Fahrerbriefing und für die Startaufstellung in Partenen. Um 12 Uhr rollt das erste Fahrzeug über die Startrampe und macht sich auf die 102km Etappe. Die 32 Kehren der Silvretta Hochalpenstrasse hinauf zur auf 2037m hoch gelegenen Bieler Höhe. Zahlreich Fans campieren an den schönsten Streckepunkten und erwarten freudig die Renner. Wir müssen alle paar Meter anhalten, weil ich einen noch schöneren Fotopunkt entdecke und dann manches Mal schnell in den Wagen hechten, um einem bestimmten Fahrzeug hinterherzufahren. Die Kurven sind grandios und der Ausblick ein Traum. Oben warten dann sogar auch Kühe und Pferde und es ist praktisch, dass die Teilnehmer für eine Zeitkontrolle anhalten müssen. So kann ich mal kurz um die Szenerie drumrumlaufen. Porsche 356 Speedster, einer von nur zwei existierenden Skoda 1100 OMC 968 Spider, VW Käfer, Jaguar Mk9, Karmann Ghia TC 145 aus Brasilien. Die kommen so schnell nicht mehr zusammen. Und weiter geht’s nach Galtür und Ischgl. Dann dieselbe Strecke zurück mit kurzem Kaffee und Kuchen- Zwischenstopp auf der Bieler Höhe bis zur Zieleinfahrt in Schruns. Gar nicht schlecht der erste Tag und am Abend fahren alle Teilnehmer nochmals den Berg hinauf. Diesmal allerdings mit der Gondel zum Hütt’n Abend auf der Nova Stoba Bergstation.
Rallye-Tag 2:
Heute war früh aufstehen angesagt, denn es ging mit ca. 300km und sechs Alpenpässen auf die längste Etappe. Einen Wecker brauchte ich jedoch nicht, denn unsere Mechaniker holen die Fahrzeuge morgens schon früh mit unüberhörbarem Motorgrollen aus der Garage, um sie vor dem Hotel aufzustellen und fit für den Tag zu machen. Auch der BMW 507 oder der 328 Berlin Rom sind keine Leisetreter.
8 Uhr, Start, Regen. Richtung: Bregenzer Wald. Ich beneide die Roadster Fahrer nicht und bin eigentlich ganz froh mit Dach unterwegs zu sein. Erste Zeitkontrolle im dichten Nebel. Eine ganz unwirkliche Stimmung. Man hätte es für einen Film nicht besser aufbauen können. Die konstanten Wetterkapriolen der ersten Tage lassen mich jedoch Hoffnung auf Besserung schöpfen und tatsächlich kommt während der Mittagspause (um 10:30!!) so etwas wie Sonne zum Vorschein und lässt die umliegenden Wiesen grün leuchten. Fast alle Fahrzeuge sind auf dem großen Parkplatz versammelt und man kann sich einen schönen Überblick über das breite Teilnehmerfeld verschaffen.
Über Warth führt und die Strecke weiter in die Wintersportorte Lech und Zürs. Während in Lech noch einiges los ist, gleicht Zürs einer vernagelten Geisterstadt und am Flexenpass kommt dann auch wieder der Nebel zurück und drückt in die Tunnel rein wie in einer Geisterbahn. Wahnsinn! St Anton, Landeck, Pillerhöhe, Jerzens und Imst folgen. Im Inntal geht es zurück zum Ziel nach Gaschurn.
Rallye Tag 3:
Ein Fahrer ist heute nicht frei und so entscheide ich mich kurzerhand mit dem eigenen Auto zu starten. Gleichwohl muss ich parallel das Roadbook lesen, um nicht vom Weg abzukommen, was etwas kniffelig ist. Dennoch eine gute Entscheidung, denn die Strecke ist wieder vom Feinsten. 150 km geht es durch das Silbertal in Richtung Vorarlberg, Inntal, hoch nach Brand, Rankweil und zurück. Wieder Regen, der sich im Laufe des Tages zu strahlendem Sonnenschein wandelt. Es ist wirklich nicht leicht für die Offenfahrer, sich zwischen Regenkombi und Sonnencreme zu entscheiden. Am Nachmittag hat der Jaguar E-Type Leightweight Lindner Low Drag eine Panne und steht am Staßenrand. Der Gaszug ist gerissen, aber das Problem scheint lösbar. Ich stehe in der Wiese und schaue mir die vorbeifahrenden Oldtimer an. Rauno Aaltonen rauscht mit seinem Mini Cooper S vorbei, eine fette Corvette Stingray, ein Volvo P544, der wunderschöne Alfa Romeo Giulia Sprint Speziale, Lancia Flaminia Supersport Zagato oder ein Mercedes Benz 300 SL. Ich könnte noch ewig weiterschauen, muss aber weiter, sonst verliere ich den Anschluss. Gebummelt wird nicht. Den letzten Teil der Strecke Richtung Bludenz fahre ich hinter einer tollen Gruppierung von Autos her, die recht flüssig unterwegs sind. Unser blauer 300 SL, ein Austin Healey 3000 MK1, Citroen DS Cabrio und ein Porsche 356 A. Es geht leicht bergab, die Strecke ist wunderbar und ich beschließe, dass ich genug Fotos auf den Chip habe und bleibe an der Gruppe dran. In Vandans ist der Zieleinlauf. Er wird mit einem Sonderlauf, dem „Grossen Preis von Vandans“ abgeschlossen. Wieder sind die Zuschauer ganz nah dran und sehr begeistert, den schönen Autos und die erschöpften Fahrer zuzuschauen. Und auch mancher Prominente aus Politik oder Rennsport fährt durch den Bogen. Zum Abschlussabend ging es abermals mit einer Gondel hoch hinauf. Diesmal auf das Hochjoch, wo die Teilnehmer mit einem tollen Panorama und grandiosem Sonnenuntergang und die Sieger mit Pokalen verabschiedet wurden.
Am nächsten Morgen fragt mich Robert Wägerle, der zusammen mit Marcel Tiemann die 300SE Heckflosse steuerte, was denn das Schönste für mich gewesen ist. Ich muss kurz überlegen, weil mir ganz viele Situationen in den Kopf schießen. Neben der tollen Straßenführung und den Zuschauern an der Strecke ist es aber wohl die Bergwelt, die den Oldtimern eine grandiose Kulisse bietet. Es sind die tollen Ausblicke auf die sich in den Hängen schlängelnden Strassen und die unterschiedlichsten Klassiker, die darauf fahren.
Original: formfreu.de