Fahrbericht Peugeot 508
Säbelzahntiger
Die ganz grossen Peugeot-Limousinen – zuletzt 604, 605, 607 – gibt es ja nicht mehr. Überhaupt gibt es keine grossen französischen Limousinen mehr, was natürlich schade ist, aber auch der Lauf der Dinge, denn das Segment wird immer kleiner, die Nachfrage hat sich längst nach Deutschland und zu den SUV verschoben. Und überhaupt: erst kürzlich hat VW den neuen Touareg als Top-Modell positioniert, das spricht auch eine deutliche Sprache, die Strategen in Wolfsburg sind ja auch keine Nasenbohrer. Bedarf besteht aber trotzdem, allein schon die Taxi-Fahrer sind auch in Zeiten von Uber & Co. ein nicht zu vernachlässigender Wirtschafts-Faktor, der bedient sein will, genau wie all die Ämter und sonstigen staatstragenden Persönlichkeiten – aus einem SUV steigt man weiterhin nicht mit der entsprechenden Würde aus. Und auch wenn sie noch so sehr Oberklasse mimen, sie haben den Geländewagen-Stallgeruch, duften nach Kuhfladen, man sieht in ihnen dreckige Schuhe und kurze Hosen. Es ist deshalb nicht so sehr ein Risiko für Peugeot, weiterhin einen klassischen Sedan anzubieten (der Kombi folgt dann Anfang 2019; SUV, auch grosse, haben die Franzosen eh mehr als genug), allein schon die französischen Taxi-Betreiber und Staatsstellen werden eine ausreichende Abnahme sichern.
Mutig ist vielmehr, dass Peugeot den 508 ziemlich radikal gestaltet hat. Es ist nicht die typische Limo-Form, sondern mehr ein Coupé – die Linien sind fliessend, elegant und doch aggressiv, sportlich. Man darf den Franzosen gerne attestieren, dass das Design gelungen ist, der 508 erregt Aufsehen, andere klassische Limousinen, auch jene aus deutschen Landen, sehen dagegen so richtig alt, vor allem altbacken aus. Es darf als sehr erfreulich bezeichnet werden, dass die Moderne auch im konservativsten aller automobilen Segmente Einzug gehalten hat. Gut das Spiel mit den Licht-Signaturen, in der Nacht wirkt der Peugeot von vorn wie ein Säbelzahn-Tiger; endlich hat sich ein Design-Team wieder einmal die Mühe gemacht, auch hinten einen sauberen, ja hübschen Abschluss zu finden.
Das i-Cockpit muss man nicht mögen – uns gefällt es. Man würde sich vielleicht einen grösseren Bildschirm über der Mittelkonsole wünschen, das dortige Piano für die Bedienung ist auch nicht wirklich übersichtlich, aber das Grosseganze wirkt in sich geschlossen, ist einfach zu bedienen, die Logik stimmt. Bei den verwendeten Materialien hat Peugeot längst zu den deutschen Herstellern aufgeschlossen, auch die Verarbeitung erscheint auf den ersten Blick (und mehr war bei der ersten Probefahrt nicht möglich) auf einem hohen Niveau. Selbstverständlich gibt es alle Assi-Systeme, die alle andern auch haben; neu ist die «Night Vision», ein Nachtsichtgerät. Und trotz Coupé-Form und insgesamt geringerer Abmessungen (8 Zentimeter kürzer, 6 Zentimeter flacher als der Vorgänger, 3 Zentimeter weniger Radstand): die Platzverhältnisse im Innenraum sind gut. Die hinteren Passagiere haben überraschend viel Beinfreiheit, gegen oben wird es ab 1,90 Meter Länge und mit Irokesenschnitt dann zwar etwas knapp, aber für Normgrössen reicht es locker. Das Kofferraumvolumen ist sanft auf 487 Liter angestiegen (bei abgeklappten Sitzen: 1537 Liter), wobei man da jetzt nicht so genau weiss, nach wessen Ellen gemessen wird. Es ist aber auf jeden Fall reichlich – und über eine weit herunterreichende Heckklappe auch bestens zugänglich. Ach ja, die Abmessungen: 4,75 Meter lang, 1,86 Meter breit, 1,40 Meter hoch. Und ab 1,5 Tonnen schwer, anscheinend im Schnitt rund 70 Kilo weniger als beim Vorgänger.
