Ferrari 250 GTO – eine Betrachtung
Der Versuch einer Erklärung
Warum nur, könnte man sich fragen. Was könnten die Gründe sein, warum der Ferrari 250 GTO das teuerste aller Fahrzeuge werden konnte, weshalb der Italiener bis heute als Quintessenz des Sportwagens gilt? Es gibt viel seltenere Fahrzeuge, es gibt viel schönere Ferrari, es gibt reihenweise Sportwagen, die auf den Rennstrecken dieser Welt erfolgreicher waren – und doch, da ist etwas. Aber was? (Bild oben: #4293, ©Dane Pollok)
Der Hintergrund
Eigentlich war der Ferrari 250 GT Anfang der 60er Jahre am Ende. Angefangen hatte alles 1954 mit dem 250 Europa GT (den Unterschied zum 250 Europa erklären wir hier) und 2,6 Meter Radstand, ab 1959 gab es dann nochmals ein Hoch mit den SWB (kurzer Radstand). Doch damals ging alles schnell, vor allem auf der Rennstrecke – für die Saison 1962 brauchte Maranello unbedingt neues, schärferes Material für die GT-Klasse. (Bild unten: #3223GT, der Link führt zu allen Hintergrund-Informationen zu genau diesem Fahrzeug.)
Giotto Bizzarrini, schon verantwortlich für die Spider California und vor allem die SWB, nahm den 250er noch einmal in die Kur. Der «Maestro» aus Livorno tat, was er am besten konnte – er testete und testete und testete, er fuhr quasi sämtliche Versuche, verlangte nach dem stärkeren Motor, arbeitete an der Aerodynamik, entwarf das Design und verpflichtete Scaglietti für die Umsetzung. (Bild unten: #3387GT)
Doch Mitte 1961 wurde die Situation schwierig in Maranello. Zwar war Phil Hill auf dem Weg zum Formel-1-Weltmeister und Hill/Gendebien hatten die 24 Stunden von Le Mans gewonnen, doch im Werk war man sich uneinig über die weitere Entwicklung der Marke. Carlo Chiti und Bizzarrini drängten auf die verstärkte Entwicklung von Mittelmotor-Sportwagen, Verkaufschef Girolamo Gardini wollte die Organisation von Grund auf verändern, doch vor allem die Ehefrau von Enzo Ferrari stellte sich gegen alle und alles. Am 30. Oktober 1961 kam es zum grossen Knall: der «Drache», wie Enzo Ferrari auch genannt wurde, stellte Gardini vor die Tür. Was zur Folge hatte, dass Chiti und Bizzarrini am 1. November auch nicht mehr zur Arbeit erschienen. Es übernahm Mauro Forghieri, doch viel hatte er nicht mehr zu tun. (Bild unten: #3413GT)
Vielleicht ist das ein wichtiger Punkt in Sachen Faszination des 250 GTO: Es hatten einige der wichtigsten italienischen Ingenieure der 50er und 60er Jahre an diesem Ferrari mitgearbeitet, nie vorher und nie nachher war so viel Kompetenz in einem einzigen Fahrzeug gebündelt. Und: der 250 GTO war der Schluss- sowie Höhepunkt der vielleicht wichtigsten Baureihe von Ferrari überhaupt. Die 250er hatten die Marke berühmt gemacht, erfolgreich auch auf den Rennstrecken, das letzte Modell war ein grossartiger Abschluss einer schönen Karriere. (Bild unten: #3445GT)
Die Technik
Denn auch der Motor war ein absolutes, wenn nicht – zusammen mit dem von Bizzarrini konstruierten V12 von Lamborghini – das endgültige Meisterwerk der italienischen Ingenieurskunst. Der Zwölfzylinder hatte seinen ersten Auftritt am 11. Mai 1947 – und war von Gioacchino Colombo (mit Hilfe von Giuseppe Busso und Luigi Bazzi) konstruiert worden. Seine Karriere begann er mit 1,5 Liter Hubraum (Bohrung x Hub 55 x 52,5 mm) und einer Leistung von 118 PS bei 6800/min. Über die Jahre stieg der Hubraum kontinuierlich, in den 250er-Modellen lag er dann bei 3 Liter (2953 cm3, um genau zu sein, Bohrung x Hub 58,8 x 73 mm); seinen ersten Auftritt hatte der 3-Liter-Colombo im 250 S schon 1952 (damals noch ohne zusätzliche Bezeichnung – Colombo war da aber schon nicht mehr bei Ferrari). (Bild unten: #3451GT)
