Test VW Amarok V6 TDI
Verwendungszweck
Dass es der Amarok ganz gut kann auch in schwierigerem Gelände, das haben wir ja sowohl schon erlebt wie auch beschrieben, siehe: hier. Als wir den erneuerten Pick-up mit seiner Top-Motorisierung – 3-Liter-Diesel, 224 PS, 550 Nm maximales Drehmoment – kürzlich aber einen eigentlich banalen Waldweg hochtreiben wollten, da ging gar nichts mehr: keine Chance, alles wieder zurück (der zum Vergleich eingesetzte Defender tat es dann gleichenorts mit einem Lächeln, und das im Alltagsmodus, mit auch nicht sonderlich grossartigen Ganzjahres-Pneus). Es sind drei Punkte, die den Amarok scheitern liessen, wie in diesem kurzen Video zu sehen ist, zwei sind baubedingt: er ist zu breit – und er ist zu wenig übersichtlich. Was beides auf der Suche nach dem rechten Weg durchs Gehölz ziemlich hinderlich sein kann (und er piept dauernd, furchtbar; ja, man kann es ausschalten). Der Hauptgrund aber, weshalb er das Hügelchen mit etwas Morast nicht schaffte: die Reifen. Womit wir auch gleich beim Problem sind einer grossen Mehrheit von durchaus vernünftigen, auch fähigen Geländewagen: sie müssen in erster Linie gut aussehen. Die 20-Zöller, die unser Testwagen montiert hatte, mögen zwar schick sein in der Stadt – im Dreck sind sie ohne die entsprechenden Reifen einfach untauglich, da wird schon eine nasse Wiese zur Herausforderung.
Nun ist es ja aber so, dass auch so ein – oder gerade so ein – Amarok V6 TDI wohl nur höchst selten in solche Situationen kommt. Gerade die gröbste Variante des Pick-up von Volkswagen ist mehr ein Lifestyle-Produkt, macht den besten Eindruck downtown und allenfalls noch mit ein paar Downhill-Bikes auf der Ladefläche. Das ist auch ok so, jeder macht, was er kann, und beides geht halt irgendwie nicht, Coolness passt nicht zum Matsch – aber da steht der Amarok ja nicht allein. All die Defender mit nicht angeschlossenem Rüssel und riesigen Pneu, mit denen die Stadt-Indianer ihre Bio-Petersilie einkaufen (falls sie denn einen Parkplatz finden), all die Supercharged-, V8-Biturbo- Pseudo-Coupé-SUVs, die in der Schweiz zuhauf die Strassen verstopfen, brechen ja schon zusammen, wenn sie nur auf einem Kies-Parkplatz abgestellt werden müssten – es könnte ja ein Steinchen die handgeschimdeten, mundgeblasenen Felgen ruinieren. Oder ein Dreckspritzer die Spezial-12-Schicht-Lackierung versauen.
Doch eigentlich wollen wir unseren Unmut über all nicht ihrem eigentlichen Verwendungszweck zugeführten Geländewagen und SUV nicht am Amarok auslassen, denn der ist nach seinem Facelift ein noch besseres Gerät geworden. Er hat jetzt quasi alles, was so ein Golf in Sachen Infotainment und Connectivity auch hat, also: jede Menge. Und das gut gemacht, schön integriert ins Cockpit, einfach zu bedienen und innert weniger Minuten verständlich. Es gibt auch die besseren Sitze als auch schon, und auf Wunsch jede Menge Luxus. Innen ist so ein Amarok quasi wie ein «normaler» Personenwagen, auch absolut alltagstauglich, auch absolut langstreckenfähig. Gut, die hinteren Passagiere werden sich auch im Double Cab nicht über zu viel Raum beklagen, doch das erwartet auch niemand von einem Pick-up. Denn der kann dafür so einiges wegpacken – auch wenn wir jetzt wie bei anderen Pick-up (siehe Test Toyota Hilux) nicht so ganz genau wissen, was. Und warum.
Mit dem grossen Diesel ist der Amarok eine Macht. Er will in 7,9 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigen (was bei einem Pick-up ja eminent wichtig ist), doch gefallen hat uns vor allem die hervorragende Durchzugskraft, die den Volkswagen in Verbindung mit dem feinen 8-Gang-Automaten auf aspahltierten Strassen zu einem erfreulichen Spassmobil macht. Zwar versieht der Selbstzünder seinen Dienst ziemlich brummig, doch das passt auch wieder zum Charakter des Wagens, der ja keine Sänfte sein will, sondern schon einen Hauch Abenteuer ausdrückt. Für unsere Ansprüche ist der Amarok zu hart gefedert und zu wenig gedämpft, gerade auf schlechteren Gassen tut das manch ziemlich grob quer durch den ganzen Aufbau, doch auch das ist halt Geschmackssache. Dafür macht der VW den guten Eindruck, dass er auch in 15 Jahren noch so ziemlich alles mittut, was man von ihm verlangt. Positiv überrascht waren wir vom Verbrauch des doch mächtigen Wagens (4,98 Meter lang, 1,95 Meter breit, 1,88 Meter hoch – und etwa 2,2 Tonnen schwer) mit dem mächtigen Motor: 7,4 Liter waren es im Test (7,3 Liter nach Norm). Da darf man beim besten Willen nicht klagen, denn die Fahrleistungen sind schon beeindruckend.
Mit einem Preis von knapp 54’000 Franken ist so ein VW Amarok V6 TDI als Double Cab in der Ausstattung Highline ein gutes, sehr faires Angebot – ganz besonders, wenn man ihn etwa, zum Beispiel, mit einem Tiguan vergleicht. Aber es kommt halt schon auf den Verwendungszweck an, so einen Pick-up muss man wollen, während ein SUV ja anscheinend immer (und fast allen) passt. «radical» mag ja solche Fahrzeuge mit Charakter, Autos, die nicht mainstream sind, und der Amarok ist da halt schon sehr nach unserem Geschmack. Und hätte er dann auch noch die richtigen Reifen drauf, dann hätte er auch das Zeug zu einem sehr anständigen Geländewagen mit vielerlei Fähigkeiten, der nicht nur vor dem Hipster-Café gut aussieht.
Mehr Volkswagen haben wir in unserem Archiv. Und gern stellen wir in diesem Zusammenhang auch noch den Fotografen vor, der für uns den Amarok in Szene gesetzt hat: Frédéric Diserens. Man wird ihn noch öfter sehen auf diesen Seiten.
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