Der neue Peugeot 508 basiert auf der EMP2-Plattform, die nun quasi alles trägt, was der PSA-Konzern oberhalb der Kleinwagen zu bieten hat. Erstmals kommt hinten eine Multilink-Achse zum Einsatz, eine Limo ist ja kein SUV und auch kein MPV, die Franzosen wissen auch, dass die Anforderungen an den Fahrkomfort sowie die dynamischen Fähigkeiten höher sind bei den Limousinen. Federungskomfort wie einst darf man nicht erwarten, die Zeit der Sänften ist längst vorbei, doch es gilt zu bemerken, dass Peugeot beim 508 ein feiner Kompromiss gelungen ist. Auf im Fahrmodus «Sport» ist der Franzose längst nicht so hart wie deutsche Produkte, steht ihnen aber in Sachen Sportlichkeit eigentlich nichts nach. Was er unter anderem seiner präzisen Lenkung verdankt – und dem Gefühl, das über das bekannte i-Cockpit mit dem kleinen Lenkrad und den darüber angeordneten Anzeigen vermittelt wird. Es ist eine erfreuliche Agilität, die dem Peugeot innewohnt, er wirkt flinker, als er wohl tatsächlich ist. Und was er halt auch in der härtesten Abstimmung viel besser kann als die meisten Konkurrenten: Querfugen. Man spürt sie quasi nicht – während es immer noch hochgelobte deutsche Produkte gibt, die den Passagieren dort die Schläge knallhart in den Rücken und die Plomben in den Zähnen weiterleiten. Man wird den Peugeot 508 gerne auf langen Strecken bewegen – was sicher auch daran liegt, dass die Franzosen von der jüngsten Tochter Opel die grossartigen AGR-Sitze übernommen haben.
Fahren konnten wir die zwei Top-Motorisierungen, einen 1,6-Liter-Benziner mit 225 PS und einen 2-Liter-Diesel mit 180 PS; obendrüber wird es nächstes Jahr noch einen (leider nur frontgetriebenen) Plug-in-Hybriden geben mit 300 PS und 50 Kilometern rein elektrischer Reichweite. Auch wenn wir ja sonst die Selbstzünder gut mögen – im neuen 508 ist der stärkste Benziner auch klar die beste Wahl. Angenehm ruhig versieht er seinen Dienst – trotz Downsizing – sehr souverän, es stehen 300 Nm maximales Drehmoment schon ab 2500/min zur Verfügung, was in Kombination mit der sauber schaltenden 8-Gang-Automatik für ein flottes Vorankommen sorgt. 250 km/h will er rennen, der stärkste 508, und in 7,3 Sekunden auf 100 km/h; dies bei einem Verbrauch von 5,6 Litern. Für den 180-PS-Diesel gibt Peugeot einen Verbrauch von 4,7 Litern an, was selbstverständlich lobenswert ist (und gemäss unseren Erfahrungen in der Realität durchaus möglich), doch dieser Antrieb (ebenfalls mit 8-Gang-Automatik) wirkt deutlich angestrengter als der Benziner (obwohl das maximale Drehmoment sogar 400 Nm schon ab 2000/min beträgt) – liegt es daran, dass der Diesel lauter ist? Es gibt auch einen 1,5-Liter-Diesel mit 130 PS, aber der ist dann wohl in erster Linie etwas für Sparfüchse (Normverbrauch 3,7 Liter…).
«radical» meint: Der Peugeot 508 ist bestens gelungen. Er sieht richtig gut aus – und kann bei den entscheidenden Kriterien überzeugen. Ob er nun deswegen aber das Schweizer Strassenbild prägen wird, darf trotzdem bezweifelt werden – aber vielleicht risikiert der eine oder andere potentielle Kunde auch im Kombiland Schweiz einen Blick auf diese Limousine (mit Heckklappe). Das grösste Manko hierzulande ist aber der fehlende Allradantrieb. Entscheidend werden aber vor allem im B2B-Bereich die Preise sein. Und die kennen wir leider noch nicht. Andererseits: bei der derzeitigen, höchst ungesunden Rabattschlacht in der Schweiz ist das alles auch sehr relativ.
Mehr Peugeot haben wir in unserem Archiv.
Der Beitrag Fahrbericht Peugeot 508 erschien zuerst auf radicalmag.