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Test VW Touareg

Published in radical-mag.com

Ein Hauch Vernunft

(Damit, vielleicht, hoffentlich auch etwas Verständnis aufkommt dafür, dass wir nur ganz wenige eigene Bilder von VW Touareg zeigen können: dieser Test nahm ein abruptes Ende eines schönen Tages in Turin, als wir an einer Tankstelle von einem kalabresischen Lastwagen abgeschossen wurden. Es ist noch erstaunlich, was da alles kaputtgehen kann, wenn der Laster den Touareg mit etwa einem Meter Anlauf mit dem Rad trifft.)

Erst kürzlich hatten wir den Lamborghini Urus beschrieben. Beim VW Touareg handelt es sich im Prinzip um das gleiche Fahrzeug, wie auch beim Audi Q7 und dem Bentley Bentanga und dem Porsche Cayenne; das Thema mächtiges SUV wird innerhalb des modularen Langweilebaukastens (MLB) des Volkswagen-Konzerns halt von jeder Marke etwas anders interpretiert (Bugatti hätten wir auch noch…). Zwar ist der VW vom Preis her schon das Einstiegsmodell unter all diesen Variationen, doch er braucht sich beim besten Willen nicht zu verstecken, ganz im Gegenteil – er erscheint uns als das mit Abstand beste Angebot in diesem Quintett. Dies allein schon deshalb, weil sein Design sicher gelungener ist, nicht die volle Kante wie beim Urus, nicht der pure Protz wie beim Bentley, nicht die klobige Anti-Eleganz wie beim Q7 (der dafür mit dem Q8 noch ein hübscheres Schwesterchen hat); ok, den Cayenne mögen wir so gut, wie man ein SUV halt mögen kann. Selbstverständlich ist der Touareg der dritten Generation ein mächtiges Automobil, 4,88 Meter lang, 1,98 Meter breit, 1,72 Meter hoch und ohne Sonderausstattung 2070 Kilo schwer – und doch einigermassen zurückhaltend, man braucht sich nicht zu schämen, weil das Gerät nicht in erster Linie die (finanzielle) Potenz seiner Besitzer auszudrücken braucht. Was dann aber auch vielleicht wieder genau sein Problem sein könnte, in diesem Segment zählt ja die Vernunft ja deutlich weniger als: Image. Und genau da kommt dem Touareg wahrscheinlich auch noch in den Weg, dass er halt schon sehr aussieht wie ein Tiguan (zumindest, wenn dieser das R-Paket zur Schau trägt). Trotzdem: Wir haben ihn viel und gern bewegt – was wir ja nicht von jedem SUV behaupten wollen.

Denn, und wir hatten das ja schon im ersten Fahrbericht zum Touareg geschrieben: die grossen SUV sind die neuen Oberklasse-Limousinen. Einen Fahrkomfort, wie ihn der Touareg bieten kann, erwartet man so eher in einer S-Klasse. Die Luftfederung* macht auch italienische Nebenstrassen zu frisch asphaltierten Autobahnen, es ist jederzeit ein ganz sanftes Einhergleiten – auch bei Geschwindigkeiten oberhalb von 200 km/h. Es herrscht im Innenraum eine wunderfeine Ruhe in diesem Wagen – dass man einen Selbstzünder fährt, das merkt man nur an der Tankstelle. Der Touareg ist dank Allradlenkung* auch erfreulich agil (ausser bei wirklich engen Serpentinen), auf der kurvigen Landstrasse kommt dank der aktiven, elektromechanischen Wankstabilisierung* sogar so etwas wie Fahrfreude auf – was wir ja nicht von jedem SUV behaupten wollen. Die Bremsen kennen keine Probleme, aber dieses Thema können wir wohl sowieso als abgehandelt geben, das ist unterdessen bei allen Herstellern so (oder?). Seine grösste Stärke ist aber sicher die Langstrecke, dies auch dank der «ergoComfort»-Sitze*; irgendwann musste der Volkswagen-Konzern ja reagieren auf die Vorherrschaft von Opel beim Gestühl. Unsereins braucht aber so viel Massage eigentlich nicht. Platz hat er auch noch reichlich, hinten sitzen auch drei Personen gut und mit anständiger Sicht nach aussen; das Kofferraum-Volumen ist fürstlich, 810 Liter hat er sowieso, mit abgeklappten Rücksitzen werden es 1800 Liter.

Innen nun, da macht der Touareg nicht nur seine MLB-Schwestern nass, sondern auch alle andern Konkurrenten. Gut, das Innovision-Cockpit* kostet einen massiven Aufpreis (alle mit * bezeichneten System sind teilweise sehr teure Sonderausstattungen), doch das ist schon ziemlich cool. Kino im Auto, die volle Digitalisierung. Wir zitieren uns selber: «das Innovisions-Cockpit, das sieht tatsächlich sehr gut aus, clever, vor dem Lenkrad ein 12-Zoll-Screen mit feiner Auflösung, gleich direkt (und leider nicht so schön) angefügt noch ein gewaltiger 15-Zöller. Das wirkt wie ein riesiger Breitbildfernseher, derart konsequent hat das noch gar niemand durchgezogen, dagegen wirkt selbst Tesla etwas veraltet». Und erklären das «leider nicht so schön»: da geht irgendwie ein Strich mitten durch die Landschaft – als nächste Stufe müsste das dann durchgängig sein, allein schon für das Auge. Was aber ist: je mehr man mit dem Touareg fährt, desto lockerer wird man mit der Bedienung, grosses Navi rechts, oder Navi direkt vor die Augen, Lüftung einstellen, das hat man schnell einmal im Griff. Und genau so soll es sein. Und doch stellen wir wieder die Frage: wieso steht der grosse Bildschirm nicht vertikal – so, wie man es sich vom Smartphone gewohnt ist?