Es folgten dann reichlich Veränderungen und Verbesserungen, es kam 153 der Tipo 125 (im 250 MM), 1954 der Tipo 112 (zum ersten Mal in einem Strassen-Fahrzeug), ab 1955 die verschiedenen Tipo 128 (in fünf Versionen, 128, 128 B, 128 C, 128 D, 128 LM), ab 1959 dann der Tipo 168 (zuerst im 250 GT SWB). Im 250 GTO war es schliesslich der Tipo 168 B mit stolzen sechs Weber-38-DCN-Vergasern, einer offiziellen Leistung von 300 PS bei 7500/min und einem maximalen Drehmoment von 333 Nm bei 5500/min. Allein schon optisch war dies ein Kunstwerk; akustisch ebenfalls. (Bild unten: #3505GT)
Der Motor rückte etwas nach unten und nach hinten. Im Gegensatz zu allen anderen 250 GT verfügte der 250 GTO über ein komplett neu konstruiertes 5-Gang-Getriebe. Die Starrachse hinten musste bleiben, doch sie wurde nicht mehr an den altertümlichen Blattfedern, sondern an parallelen Längslenkern und einem Wattgestänge geführt. Die beim 250 GT SWB von Bizzarrini eingeführten Scheibenbremsen fanden selbstverständlich auch im GTO Verwendung. Sie hatten bei 4325 Millimeter langen, 1600 Millimeter breiten und 1210 Millimeter hohen Ferrari gegen nur gerade 900 Kilo Gewicht zu bestehen. Damit war der Ferrari 350 Kilo leichter als der Aston Martin DB4 Zagato. (Bild unten: #3527GT)
Das Design
Auch wenn Enzo Ferrari einmal gesagt haben soll, «Aerodynamik brauchen nur jene, die keinen anständigen Motor bauen können», so liess er Giotto Bizzarrini doch freie Hand bei der Entwicklung des neuen Modells. Ob Bizzarrini wirklich auch im Windkanal der Universität von Pisa Versuche durchführte, das weiss wohl nur noch er. Doch was er auf der Basis einer 250 GT SWB Berlinetta (#1791GT) und mit Hilfe von Sergio Scaglietti, dem Mann mit dem Hammer, auf die Räder stellte, war nicht schön: der Wagen erhielt intern den Übernamen «il mostro», das Monster. «Ameisenfresser» war eine andere Bezeichnung. Aber bei den ersten Testfahrten in Monza am 11. August 1961 mit Willy Mairesse zeigte sich bereits, dass das Projekt viel Potenzial hatte: später, im September 1961, direkt vor dem Grossen Preis von Italien, war Stirling Moss deutlich schneller als mit dem SWB, die Höchstgeschwindigkeit lag 12 km/h höher, zudem war der Wagen viel einfacher zu fahren. (Bild unten: #3589GT)
Es folgte ein Prozess, eine Schönheitskur – die eigentlich über die ganze Lebensphase des 250 GTO andauern sollte. Prinzipiell wurde der Wagen vorne länger, spitzer, und hinten breiter. Doch so typische Design-Merkmale wie der Heckspoiler (gab es erst später) und die diversen Lüftungsöffnungen wurden immer wieder geändert, es sehen nur wenige Exemplare gleich aus. Und 1964 gab es dann auch noch eine zweite Serie, die dann optisch stark an den 250 LM erinnerte. Man betrachte die verschiedenen Fahrzeuge etwas genauer, wir präsentieren Sie hier ja alle. Alle. (Bild unten: #3607GT)
Es ist offensichtlich: Das so klassische Design mit der langen Fronthaube, dem kurzen Heck und den bauchigen Kotflügeln entspricht wohl für immer dem Schönheitsideal, das man von einem Sportwagen hat. Es war die letzte Evolutionsstufe eines Rennwagens mit Frontmotor, alles, was danach schnell und erfolgreich war (mit Ausnahme der Cobra), trug den Motor in der Mitte (was die Freiheiten beim Design extrem einschränkt). Der Ferrari 250 GTO war keine Revolution, dafür der Höhepunkt der Evolution. (Bild unten: #3647GT, da folgen weitere Informationen)
Die Renn-Karriere
