Test Hyundai Nexo
Aber – warum?
Die Farbauswahl ist: mager. Gut, unser vom Importeur zur Verfügung gestellter Demo-Testwagen war schon eher bunt, aber wenn man sich einen Hyundai Nexo bestellen will, dann, äh, gibt es Weiss und Silber und Dunkel und noch Copper (Kupfer), aber das ist alles sehr gedeckt, unauffällig. Wer nicht genau hinschaut, vermutet im Koreaner das klassische SUV, optisch aufregend ist sicher anders, dies trotz einem durchgehenden Leuchtband vorne. Unserer bescheidenen Meinung nach dürfte er schon etwas fröhlicher auftreten, der Hyundai, auffälliger, schliesslich handelt es sich hier um das einzige Wasserstoff-SUV der Welt – das sollte der Nexo mehr herausstreichen, sich überhaupt mit mehr Selbstbewusstsein darstellen. Denn die Technik ist (vielleicht?) interessant, das Automobil als Automobil betrachtet gut – und über Geld reden wir erst später.
Wasserstoff also. Hochkomplex und eigentlich ganz einfach. Der Hyundai verfügt über eine Brennstoffzelle, die den Wasserstoff aus den drei Tank mit Sauerstoff reagieren lässt – und so Strom produziert. Der dann wiederum über einen Elektromotor die Vorderräder antreibt; man darf den Koreaner also als Elektroauto bezeichnen. Das allerdings keine schwere Batterie mitschleppen (aber trotzdem fast zwei Tonnen wiegt) und auch nicht stundenlang an Ladestationen rumstehen muss, um wieder für ein paar Kilometer Energie aufzunehmen. In der Theorie ist das alles ganz fröhlich und logisch, in der Praxis ist halt aber so, dass die Energieeffizienz (derzeit) bei weitem nicht an ein E-Auto heranreicht (sich wohl eher mit einem modernen Diesel vergleichen lässt), Tankstellen in der Schweiz weiterhin kaum vorhanden sind (fünf sind es, Stand Mai 2021) – und die Herstellung von Wasserstoff auch nicht so ganz problemfrei ist. Und der Nexo deshalb, obwohl er lokal emissionsfrei unterwegs ist, nur mit der Energieetikette E bewertet wird.
Doch betonen wir doch zuerst einmal die positiven Punkte. Der Nexo ist ein sehr praktisches SUV mit einem sehr guten Platzangebot; mit 461 Litern Kofferraumvolumen (maximal 1466 Liter) ist er beim Laderraum so gut aufgestellt wie bei den grosszügigen Innenmassen für die Passagiere. Vorne sitzt man hoch, aber gut, bequem, auch auf längeren Strecken – und staunt allenfalls darüber, welch einen Wust an Schaltern und Knöpfen Hyundai sehr unübersichtlich auf die Mittelkonsole packen konnte. Da sieht man gut, dass der Nexo nicht mehr taufrisch ist (er kam schon 2018 auf den Markt) – und wie sehr sich die Bedienung moderner Fahrzeuge in nur wenigen Jahren gewandelt hat. Es ist aber alles schön gemacht, eigentlich, der Nexo ist so ein Vorzeige-Projekt der Koreaner, deshalb sind Materialien und Verarbeitung auf einem hohen Niveau. Und genau so fährt er sich auch, alles mit der Ruhe, sehr komfortabel – da gibt es wirklich nichts zu meckern, als ganz normales SUV ist der Nexo ein gutes SUV. Auch bei den Fahrleistungen fällt der Koreaner nicht ab, 163 PS sind jetzt nicht wild für so ein schweres Fahrzeug, doch die ab sofort zur Verfügung stehenden 395 Nm maximales Drehmoment sorgen für ein flottes Vorankommen (in 9 Sekunden auf 100, Höchstgeschwindigkeit ca. 180 km/h); geschaltet wird nicht, die Kraft wird über ein Ein-Gang-Getriebe stufenlos übertragen.
Und Reichweite ist kein Thema, eigentlich. Wir verbrauchten im Schnitt etwas weniger als 1,0 kg Wasserstoff auf 100 Kilometern, das ergab in eben diesem Schnitt eine Reichweite von über 600 Kilometern (ganz einfach: das Fassungsvermögen der drei Wasserstofftanks beträgt: 6 Kilo). Schwankungen gab es kaum, wenn man sich an die Schweizer Limiten hält; zu besonders sportlicher Fahrweise reizt das Hyundai-SUV wie fast alle anderen SUV sowieso nicht. Und als Wasserstoff-Pionier fühlt man sich quasi verpflichtet, sich ganz zurückhaltend zu verhalten; man macht sich im Nexo einen Sport daraus, möglichst energiesparend zu fahren. Ein bisschen Spass muss ja immer sein. Erfreulich ist zudem, dass 1 Kilo Wasserstoff in der 12,50 Franken kosten, man fährt also (theoretisch) günstiger als mit Benzin und Diesel.
Was aber durchaus ein Thema ist, das ist das Tanken. Von den sieben Versuchen, den Nexo mit frischem Wasserstoff zu versorgen, waren vier nicht erfolgreich. Obwohl wir selbstverständlich die hochgelobte Schweizer App benutzten, standen wir dann halt zu oft ziemlich dumm da in der Gegend, einmal wurde es auch ziemlich knapp (noch vier Prozent Restreichweite). Der Tankvorgang selber ist eigentlich kein Problem, doch das Gefühl ist schon sehr speziell: 700 bar Druck sind doch eher grob, die Vorstellung, dass einem so ein Schlauch um die Löffel fliegt, ist keine schöne. Auch ist der ganze Vorgang ziemlich undurchsichtig, bei einer Tankstelle lief die Uhr nicht, doch die Tanks waren dann trotzdem voll (bezahlen mussten wir folglich auch nicht), bei einer anderen dauerte es geschlagene fünf Minuten, bis dann endlich etwas ging. Und eigentlich weiss man nie so recht, was jetzt passiert – oder eben nicht. Dafür kann der Nexo nun allerdings wirklich nichts, die Tank-Technik befindet sich noch in den sehr kleinen Kinderschuhen – und es wäre vielleicht auch nötig, dass mehr Transparenz mehr Informationen liefert.
Was uns aber weiterhin umtreibt, auch wenn wir am Nexo selber durchaus Gefallen finden konnten, ist die Frage nach dem Sinn. Der im Vergleich zum reinen Stromer kürzere Tank-Vorgang relativiert sich extrem, wenn es halt keine Wasserstoff-Tankstelle in der Nähe hat (von unserem Wohnort sind es 42 Kilometer, hin und zurück also über 80). Dazu kommt der «Umweg», für die Herstellung von Wasserstoff braucht es Strom – und mit ebendiesem Strom kann man ja ein E-Auto auch direkt antreiben. Dass man allenfalls in irgendeiner fernen Zukunft Solar-Panels auf dem Dach hat und damit dann im Keller selber Wasserstoff erzeugen und auch speichern kann, mag zwar ein hübsches Szenario sein, aber auch ein ziemlich realitätsfremdes.
Und dann ist da noch der Preis: Mindestens 89’900 Franken kostet so ein Nexo. Das sind 30’000 Franken mehr als für den (moderneren) Toyota Mirai. Da fehlen uns jetzt irgendwie die glaubwürdigen Argumente für den Nexo. Mehr Hyundai haben wir aber im Archiv.
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