Open Menu
Open Menu
 ::

Fahrbericht BMW 118d

Published in radical-mag.com

Es ist: anders.

Selbstverständlich darf man sich fragen: Wie kann man nur? Wie kann man nur ein Alleinstellungsmerkmal in der grossen. bösen Auto-Industrie wegschmeissen, eine so heiss begehrte «unique selling proposition», für die andere Marketing-Milliarden bezahlen, einfach so einhergeben, dazu irgendwie auch den Kern der Marke, ihre DNA verraten? Der 1er-BMW, bislang der einzige Hecktriebler in diesem Segment und damit auch wahrhafter Ausdruck der «Freude am Fahren», ist jetzt auch «mainstream», ein Fronttriebler wie alle andern auch, noch so ein Golf in der so genannten Golf-Klasse. Unter den deutschen Premium-Marken konnte Audi ja betriebsintern nie anders, Mercedes hat sich schon vor vielen Jahren aufgegeben, doch das jetzt auch noch die Bayern in diesem Einheitsbrei mittun, das ist schon irgendwie: erstaunlich. Natürlich hat das alles auch gute Gründe, geringere Kosten, Synergien (Mini, X1, X2, die Vans…) und wahrscheinlich auch noch: wen kümmert’s? Es heisst, Untersuchungen hätten ergeben, dass deutlich mehr als die Hälfte der 1er-Kunden gar nicht wussten, welche Achse an ihrem Wagen angetrieben ist.

Trotzdem: schade. Die erste Generation (E87, 2004 bis 2013) wurde als «Hängebauchschwein» bezeichnet, war aber der trotzdem der coole Typ in einer Runde von sich gegenseitig an Langweile überbietenden Transportmitteln (Ausnahme: einige «Hot Hatches»), auch die optisch geglättete zweite Generation (F20, 2011 bis 2019) gefiel mit ihrem Fahrverhalten, war der Rebell, der Kaltduscher, der in der prallen Sonne Parker, ganz besonders dann, wenn er mit ein wenig mehr PS antreten durfte (340 gab es als Maximum im M140i). Damit wir uns noch einmal erinnern, was Heckantrieb bedeutet: keine Antriebseinflüsse auf die Lenkung, eine doch ziemlich knackige Fahrwerk-Abstimmung, die das nicht ganz ordnungsgemässe Umrunden von Kurven nicht verhindern will, dazu eine eingeschränkte Wintertauglichkeit und nicht so richtig viel Platz.

Ja, es gibt mehr Platz, vor allem für die hinteren Passagiere, auch der Einstieg ist einfacher. Und der Kofferraum wächst um 20 auf nun 380 Liter, was reichlich ist. Wahrscheinlich kann er auch besser Winter, aber das mussten wir bisher ja zum Glück noch nicht erfahren. Das Fahrverhalten nun ist: anders. Man darf nicht vergessen, dass die Mini zu den fahraktivsten Geräten unter den Fronttrieblern gehören, dass da also schon Kompetenz im Haus ist auch für diese Bauart. Ja, man spürt Antriebseinflüsse in der Lenkung – aber wahrscheinlich in erster Linie deshalb, weil man sie spüren will. Wer nicht dauernd mit dem Messer zwischen den Zähnen unterwegs ist (und das ist man in einem 118d sowieso nicht), der wird sich wohl nicht über das Fahrverhalten beklagen wollen. Zumal der Fronttriebler erst sehr, sehr spät dann über die Vorderräder geht – was man aber durchaus als sinnvollen Sicherheitsaspekt betrachten darf. Kurven umrundet er weiterhin präziser als die meisten Konkurrenten, das Fahrwerk bleibt auf der eher strammen Seite.

Der Antrieb ist bekannt, im 118d arbeitet ein 2-Liter-Diesel mit relativ bescheidenen 150 PS; für die dritte 1er-Generation wurde aber das maximale Drehmoment von 320 auf 350 Nm erhöht. In Kombination mit der 8-Gang-Automatik (nicht das gleiche Produkt und auch nicht ganz so seidenweich wie bei den Hecktriebler, etwa dem 320d) sorgt das für ausgesprochen souveränen Vortrieb, man kann durchaus flott (8,4 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h, 216 km/h Höchstgeschwindigkeit), doch besser ist, man bewegt sich ganz locker, easy, schön im «flow». Selbstverständlich gibt es auch wieder den Fahrmodus «eco pro», da scheinen die vom Werk angegebenen 4,4 Liter Verbrauch durchaus möglich. Etwas erstaunlich ist, dass der 118d nur die «Euro 6d-Temp»-Norm schafft (ab Ende 2020 ist 6d nötig), doch in der Schweiz ist die Regelung im Gegensatz zur EU in diesem Bereich ja eh noch sehr schwammig.

Wer schon andere BMW gefahren ist, wird sich auch im neuen 1er auf Anhieb zurecht finden; wer mag, der kann auch mit der ausgezeichnet funktionierenden Sprachsteuerung arbeiten. Die Sitzposition ist tief, die Sitze gut, die Übersicht auch, die verarbeiteten Materialien sowieso. Selbstverständlich kann man sich alles an Infotainment- und Assistenz-Systemen in den Wagen konfigurieren, was man sich nur vorstellen kann, doch das reisst dann halt schnell tiefe Löcher ins Portemonnaie. Günstiger geworden ist der 1er-BMW als Fronttriebler nicht, die Preisskala beginnt bei 36’100 Franken für einen manuell geschalteten, 140 PS starken 116i; für den 118d mit Automat sind schon fast 42’000 Franken fällig. Und ja, wir sind auch noch den M135i xDrive gefahren, doch das ist dann eine andere Geschichte.

Mehr BMW finden sich in unserem Archiv.

Der Beitrag Fahrbericht BMW 118d erschien zuerst auf radicalmag.