Am 24. Februar 1962 wurde der Ferrari 250 GTO der Welt vorgestellt. Genau einen Monat später trat er zum ersten Mal bei einem Rennen an, bei den 12 Stunden von Sebring, #3387 mit Phil Hill und Olivier Gendebien am Steuer. Sie fahren den GTO auf den zweiten Rang im Gesamtklassement (hinter einem Ferrari 250 Testa Rossa), gewinnen ihre Klasse problemlos. Bei den 24 Stunden von Le Mans im gleichen Jahr das gleiche Spiel: der GTO von Pierre Noblet und Jean Guichet gewann die Klasse – und wurde Zweiter im Gesamtklassement (hinter einem Ferrari 330 TRI LM Spyder). Ein Jahr später in Le Mans: Klassensieg für Blaton/Langlois van Ophem, zweiter Gesamtrang (hinter einem Ferrari 250 P). Die Targa Florio gewann der 250 GTO nie, obwohl das eigentlich seine Strecke war, man konnte mit ihm schliesslich auf der Strasse zum Rennen fahren, das Rennen gewinnen, am Abend wieder auf eigener Achse nach Hause. (Bild unten: #3705GT, da folgen weitere Informationen)
Das ist auf jeden Fall auch ein Punkt, der die Faszination des Ferrari 250 GTO ausmacht: Er war schnell, sehr schnell auf der Rennstrecke. Doch er war auch «street legal» – und manch ein Besitzer benutzte den Wagen im Alltag, für Reisen. Monsieur Bajol aus Toulouse besass #3451 während 27 Jahren – und ist damit über 300’000 Kilometer gefahren. Heute unvorstellbar. (Bild unten: #3729GT, da folgen weitere Informationen)
1963 stand in Le Mans mit dem 250 P erstmals ein Mittelmotor-Sportwagen von Ferrari am Start, wenn auch nur in der Prototypen-Klasse (es reichte dann auch zum Sieg). Zwar schenkte Maranello dem 250 GTO 1964 mit einer neuen Karosserie und einigen technischen Verbesserungen noch einmal eine gute Saison in der GT-Klasse (in der er eigentlich gar nicht hätte antreten dürfen, denn es entstanden ja bei weitem nicht die 100 für die Homologation erforderlichen Fahrzeuge), doch dann liess man den Sportwagen mit Frontmotor fallen wie eine heisse Kartoffel. Und auf einen Schlag war der Ferrari 250 GTO nur noch einer unter vielen alten Rennwagen. (Bild unten: #3757GT, da folgen weitere Informationen)
Sideline
Eine schöne Story soll aber noch erzählt sein; sie soll auch aufzeigen, wie wichtig der 250 GTO für Ferrari war, auch wenn er keine der ganz grossen Rennen gewinnen konnte. Man schreibt das Jahr 1964, Ferrari hatte dank und mit dem GTO 1962 und 1963 den Weltmeistertitel in der GT-Klasse geholt. Für 1964 hatte die FIA wieder einmal das Reglement geändert, es gab je einen Titel für über und unter zwei Liter Hubraum. Das bedeutete, dass der 3-Liter-Ferrari gegen die teilweise weitaus stärkeren Jaguar E-Type, Aston Martin DB4GT und vor allem die amerikanischen Cobra antreten musste. (Bild unten: #3767GT, da folgen weitere Informationen)
Als dritter Lauf zur Weltmeisterschaft fand am 26. April 1964 die Targa Florio statt, 10 Runden auf dem 72 Kilometer langen Strassenrundkurs auf Sizilien. Ferrari hatte die ersten beiden Läufe des Jahres gewinnen können, die 2000 Kilometer von Daytona und die 12 Stunden von Sebring. Doch bei der Targa Florio meldete das Werk keine eigenen Teams, sondern überliess das Feld aus unerfindlichen Gründen den Privatfahrern. Unter ihnen Corrado Ferlaino, der im Dezember 1963 den 62er GTO mit Chassisnummer #3413 (siehe weiter oben) gekauft hatte. Bei Scaglietti erhielt der Ferrari den Serie-II-Aufbau, Ferlaino meldete das Fahrzeug bei der Targa Florio. (Bild unten: #3769GT, da folgen weitere Informationen)
Um den Sieg konnte er nicht mitfahren, die Porsche 718/904 waren viel schneller (es gewannen Pucci/Davis auf einem Porsche 904 GTS), sogar die Alfa Romeo TZ zeigten dem 3-Liter-Ferrari ihren hübschen Hintern, doch für einem 5. Gesamtrang und vor allem den Klassensieg reichte es Ferlaino/Taramazzo trotzdem. Das sollte am Ende der Saison entscheidend werden, die 14.4 Punkte der Targa Florio sicherten Ferrari die Weltmeisterschaft in einem sehr engen Rennen (84.54 gegen 78.3 Punkte, die Zählweise war etwas eigenartig) gegen die Cobra von Shelby/Ford. Die waren übrigens auch angetreten auf Sizilien, gleich vier Stück mit prominenten Fahrern (Phil Hill, Bob Bondurant, Masten Gregory, Innes Ireland, die Einheimischen Vito Coco und Vincenzo Arena), doch nur Dan Gurney/Jerry Grant brachten ihr Gerät ins Ziel, auf dem 8. Gesamtrang. (Bild unten: #3809GT)