Die Gestaltung des Innenraums hätte so noch harmonischer sein können, denn die mächtige Leiste, die quer durch das Cockpit und mitten hinein auch noch in die Türen führt, braucht niemand. Was man aber schon braucht: das Head-up-Display*. Und das Nachtsichtgerät*. Ja, das kostet alles Geld, doch es gehört ja zur grossen Kunst eines guten Verkäufers, Begehrlichkeiten zu schaffen – und gerade im Touareg will man mehr, mehr, mehr. Weil man ja dann trotz heftigem Preis immer noch viel vernünftiger ist als der Rest der MLB-Kunden (die erstaunlicherweise noch so manches von diesen System nicht kriegen!). Noch etwas, was alle andern nicht haben: die neuen LED-Scheinwerfer*, die abseits der Strassen auch 180 Grad in die Pampa leuchten können. Wer das bestellt, nimmt aber am besten auch gleich noch das Off-Road-Paket* dazu, denn sonst kommt er ja gar nicht erst in diese Pampa. In der wir nicht waren, denn unser Testwagen hatte das Off-Road-Paket nicht – und eigentlich will er ja eine grosse Limousine sein. Oder wie es VW-Chef Diess sagte: «Er markiert nicht nur die Spitze unserer SUV-Offensive, sondern er ist auch das Flaggschiff unserer Marke».

VW hat den Diesel ermordet – lange lebe der Diesel! In der Schweiz gibt es den neuen Touareg bis auf weiteres sowieso nur mit dem Selbstzünder, diesen immerhin in zwei Version, beides 3-Liter, einmal mit 231 PS, wir hatten die stärkere Variante mit 286 PS und 600 Nm maximalem Drehmoment zwischen 2250 und 3250/min. Damit muss, wie erwähnt, auch reichlich Masse bewegt werden, doch wenn man auf die vom Werk angegebenen Fahrleistungen schaut, dann scheint das eine Leichtigkeit: 6,2 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h, Höchstgeschwindigkeit 235 km/h. Ja, der Urus kann das gröber, aber sorry: wann genau? Perfekt auf die Maschine angepasst ist die wirklich sehr weich schaltende 8-Gang-Automatik, die erfreulicherweise auch nicht hektisch nach der passenden Stufe sucht, sondern sie halt immer findet. Auf dem Papier will der Touareg nur gerade 6,6 Liter verbrauchen. Das schafften wir nicht, aber wenn man so fährt, wie es der Schweizer Gesetzgeber verlangt, dann geht es mit knapp über 7; im Schnitt waren wir dann bei 8,9 Liter – und das ist ganz anständig für ein Fahrzeug dieser Grösse und mit diesen Fahrleistungen. Da gibt es übrigens noch ein lustiges Gimmick: Der Touareg zuckt leicht im Fahrpedal, wenn sein Navi merkt, dass weiter vorne eine Geschwindigkeitsbeschränkung kommt – man soll dann vom Gas, ausrollen lassen. Tut man das konsequent, dann sind aber die anderen Verkehrsteilnehmer nicht so begeistert; wir fragen uns auch ein bisschen, wie das mit dem Datenschutz ist, der Wagen muss ja dauernd online sein, damit er solche Dinge überhaupt merken kann. Nun denn, wir wünschen VW viel Vergnügen beim Auswerten all dieser Daten.

So ein Volkswagen (!) Touareg kostet ab 69’900 Franekn in der Basis-Ausrüstung mit dem schwächeren Diesel. Mit dem stärkeren Diesel sind es schon mindestens 80’400 Franken. Dann kommen noch all die * dazu – und dann ist man schnell, easy auf einem sechsstelligen Betrag. Das ist im Vergleich zu anderen MLB-Produkten immer noch nur ein laues Lüftchen, aber für einen VW doch ein heftiger Betrag – auch wenn er mindestens so sauber verarbeitet ist wie ein Audi, vielleicht sogar noch schöner, weil das alles irgendwie besser ineinander passt, nicht so aufgeblasen wirkt. Aber viel, viel Geld ist es schon, irgendwie – und der Fortschritt in Sachen modern(er)e, vernünftig(er)e Mobilität steht bei: Null. Wir fahren ja privat einen mittlerweile 13-jährigen Land Rover Defender. Nein, der ist nicht schneller. Und er hat das eine und auch andere Assi-System nicht, also eigentlich: keins. Aber er braucht nur so etwa ein Literchen mehr. Und der Defender hat noch einen entscheidenden Vorteil: Seine nicht vorhandenen Assi-Systeme funktionieren auch bei schlechtem Wetter – was man vom Touareg nicht behaupten kann, bei Regen quittiert der Abstandsradar bald schon seinen Dienst. Überhaupt ist das alles mit diesen System etwas kompliziert, wer zum Beispiel den sehr renitenten Spurhalter nicht mag (zum Beispiel: wir), muss sich heftig durch die Untermenus klicken – und das nach jedem Neustart. Und richtig kompliziert wird es dann, wenn man ohne diesen Spurhalter trotzdem den Abstandsradar samt Tempomat verwenden will. Tja, da bleibt noch Luft nach oben in der Bedienerfreundlichkeit.

Mehr Volkswagen haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test VW Touareg erschien zuerst auf radicalmag.