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deTomaso Vallelunga

Published in radical-mag.com

Kleine Zicke

Eigentlich hätten wir ja schon längst etwas über den deTomaso Vallelunga schreiben müssen, denn er passt ja genau in unser Beuteschema: leicht, laut, böse, irgendwie auch schön, dazu noch sehr schräg. Andererseits: alle DeTomaso-Stories sind etwas schwierig. Es gibt auch beim Vallelunga wohl mehr unterschiedliche Geschichten als tatsächlich gebaute Autos (53? 55? – auch das weiss niemand), über die Jahre entstand noch manch eine Mär – und es ist heute schwierig, zwischen Phantasie und Wahrheit unterscheiden zu können. Zum Beispiel die Vorderradaufhängung: ein englisches Magazin schrieb vor vielen Jahren, sie stamme vom Triumph Herald. Seither wurden den wenigen verbliebenen Vallelunga (43?) wohl so oft (billige) Herald-Teile eingebaut, dass man gar nicht mehr überprüfen kann, ob dem wirklich so war. Oder dann diese Sache mit den VL16-Chassisnummern, die anscheinend ein Hinweis waren auf die «Competizione»-Ausführungen, die dann wiederum anstatt dem braven Ford-Kent-Motor (116E) die deutlich schärfere Lotus-Twin-Cam-Variante (siehe auch: Ford Cortina Lotus) eingebaut erhielten. Heute verfügt noch so mancher Vallelunga über den Lotus-Motor, der halt auch bestens mit dem Hewland-Getriebe (jenes, das ursprünglich aus dem VW-Transporter stammte) harmoniert und einigermassen günstig ist im Ankauf und Unterhalt. Was für die originale Maschine, die bei deTomaso mit einem Leichtmetallzylinderblock und Doppel-Webern (40 DCOE2) auf die gleiche Leistung (ca. 105 PS) gebracht wurde, sicher nicht gilt. Auch die Gewichtsangaben gehen diametral auseinander, wir haben zwischen 420 und 762 Kilo so ziemlich alles gesehen.

 

Über das Leben von Alejandro de Tomaso haben wir schon ausführlich geschrieben, hier. Also übergehen wir die frühen Jahre, befinden uns direkt Anfang der 60er Jahre in Modena, wo der Argentinier ein bisschen an Formel-Rennwagen bastelt, dies aber nur mit mässigem Erfolg. Doch er sieht ja im benachbarten Maranello, wie das funktionieren kann mit dem Geld und dem Rennsport: Man baut ein paar hübsche Strassen-Fahrzeuge – und mit diesen Einnahmen finanziert man sich die Rennerei. Er ist selber ein ganz anständiger Konstrukteur, er hat auch einige sehr gute Ingenieure angestellt, die deTomaso-Konstruktionen sind mit dem Motor als tragendes Element durchaus fortschrittlich für jene Jahre. Und so wird das erste Strassen-Fahrzeug dann auch mehr ein Rennwagen für die Strasse: Zentralrohrrahmen, Mittelmotor, Einzelradaufhängung, das gab es 1962 eigentlich sonst nicht (der Lotus Elan hatte den Motor vorne, nur der Bonnet Djet 5S war schon seit 1962 auf den Markt). Genauer: Eine mächtige Stahlröhre führte vorne und hinten ja zu einem Hilfsrahmen, an dem vorne die Aufhängung (aus dem Herald? – Trapez-Dreieckquerlenker und Schraubenfedern) und hinten Aufhängung (unten Dreieckquerlenker, oben Querlenker, Schubstreben und Schraubenfedern) sowie Motor untergebracht waren. Die vier Scheiben-Bremsen stammten, zumindest bei den ersten Prototypen, von Campagnolo und bestanden aus Magnesium (später wurde ein einfacheres System vom Dunlop verwendet). Als Gewicht (nach DIN) gab die «Automobil Revue» 1965 480 Kilo an (1967, als der Wagen wohl schon längst nicht mehr gebaut wurde, hiess im AR-Katalog dann: 700 Kilo).