Die Preisentwicklung
Alain de Cadenet besass #3505 in der zweiten Hälfte der 60er Jahre, wann genau, daran kann er sich nicht mehr erinnern: «Als ich den Ferrari kaufte, war er schon ziemlich am Ende. Aber für ein paar Pokale und ein paar Pfund Preisgeld reichte es locker». Woran sich de Cadenet aber bestens erinnert: «Ich habe ihn dann für 500 Pfund verkauft». 1969 wurde ein GTO in der «New York Times» für 9450 Dollar angeboten, im gleichen Jahr gab es in der «Chicago Tribune» ein anderes Exemplar für nur gerade 3500 Dollar. Damals gab es aber auch die heute so mächtigen Auktionshäuser noch nicht, der Handel mit Altblech war erst auf dem Weg dazu, professionell zu werden. Es sollte bis in die 80er Jahre dauern, bis die Preise anzogen. (Bild unten: #3851GT, da folgen weitere Informationen)
Nick Mason bezahlte 1973 für #3757 nur gerade 54’000 Dollar, Ralph Lauren kaufte #3985 im Jahr 1985 für 650’000 Dollar, ein Jahr später wurde für einen Ferrari 250 GTO erstmals eine Million Dollar bezahlt. Als Enzo Ferrari 1988 verstarb, gingen die Preise durch die Decke, tauchten in den 90er Jahren kurz ab, um dann erst so richtig Fahrt aufzunehmen. 2012 stand man bei 35 Millionen Dollar, 2018 wurden bei RM Sotheby’s für #3413 stolze 48,4 Millionen Dollar abgerufen, im gleichen Jahr kaufte der amerikanische Unternehmer David MacNeil #4153 für über 70 Millionen Dollar. (Bild unten: #3869GT, da folgen weitere Informationen)
Die Community
Der Kreis der Fahrerinnen und Fahrer der Ferrari 250 GTO ist verständlicherweise übersichtlich. Man kennt nicht ganz alle Besitzerinnen und Besitzer, aber fast. Anthony Bamford besitzt gleich zwei Exemplare (#3767, #4399). Tony Wang ist der Besitzer von #3769, seine Frau Lulu nennt #4713 ihr eigen; es gibt auch noch Brandon Wang mit #4219, doch er ist nicht verwandt mit den anderen Wangs. (Die anderen aktuellen Besitzer haben wir oben schon erwähnt. Oder dann finden sie sich in den Beschreibungen der einzelnen Fahrzeuge.) (Bild unten: #3909GT, da folgen weitere Informationen)
Was aber erstaunlich und erfreulich ist: die meisten dieser Ferrari 250 GTO werden, ungeachtet ihres exorbitanten Werts, auch wirklich bewegt. Und das teilweise auch so richtig: hart (siehe zum Beispiel das Video von Simon Kidston mit #3451). Auch David Mac Neil, der den wohl höchsten Preis für einen GTO bezahlt hat, lässt es richtig fliegen: «Das ist der Grund, weshalb ich den Ferrari gekauft habe. Es macht so unglaublich viel Freude, dieses Fahrzeug zu fahren». Und das ist vielleicht auch der entscheidende Punkt für die Faszination des Ferrari 250 GTO: er ist eine wunderbare Fahrmaschine. Schon zeitgenössische Piloten waren von seinem Fahrverhalten begeistert. (Bild unten: #3943GT, da folgen weitere Informationen)
Mehr schöne Automobile finden sich in unserem Archiv (Bild unten: #3987GT, da folgen weitere Informationen)
(Bild unten: #4091GT, da folgen weitere Informationen)
(Bild unten: #4115GT, da folgen weitere Informationen)
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(Bild unten: #4757GT, da folgen weitere Informationen)
(Bild unten: #5095GT, da folgen weitere Informationen)
(Bild unten: #5111GT, da folgen weitere Informationen)
Ja, wir behaupten: 33 Exemplare. Da sind da noch die 330 GTO, aber das ist eine andere Geschichte, dort wird es wirklich kompliziert.
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