Abarth 205
Wie alles begann
Es waren schwierige Zeiten, damals, direkt nach dem 2. Weltkrieg. Carlo Abarth befand sich bereits in Italien, er hatte auch gute Beziehungen, seine erste Gattin war die Sekretärin von Anton Piëch, der seinerseits mit der Schwester von Ferdinand Porsche verheiratet war. Die Wege sind verschlungen, man weiss nicht mehr so genau, wie das alles lief und wer mit wem, auf jeden Fall wurde Abarth wahrscheinlich 1946 zum Repräsentant von Porsche in Italien. Bloss: es gab ja damals noch gar nichts zu verkaufen ausser vielleicht ein paar Traktoren und Turbinen (siehe auch hier: Der erste Porsche). Ob es nun Carlo Abarth war, der den Gründer von Cisitalia, Piero Dusio, in Kontakt mit Porsche brachte, oder ob die Geschichte noch andere Umwege zu bieten hat, das ist schwierig festzustellen – sicher ist, dass Dusio 1947 bei Porsche einen aussergewöhnlichen Rennwagen in Auftrag gab, Allradantrieb, ein V12 mit 1,5 Liter Hubraum, dieser bitt’schön mittig eingebaut. Zwei Stück dieses zwar schönen, aber halt nicht wirklich fahrfertigen Typ 360 sollen entstanden sein – Carlo Abarth wurde zum Leiter der Rennabteilung von Cisitalia, denn jemand musste ja versuchen, die Gerät zum Laufen zu bringen. Piero Dusio verlor bald die Geduld und verabschiedete sich mit einem dieser Zwölfzylinder nach Argentinien, hinter sich liess er ein krachenden Konkurs – und Carlo Abarth, der die Scherben zusammenlesen durfte. Wobei wohl auch Abarth selber nicht nur der Gentleman war, als der er sich gerne gab: Dante Giacosa und Giovanni Savonuzzi verliessen Cisitalia sofort nach seinem Eintritt.
Nun hatte Cisitalia (unter Giacosa und Savonuzzi) in der kurzen Zeit seines Bestehens aber ja auch noch ein absolutes Meisterwerk auf die Räder gebracht, den 202. Eine Design-Legende von Pinin Farina, das erste Automobil, das im Museum of Modern Art in New York ausgestellt wurde. Carlo Abarth nimmt zwei Chassis für Rennwagen und drei Cisitalia 204 (so hiessen sie, nachdem er den 202 weiter entwickelt hatte) aus der Konkursmasse – und macht sich Hilfe (und des Geldes) der Familie Scagliarini 1949 sowie im Zeichen des Skorpions in Bologna selbstständig. Wohl auch deshalb, weil sich Giovanni Michelotti und Alfredo Vignale bereit erklären, das Fahrzeug neu einzukleiden, zieht die junge Firma schon bald nach Turin um. Ob es vielleicht einen Abarth 204A gab, wie gern behauptet wird, weiss niemand, sicher ist, dass es drei wunderbare Abarth 205 gibt, die heute alle noch existieren – in Genf zu sehen gibt es das zweite Exemplar, Chassisnummer 102. Dieses Fahrzeug hat eine wilde Geschichte hinter sich, doch die sei dann zu einem späteren Zeitpunkt einmal erzählt.
Der Abarth 205 war eine technisch einwandfreie Weiterentwicklung des 202, die günstige Vorderachse aus Fiat-Teilen wurde mit Längslenkern und Torsionsstäben deutlich verbessert, der Rahmen wurde leichter, steifer und auch noch kürzer (Radstand 2,2 Meter). Als Antrieb diente der gleiche 1,1-Liter-Vierzylinder wie im Cisitalia, doch Abarth entlockte der Maschine mit deutlich höherer Verdichtung sowie Drehzahlen über 7000/min für die damalige Zeit heftige 78 PS; geschaltet wurde über einen gekröpften Schalthebel vier Vorwärtsgänge. Über 180 km/h sollen mit dem wohl knapp über 600 Kilo schweren Fahrzeug möglich gewesen sein. Für Rennerfolge reichte es trotzdem nicht – und wohl auch deshalb nutzte Carlo Abarth den dritten 205 als privaten Reisewagen. Chassis-Nummer 101 erlebte seine Weltpremiere auf dem Turiner-Salon 1950 (mit komischen Anbauteilen), 102 wurde bereits 1950 verkauft.
Grossartig ist aber das Kleid des Abarth. Da steht zwar Vignale drauf, doch der Entwurf stammte vom jungen Giovanni Michelotti, der wohl sogar den Pinin-Farina-Cisitalia in den Schatten stellte. Die Front ist flacher, die Scheinwerfer sind sauber integriert, der ganze Wagen hatte keine ausgestellten hinteren Kotflügel mehr, sondern wirkt mit der durchgehenden Sickenlinie wie aus einem Guss. Grossartig auch das riesige Heckfenster und das Rund-Heck, das selbstverständlich auf jegliche Form von Spoilern verzichten konnte. Und man darf eines nicht vergessen: das Wägelchen ist nur gerade 3,5 Meter lang.
Mehr Abarth gibt es in unserem Archiv – dort findet sich auch so etwas wie ein Bilderbuch und eine Übersicht über die Fahrzeuge, die «radical» auf dem Genfer Salon (7. bis 17. März 2019) auf der Sonder-Ausstellung «70 Jahre Abarth» ausstellen wird.
Photos: Frédéric Diserens
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