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Fahrbericht Peugeot 308 (2021)

Published in radical-mag.com

Die Bedürfnisse des Marktes

Wenn man die Werbung betrachtet, all die Fachblätter und überhaupt die sozialen Medien, dann beschleicht den vorurteilsfreien Betrachter, die unabhängige Betrachterin das Gefühl, dass spätestens in einer Woche alle Automobile nur noch elektrisch einherrollende Smartphones auf Rädern sein würden. Einmal abgesehen davon, dass über 99 Prozent aller Fahrzeuge auf dem Erdball weiterhin von einem Verbrenner angetrieben werden, bleibt auch der Marktanteil der reinen Stromer bei den aktuell verkauften Autos im klar einstelligen Bereich. Nimmt man noch die Gebrauchten dazu, von denen nicht nur in der Schweiz doch reichlich mehr als Neue an den Mann und die Frau gebracht werden, dann muss man sich schon fragen: Where’s the beef? Es wird noch eine mittlere Ewigkeit dauern, bis sich dieses Gesamtbild ändern wird und alle Hersteller, die jetzt schon ganz allein auf E-Mobilität setzen, werden einen sehr langen Atem und vor allem ein ganz dickes Portemonnaie brauchen, um diese Phase zu überstehen. (Und sich vielleicht auch noch überlegen müssen, ob sie nicht auf das falsche Pferd gesetzt haben.)

Stellantis, dieses so komplizierte Konstrukt aus PSA und FCA, hat im vergangenen Jahr den 208 und den 2008 auf den Markt gebracht. Beide Modelle stehen in ihrem Segment in Europa ganz vorne, der 208 ist sogar das meistverkaufte Automobil auf dem alten Kontinent. Reine E-Modelle sind von all diesen verkauften Löwen, obwohl sie gute, auch preislich vernünftige Produkte sind, keine 15 Prozent. Dass sich die Franzosen Zeit lassen werden, den neuen 308 ebenfalls als Stromer anzubieten, ergibt vor diesem Hintergrund Sinn.

Es ist vielleicht der wichtigste Punkt bei diesem neuen Peugeot 308: Vernunft. Selbstverständlich ist der Löwe ein hübsches Fahrzeug, quasi alle Peugeot der vergangenen zehn Jahre konnten mit ihrem Design überzeugen. Man kann sich damit sehen lassen, man ist definitiv nicht falsch angezogen, man kommt nicht als Transgender-Fussball-Schiedsrichter verkleidet auf das Hochzeitsfest, weil man die Einladung zu wenig zu wenig genau gelesen hat. Stellantis hat das Design im Griff, bei Peugeot erinnert die Front an den Angriff eines Säbelzahntigers, nie hat das besser gepasst als beim 308. Sie, werte Leserin und werter Leser, werden es erkennen, wenn sie den jungen Löwen im Rückspiegel sehen.

Bei Stellantis ist die EMP2-Plattform das, was MQB im Volkswagen-Konzern ist: die Allzweckwaffe. Man mag schon gar nicht mehr zählen, wie viele unterschiedliche Modelle diese Basis nutzen. Die Synergien und Skaleneffekte sparen Geld, machen die Autowelt aber nicht unbedingt spannender. Stolze elf Zentimeter länger ist der neue 308, dabei aber zwei Zentimeter flacher, der Radstand wächst um 5.5 Zentimeter. Wenn etwas erstaunt, dann vielleicht, dass die Kabine deutlich weiter hinten liegt und damit die Motorhaube so lang wird, dass wohl auch ein V8 darunter Platz fände. Aber vielleicht braucht es diesen optischen Akzent, damit man das auf den vorderen Kotflügeln angebrachte neue Emblem der Marke auch wirklich wahrnimmt.

EMP2, das bedeutet auch: volles Programm bei den Antrieben. Zu Beginn kommen zwei PHEV (180 und 225 PS) und zwei Benziner. Diesel werden nicht mehr in allen Ländern angeboten, der reine Stromer wird, wie schon erwähnt, nachgereicht. Nein, kein 4×4, auch nicht als Plug-in-Hybrid. Aber ja, auch PSE wird seine Hände an das neue Fahrzeug legen dürfen. Und ja, es wird wieder einen Kombi geben (diese Geschichte erzählen wir dann auch noch).

Und innen gibt es selbstverständlich wieder ein i-Cockpit, wie beim 208 in 3-D-Darstellung. Neu sind die i-Toggles, welche die bisherigen Klaviertasten unter dem Touchscreen ersetzen. Diese kann man frei konfigurieren, man wählt aus, worauf man gerne einen Schnellzugriff hat, Klima, Navi, Radio, Assistenzsysteme, und ordnet die Kacheln dann in der gewünschten Reihenfolge an. Für die Lüftung/Heizung gibt es weiterhin physische Schalter, und das ist gut so. Gut ist auch, dass Peugeot Opel das Regime bei der Entwicklung der Sitze überlässt, auf Wunsch sind also im 308 auch die wirklich guten AGR-Sessel erhältlich. Der ganze Innenraum wirkt wie aus einem Guss, die verarbeiteten Materialien sind hochwertig, die Verarbeitungsqualität machte schon bei den Prototypen, die wir fahren durften, einen ausgezeichneten Eindruck. Überhaupt benutzt Peugeot gern einen Ausdruck, der sinnbildlich steht für den neuen, selbstbewussten Auftritt: Up-market.

Und genau so ist auch der erste Fahreindruck: Der neue Peugeot 308 macht seine Sache gut. Unaufgeregt, souverän, konsequent. Man sitzt bequem, das i-Cockpit sorgt für gute Übersicht, das Bediensystem ist selbsterklärend. Das Fahrwerk ist mehr auf der komfortablen Seite, aber alles andere als schwammig, auf einer ersten Ausfahrt in die Vogesen lieferte der Franzose auch jenes Mass an Fahrfreude, die wir bei den (meisten) E-Modellen vermissen. Und damit schliesst sich auch ein Kreis: Der neue Peugeot ist ganz einfach ein gutes, klassisches Automobil geworden, wie es sich die ganz grosse Mehrheit der Käufer wünscht. Schwächen sind eigentlich keine erkennbar, auch in einem bisher selbstverständlich nur gedanklichen Vergleich mit der Konkurrenz nicht (ja, klar: VW Golf). Leider sind die Preise für die Schweiz noch nicht bekannt (obwohl der Peugeot in Frankreich bereits bei den Händlern steht), aber man darf davon ausgehen, dass sie sich an der Konkurrenz orientieren werden. Dieses schöne Metallic-Grün, die Lancierungsfarbe, wird übrigens ohne Aufpreis erhältlich sein. Und ja, der neue Opel Astra ist so ziemlich das gleiche in: Gelb.

Mehr Peugeot finden Sie in unserem Archiv.

Der Beitrag Fahrbericht Peugeot 308 (2021) erschien zuerst auf radicalmag.