Der erste Vallelunga – der selbstverständlich nach dem Rundkurs in der Nähe von Rom benannt ist – kam 1963 mit einer Spider-Karosse von Fissore (Bild oben). Und sah noch stark nach Rennwagen aus – nicht das, was sich de Tomaso vorgestellt hatte, als er von seinem eigenen Sportwagen geträumt hatte. Also entwarf Fissore ein Coupé, das ganz anders aussah als der erste Prototyp. Zwei Exemplare, bei denen der ganz Aufbau hinter der B-Säule aufgeklappt werden konnte, wurden aus Aluminium gedengelt und 1964 in Turin auf der Motor Show ausgestellt. Damals wurde angegeben, dass der Vallelunga 208 km/h schnell sein soll.

Mit der Serienfertigung wurde dann aber Ghia beauftragt. Zwar folgte man dort sehr genau dem Entwurf von Fissore, doch anstatt aus Alu wurde der Aufbau komplett aus Polyester gefertigt; der Motor war nur noch über eine riesige Heckscheibe zugänglich. Aber es war eine feine Konstruktion, die Sitze liessen sich verstellen, die Seitenfenster über Kurbeln versenken, die Instrumente waren schön von Holz eingefasst. Und er war winzig, der Vallelunga, nur gerade 3,84 Meter lang, 1,60 Meter breit, 1,08 Meter hoch; der Radstand betrug 2,28 Meter, der Tank fasste je nach Angaben zwischen 53 und 66 Liter, in den tatsächlich vorhandenen Kofferraum passte knapp eine Taschenlampe. Und die war auch nötig, denn die de Tomaso hatten gemäss zeitgenössischen Berichten anscheinend die Tendenz, im dümmsten Moment ihren Dienst zu versagen. Das ist so einigermassen unerklärlich, denn die meisten Komponenten stammten ja von grossen, etablierten Herstellern, es muss also an der Fertigungsqualität gelegen haben. Aber Alejandro de Tomaso verlor gern jeweils dann, wenn ein Projekt stand, sein Interesse, er wollte: höher (dieser Link führt zum Mangusta).

Auch war es sicher so, dass man sich in Modena gern etwas verzettelte, die eigentlich nicht im Überfluss vorhandenen Ressourcen sicher nicht immer sinnvoll einsetzte. Alberto Massiminio (siehe auch: Serenissima) hatte Anfang der 60er einen 8-Zylinder-Boxer konstruiert (der später als Vierzylinder in der Formel 2 eingesetzt wurde), es gab in jener Zeit noch einen weiteren 8-Zylinder-Boxer mit nur gerade 1,8 Liter Hubraum (später: 2 Liter), den de Tomaso vielleicht, vielleicht auch nicht in einen weiteren Vallelunga einbauen liess, ein Fahrzeug, das als Ghia Spyder oder Competizione 2000 bekannt ist und 1966 auf dem Genfer Salon vorgestellt wurde. Ebenfalls 1966 wurde auf Basis des Vallelunga der Fantuzzi Spyder (Sport 1000) vorgestellt, der wiederum über einen modifizierten 1-Liter-Vierzylinder von B.R.M verfügte, der es gemäss d Tomaso auf 129 PS bei 9750/min brachte. Und dann war da auch noch der Pampero, ein von Giugiaro entworfenes Cabriolet mit auf 2,35 Meter verlängertem Radstand, das ebenfalls 1966 vorgestellt wurde (Bilder unten). Also, wie viele Vallelunga gab es denn nun genau?

Der blaue Vallelunga, den wir oben zeigen, kommt am 21. Juli bei Artcurial in Monte Carlo unter den Hammer, Schätzpreis 275’000 bis 350’000 Euro. Wie erwähnt: diese kleinen deTomaso sind ziemliche Zicken. Und die Versorgung mit Ersatzteilen: schwierig. Andererseits – mehr deTomaso haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag deTomaso Vallelunga erschien zuerst auf radicalmag.